28.Kapitel. Pflege

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Am Morgen wurde er von Avina geweckt. Ihre Stimme klang besorgt und als er sie anblinzelte, wirkte sie regelrecht erleichtert. Allerdings nur einen kurzen Moment, eh die Sorgenfalte auf ihrer Stirn zurück kam und sie sagte:
"Nathaniel deine Schulter ist voller Blut. Was hast du angestellt?"
"Nur ein Kratzer", meinte er und wollte weiterschlafen. Das ließ Avina allerdings nicht zu. Dieser unmögliche Junge. Er war doch kein Kind. Er wusste, dass man Wunden versorgen musste. Sie nötigte ihn aufzustehen und ihr zu folgen. Er hatte keine Ahnung, wie lange sie schon wach war, doch wohl lange genug, um sich hier umgesehen zu haben, denn sie führte ihn in eine Höhle mit einem See. Er war nicht tief. Meterweit zog er sich, vielleicht fünf bis zehn Zentimeter tief, durch die Höhle. Weiter hinten wurde er tiefer, doch Nathaniel schätzte, selbst an der tiefsten Stelle konnte er stehen ohne, dass ihm das Wasser bis zum Hals ging. Tropfsteine hingen von der Decke und Nathaniel schätzte dass sich hier Regenwasser sammelte. Sie waren viel zu hoch für unterirdische Quellen.
"Setzt dich", verlangte Avina und er ließ sich widerwillig auf einen Stalakniten sinken, der mehr breit als spitz war.
Avina nahm ihn zuerst den ledernen Armschutz und die ebenfalls lederne Weste ab. Nun konnte man die Risse im Dunklen Leinenhemd schon deutlich besser sehen. An die Wunde kam sie so jedoch noch nicht, also musste er das ebenfalls ausziehen und seufzte:
"Schon mal an eine Karriere als Krankenschwester gedacht?"
Avina tat das mit einem "pf" ab und betrachtete seine Wunde. Er hatte sie gestern nicht verbunden und Blut klebte überall an seiner Schulter. Es sah vermutlich viel schlimmer aus, als es war, doch Avina verzog kurz das Gesicht.
"Halb so wild", versicherte Nathaniel, "Glaub mir, meine Wunden heilen immer gut."
"Sicher nicht, wenn man sie nicht mal säubert", meinte Avina und zog ein Tuch aus ihrer Tasche. Sie tauchte es ins kristallklare Wasser und begann das Blut weg zu wischen. Das Ergebnis war allerdings überraschend. Eindeutig hatten drei Krallen seine Schulter zerschnitten, doch bei der Blutmenge müssten sie viel tiefer sein.
Nathaniel hingegen war nicht so überrascht. Er schaute auf seine Schulter hinab und meinte: "Siehst du halb so wild, hab ich doch gesagt."
Er wollte sich das kaputte Hemd wieder anziehen, doch Avina schnappte es ihm vor der Nase weg. "Da muss erstmal das Blut ausgewaschen werden."
Sie rümpfte kurz die Nase, "vermutlich kann es allgemein mal eine Wäsche gebrauchen."
Nathaniel seufzte: "Mädchen" und ließ sie machen.
Avina kniete sich hin und versuchte das getrocknete Blut so gut es ging, raus zu waschen. Allerdings entgingen Nathaniel ihre kleinen Blicke nicht, er sagte aber nichts.

Avina hingegen versuchte, diese zu unterlassen, aber sie war auch nur eine Frau und verdammt, Nathaniel war oben ohne einfach zu ... ähm ... interessant, zumindest versuchte sie sich selbst einzureden, dass sie ihn nur deshalb, immer wieder anguckte. Als sie ihm das Hemd zurück gab, ließ er es mit einen Zauber trocknen und zog es gleich wieder an. Die Weste ließ er vorerst aus und lief mit Avina zurück in die Höhle in der William und Selina bereits frühstückten.

Selina grinste Avina verschwörerisch an, als sie sie hereinkommen sah.
Der Drache war bereits ausgeflogen, um das Mittagessen zu besorgen. Avina starrte sie leicht verlegen an und schüttelte den Kopf.
Selina biss in das Trockenfleisch, um sich das Lachen zu verkneifen. Diesmal musste sie sich nicht einmischen, damit die beiden endlich bemerkten, dass sie zusammengehörten. Will hatte ihren Blickwechsel bemerkt und schaute sie fragend an. Jetzt war es für Selina vorbei. Sie schluckte mühselig das Fleisch hinunter und begann zu kichern ... und konnte so schnell nicht wieder aufhören. Avina stimmte mit ein und die beiden Männer starrten sie an und schienen sich zu fragen was los war.
"Was?", fragte Nathaniel, doch beiden Mädchen lachten weiter.
Er gab es auf, zu fragen, was denn nun los war und murmelte irgendetwas mit gackernden Gänsen. Daraufhin sahen ihn die beiden empört an, sahen sich wieder an und grinsten. Selina sagte nach einer Weile:
"Ich gehe mal an die frische Luft."
Sie ging raus auf den Vorsprung und atmete tief durch. Die frische Luft tat ihr gut und kühlte sie ein wenig ab.
Als Selina sich wieder normalisiert hatte, lief sie nicht zurück zu ihren Freunden, sondern in die Bibliothek des Drachen. Hier fühlte sich sich wohl und begann in den Regalen herum zu stöbern. Hier waren verschiedene Bücher über die Anwendung besonderer Magie, unter anderem auch viele Bücher über die Steinmagie. Es waren auch Legenden und Geschichten der unterschiedlichen Völker, Schwertkampftechniken und viele Bücher über die verschiedenen Länder und magischen Kreaturen darunter.
Sie fischte sich eines der riesigen Bücher über Gestaltwandler aus dem Regal und fing an darin zu blättern.
Sie blätterte, bis sie das Kapitel über Wolfsgestaltwandler gefunden hatte und fing an es zu lesen.

'Es gibt nicht viel, was wir über die Wolfswandler wissen. Zu viele Menschen haben versucht mit einigen von ihnen zu reden, um mehr herausfinden zu können, doch diese kamen meist nicht zurück und die die zurück kamen, haben nie ein Wort über diese Wandler verloren.
Wolfswandler leben meist abgeschieden von normalen Menschen, worauf sich schließen lässt, dass sie Einzelgänger sind. Nur wenige lebten unter uns, doch als diese herausfanden, dass diese Menschen eine Abnormalität in sich tragen, wurden sie gejagt und qualvoll ermordet, ganz egal, wie gut sie sich mit ihren Nachbarn verstanden hatten.
Wie die meisten anderen Wandler ist auch der Wolfswandler ein Raubtier.
Sie sind viel größer als normale Wölfe und wurden nie in einem Rudel gesichtet. Diese Aussage bestätigt die obere These, in der vermutet wird, dass sie Einzelgänger sind.
In Ammenmärchen wird behauptet, dass ihre Zähne und Krallen, genug Kraft und einen Stoff in sich tragen der die meisten Dämonen abtöten kann. Ob das allerdings stimmt, ist fraglich, da niemals jemand dieses Gerücht bestätigt hatte.'

Selina schlug das Buch zu. Wieder nur eines, welches Gerüchte und kein Wissen vermittelt. Frustriert schob sie das Buch zurück ins Regal und ging zu ihren Freunden zurück.

Will hatte sich gerade Gedanken über Nathaniel und seine kleine Schwester gemacht und wie sie vorhin hier rein gekommen sind. Irgendetwas sagte Will, dass er es vielleicht doch nicht wissen will, als Selina hereingestürmt kam. Sie strahlte Wut aus und ihre Augen hatten zu leuchten begonnen.
"Was ist denn los?", fragte er vorsichtig.
"Ich war eben in der Bibliothek und habe versucht etwas über meine Art herausfinden zu können."
"Wieder nur Gerüchte und Vermutungen?", fragte Avina.
"Jap."
"Ich würde euch raten, ein Buch zu suchen, welches euren Freund von dieser Rabengestalt befreit.", schaltete sich der Drache ein, der gerade hereingekommen war.
"Du hast hier so eines?", fragte Nathaniel erstaunt.
"Ich habe hier viele Bücher, unter anderem auch welche, die der schwarzen Magie kundig sind. Versucht es in so einem."
"Schwarze Magie?", Will blickte unsicher zu Nathaniel.
Dieser zuckte nur mit den Schultern, worauf er leicht zusammenzuckte und sich die eine Schulter hielt. Avina sah ihn entsetzt an und lief rasch zu ihm, doch er winkte ab.
"Es geht schon wieder. Wirklich.
Also, wenn man schwarze Magie richtig anwendet, kann man viel damit bewerkstelligen und vielleicht wäre es sogar möglich, dich zurück zu verwandeln.", sagte er an Will gewandt, dem die Szene mit seiner Schwester nicht sonderlich gut gefallen hatte.
"Und was würde passieren, wenn einem ein Fehler unterläuft?", fragte Will.
"Im schlimmsten Fall, würden der Zauberer und der Verzauberte sterben."
"Ooh nein. Nein. Nein. Nein. Das Risiko ist enorm hoch.", mischte sich Selina ein.
"Das will ich nicht eingehen."
"Es geht ja auch nicht um dich, sondern um ihn.", sagte der Drache sanft und Selina starrte ihn entgeistert an, dann stürmte sie hinaus, dicht gefolgt von Avina. Will sah ihnen hinterher.
Nathaniel räusperte sich.
"Also, würdest du es versuchen wollen?"
"Ich weiß nicht. Lass uns erst einmal schauen, ob es einen Zauber gibt und dann sehen wir weiter."
Nathaniel nickte zustimmend und ging den Mädchen hinterher. Will flog ihm nach.

Larwenia 2- Queen Of Raven and DustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt