6.Kapitel Zellenmitbewohner

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"Gutes Argument" gab er zu, doch ergänzte:
"Ich will nur nicht das du mich dann anders behandelst."
Er mochte sie und er kannte das schon, sobald jemand erfuhr, dass er ein Prinz war, verhielt er sich ihm gegenüber ganz anders. Aber er war durch und durch ehrlich und würde niemals lügen, wenn er keinen triftigen Grund hatte.
"Wieso sollte ich dich anders behandeln?", fragte sie neugierig.
"Weil ich Avinas älterer Bruder und damit der Kronprinz bin."
Erst starrte sie ihn nur an, dann nickte sie ruhig. "Ich hatte es mir schon gedacht, als du sagtest, dass du Avina gesucht hast."
Er sah sie verwirrt an. Diese Reaktion hatte er bei niemandem erlebt. Dann fragte sie mit ehrlichem Interesse: "Wie viele zukünftige Monarchen suche ich mir denn noch als Freunde. Erst Avina, dann Nathaniel und jetzt du. Ach Verdammt!" Sie lachte trocken.
"Wer ist Nathaniel. Wer ist er?"
"Er ist, wie es scheint der Prinz von Xadrien."
"Du gibst dich mit dem feindlichen Prinz ab?"
"Ich wusste es nicht, okay? Außerdem gibt sich deine Schwester mehr mit ihm ab als ich und er ist mein bester Freund."
"Wie meinst du das? Was ist mit meiner Schwester?"
"Nathaniel ist in sie verliebt und sie auch in ihn."
Er war nun an der Reihe mit starren. Sie könnte sich täuschen. Er hoffte sie würde sich täuschen.
"Ich gehe auf keine Details ein.
Das ist Avinas und Nathaniels Sache. Ich hänge mich da nicht rein."
Er suchte nach einem anderen Gesprächsthema, doch irgendwie fiel ihm keines ein.
"Ist dir klar, dass Daron dich entweder töten oder dich irgendwie anders von der Bildfläche verschwinden lassen muss?"
"Ja das ist mir klar. Ich nehme an, er will, dass ich entweder öffentlich meinen Rücktritt bekannt gebe oder mich hier unten sterben lassen, damit er sagen kann, dass ich geflohen sei. Dabei wäre das zweite effektiver, da er dann das ganze Volk gegen mich aufbringen könnte."
Sie ging zur Zellentür und hielt sie mit beiden Händen fest.
"Wir müssen hier raus." Als sie gerade an der Tür ziehen wollte, sprang ein riesiges Ungetüm von einem Hund um die Ecke und knurrte und kläffte sie an. Sie sprang erschrocken zurück, doch dann ging sie auf den Hund zu, fletschte die Zähne und knurrte.
Ihm liefen Schauer über den Rücken
Dieses Knurren hörte sich zu echt an. Viel zu echt. Der Hund wich keinen Zentimeter zurück und ließ sich auch nicht einschüchtern.
Sie drehte sich zu ihm um und meinte:
"Dreh dich kurz um. Ich muss die Rangfolge klären."
Er gehorchte stirnrunzelnd und fragte sich, was das zu bedeuten hatte, bis er hinter sich das Knurren von etwas Riesigem hörte.
Er drehte sich um, richtete seinen Blick auf die Zellentür und sah, wie der Hund weg rannte. Und das nicht ohne Grund, vor ihm in der Zelle, stand eine riesige, weiße Wölfin, die gerade ihre Mundwinkel zu einem Grinsen hob. Er starrte sie an und wich langsam in die Schlafniesche zurück. Als sie seine Bewegungen bemerkte, drehte sie sich um und schaute ihm in die Augen. Er fühlte sich gezwungen, der Wölfin auch in die Augen zu sehen. Er sah in Selinas Augen, die wahrscheinlich das Einzige waren, was sich nicht nach der Verwandlung verändert hatte.

Sie beobachtete, wie er sich bewegte.
Er hatte sich zuerst in die Niesche zurückgezogen, doch als er sie an ihren Augen erkannt hatte, entspannte sich sein ganzer Körper und nun ging er um sie herum und betrachtete sie genau.
Nach einer Weile bat sie ihn:
"Kannst du dich bitte kurz umdrehen, damit ich mich zurückverwandeln kann?"
Er nickte und drehte sich um.
Sie verwandelte sich schnell und zog sich an.
"Du kannst in deiner Wolfsgestalt sprechen?"
"Ja aber das mache ich nicht so gerne. Es fühlt sich komisch an und ich habe auch erst vor einigen Tagen bemerkt, dass das geht."
"Seit wann kannst du dich verwandeln?"
"Seit meiner Kindheit. Eines Tages bin ich im Wald in der Nähe von Hagenfels mit meinem Pferd ausgeritten. Wir wurden von Wölfen verfolgt, es hat mich abgeworfen und ist weggerannt. Ich hatte erst höllische Angst, dass mich die Wölfe fressen würden, aber sie taten es nicht. Sie beobachteten mich neugierig und schnüffelten an mir.
Von diesem Tag an, ging ich so oft in den Wald wie ich konnte und eines Tages, als ich mich fragte, wie es denn wohl sein würde, wenn ich eine von ihnen wäre, umschwirrten mich plötzlich blaue Funken und ich wurde in die Luft gehoben, als ich schließlich wieder auf dem Boden aufkam, stand ich nicht mehr auf zwei Füßen, sondern auf vier Pfoten. Die Wölfe hatten mich seit dem Tag, als ihre Alpha angesehen."
"Wie viele Wölfe hast du momentan?"
"Es sind zwei Rudel. Insgesamt sind es etwa vierzig bis fünfzig Wölfe. Ich mochte es nie, mich auf eine Kraftprobe einzulassen, wenn es sich vermeiden ließ. Wenn die Welpen versuchen mich herauszufordern, dann habe ich immer versucht, so wenig Verletzungen wie möglich zu verursachen."
Ihnen war gar nicht klar, wie lange sie gesprochen hatten, als die Morgensonne in die Zelle schien.
Er legte sich in die Niesche und klopfte auf den freien Platz vor sich. Erst schaute sie skeptisch und fragte: "Schickt es sich überhaupt, wenn sich eine einfache Bürgerin neben den Prinzen legt?" Er grinste sie an. Obwohl er bitter daran dachte, dass er genau das gemeint hatte.
"Im Moment bin ich ja wohl kaum ein Prinz. Nur ein Gefangener, der seiner Zellenmitbewohnerin ein wenig Wärme schenken will."
Sie lächelte müde und legte sich dazu. Er schlang seinen Arm um sie, damit sie nicht rausfallen konnte und legte den anderen Arm unter seinen Kopf. Selina kuschelte sich eng an ihn und legte ihr Gesicht auf ihren Arm.
Zusammen schliefen sie ein.

Larwenia 2- Queen Of Raven and DustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt