22.Kapitel. Verrat.

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Auf einmal gurrte es hinter ihr und sie drehte sich erschrocken um. Ein Vogel flog aus dem Gebüsch und sie fuchtelte mit den Armen um sich herum, um ihn zu verscheuchen. Als sie das geschafft hatte, drehte sie sich um und das Licht war weg. Leise verfluchte sie den Vogel und sah sich um, so gut es ihre Augen in der Dunkelheit zuließen.
Sie hatte ihn aus den Augen verloren. Sie beschloss ihn zu suchen und kletterte weiter über die Steine, bis sie sich nicht mal mehr sicher war, ob sie den Rückweg finden würde. Es war stockfinster, wimmelte von Drachen und sie war ganz allein im Dunkeln.
Avina seufzte leise. Da hatte sie sich mit ihrer Neugier ja wieder etwas Tolles eingebrockt.
Sie lief herum und versuchte irgendwie den Rückweg zu finden. Dabei entdeckte sie erneut das Licht. Zumindest hoffte sie es ist das Licht und nicht das Feuer eines Drachen. Sie lief näher und sah die Silhouette eines Mannes.
"Ash?" fragte sie leise. An Verstecken war nicht mehr zu denken, er musste ihr schließlich den Rückweg zeigen. Doch der Mann, der sich zu ihr umdrehte, war nicht Ash, es war...
Fassungslos erstarrte sie und schlug die Hand vor ihren offenen Mund.

"Nathaniel!" Sie starrte ihn erschrocken an und er sie nicht weniger. Die Flamme in seiner Hand erlosch apruppt und während Nathaniel sie noch abstarrte, zog Avina ihr Schwert. Mit Tränen in den Augenwinkeln, lief sie auf ihn zu.
"Du mieser Verräter!"
Alles kam wieder hoch. Sie hatte ihn geliebt und er hatte sie nur ausgenutzt. Als Nathaniel sein Schwert zog und ihren Angriff parierte.
"Warte, hör mir doch erst zu," setzte er an, doch sie dachte gar nicht daran und griff ihn weiter an.
Sie tauschten ein paar Schläge und Avina fiel gar nicht auf, dass Nathaniel nur ihre Angriffe parierte und niemals selbst zum Angriff überging. Als sie sich etwas länger umkreisten, versuchte Nathaniel es erneut. "Hör zu, es ist anders als du denkst."
Doch das machte Avina nur noch wütender. Betrüger. Lügner. Verräter.
"Anders!?", wiederholte sie, "Was ist anders, als ich denke!? Dein Vater ist Daron, der Kriegerkönig von Xadrien. Du bist sein Nachfolger! Du hast mir eine heile Welt vorgegaukelt, während er mein Land erobert und meine Eltern getötet hat!
Du hast meinen Bruder in einem Kampf verletzt, den er dir aufgetragen hatte! Versuche es gar nicht erst zu leugnen! Ich habe es mit eigenen Augen gesehen!" Ihre Aufregung ließ sie unaufmerksam werden und Nathaniel trat ihr das Bein weg und hielt ihr, als sie am Boden aufkam, das Schwert an die Kehle.
"Hör zu verdammt! Ich hätte ihn damals töten können und dich jetzt. Was denkst du, hält mich davon ab?" Er wurde ruhiger und sah sie lange an.
"Ich...ich war die ganze Zeit auf eurer Seite. Ich...", er schwieg und dachte darüber nach, ob er es ihr sagen sollte, aber er musste es, wenn er sie nicht verlieren wollte.
"Ich bin Ash."
Avina sah ihn mit großen Augen an.
"Was? Nein. Niemals. Das geht gar nicht."
"Doch. Was denkst du, wie er euch hätte finden sollen? Es war niemals er, weil es ihn nicht gibt, es war immer Nyx in meinen Auftrag. So habe ich euch im Schloss und im Gebirge immer gefunden."
Avina sah ihn noch immer ungläubig an. Wie konnte es sein? Sie hatte den Phönix nicht wiedergesehen.
"Aber als Selina und Will befreit wurden, warst du draußen und er im Kerker. Wie soll das gehen? Du kannst nicht an zwei Orten gleichzeitig sein."
"War ich auch nicht. Nur die Kleidung. Das Schwerste an einer Illusion ist es, das Gesicht nach zu machen, die Maske hat mir das erspart und ich musste mich nicht sehr anstrengen, um das alles mit Magie in Körperform zu bringen. Zumal Selina alles nur von hinten gesehen hat." Demonstrativ ließ er die Kleidung, die er hinter einem Stein versteckt hatte, hervor tanzen.
"Als der Dämon dann erledigt war, bin ich außer Sicht gerannt und habe mich in die Kleider teleportiert."
Wieder zeigte er es und schob die Maske anschließend hoch. "Es ist nicht gerade meine leichteste Übung, aber auf so eine kurze Stecke möglich. Wenn ich von hier aus zum Schloss will, lande ich auch mal ein paar Kilometer weiter weg."
Avina starrte ihn trotz allem nur weiter an.
"Wieso? Wieso hast du nichts gesagt, wenn du die ganze Zeit auf unserer Seite warst!? Ich ... er ist verdammt nochmal dein Vater! Wieso hast du nicht gesagt, was er plant?! Wir hätten meine Eltern retten können. Wieso hast du mich nun so lange glauben lassen, du hast uns verraten!?"
Nathaniel sah sie fast traurig an. "Mein Vater musste glauben, dass ich es hab. Hättet ihr es nicht geglaubt, wäre er niemals darauf hereingefallen. Du musstest es glauben, um zu reagieren. Ich kann mich auch nicht dafür entschuldigen. Es war zu eurem eigenen Schutz und das Beste so."
Er schwieg kurz und wandte sich ab.
"Was deine Eltern angeht.. ich würde gerne sagen, ich wusste nicht, was er vor hatte, aber das wäre gelogen. Ich wusste es und es war mir egal. Nein ... eigentlich war ich begeistert, ein neues Land zu erobern. Weisst du, ich wurde nicht so erzogen, dass Mord und Gewalt etwas Schlechtes sind. Nur der Stärkere überlebt. Erst als ich sah, wie die Leute hier lebten, bekam ich Zweifel und erst als ich dich sah...", er brach ab und seufzte.
"Ich glaube, selbst dann wollte ich es noch nicht verhindern, ich wollte nur dich beschützen. Ich wollte nicht, dass er dir wehtut, aber ich habe versagt, also musste ich mich entscheiden."
Er drehte sich wieder um und sah sie an. Sie rührte sich nicht. Alle seine Worte schwirrten in ihrem Kopf herum und bildeten ein einziges Durcheinander.
"Ich hab mich gegen ihn entschieden, gegen mein altes Leben, alles was ich kannte. Für ein fremdes Land, ich ...", er trat näher zu ihr.
"Ich hab mich für dich entschieden, Avina. Bitte vergib mir. Wenn du mich verachtest, bleibt mir nichts mehr, denn ich werde keinen Rückzieher mehr machen."
Jetzt stand Avina auf. Sie war wütend, traurig, verzweifelt, alles auf einmal. Diese Worte, sie bereiteten ihr Kopfschmerzen. Wie konnte er sie so belügen?
Alles was sich in der ganzen Zeit in ihr aufgestaut hatte, brach mit einem mal aus ihr heraus.
"Verschwinde einfach und lass mich in Ruhe!"
Weinend rannte sie davon. Sie wusste gar nicht wolang, bis Will plötzlich auf ihrer Schulter landete.
"Avina wo warst du?" Er hielt inne als er ihre Tränen sah und seine Erleichterung, sie gefunden zu haben, wich einer Ernsthaftigkeit.
"Wieso weinst du?"

Larwenia 2- Queen Of Raven and DustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt