5.Kapitel. Undurchsichtig

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Avina konnte nicht mehr. Sie weinte bitterlich. Selina war vor ihren Augen beinahe gestorben. Daron, dieser Mistkerl von einem König, hatte sie damit doch wirklich dazu gebracht, einzuwilligen. In dem Moment, als sie gesagt hatte, dass sie es tat, wenn er sie nur retten würde, hatte Nathaniel aufgehört sich zu wehren. Sie wusste nicht mehr, was sie von ihm halten sollte. Er war, als er einfach reinspaziert kam, vollkommen entspannt. Sie dachte zuerst, er hatte sie die ganze Zeit reingelegt. Ihr etwas vorgemacht, als er die Männer ablenken wollte und sie direkt in die Falle gelenkt. Auf die Frage von seinem Vater, warum er nicht eher hier aufgetaucht war, antwortete er bloß, dass er beschäftigt gewesen wäre. Erst als er von Darons Plan erfuhr mit dem er das Land übernehmen wollte, war er vollkommen ausgerastet. Er hatte ihn angeschrien, wie er ihr so etwas antun konnte. Er sollte das Land mit Dämonen erobern und nicht mit einer Heirat. Schon gar nicht mit ihr! Sie wäre zu jung für ihn und er hatte ihre Eltern getötet! Da hatte Daron ihn festhalten lassen und meinte, er sollte sich erst einmal abreagieren. Nun stand er wieder völlig still da und sie hätte nur zu gern in seinen Kopf gesehen. Sein Vater stieg vom Thron und sprach ihn an:
"Na? Hast du dich beruhigt?"
Worauf er noch einmal durchatmete und ihn dann ansah.
"Entschuldige es ist nur..."
Daron ließ ihn nicht ausreden.
"Ja ich weiß von deinen kleinen Flirt, allerdings hätte ich nicht gedacht, dass da so viel dahinter steckt."
"Ich war eben überrascht und hab überreagiert."
"Überreagiert, so nennst du das also.", meinte sein Vater nachdenklich.
"Du bist vor meinen Männern weggelaufen und hast mich jetzt auch noch angeschrien. Ganz abgesehen davon, dass du auch noch mehrere meiner Dämonen getötet hast. Du weißt doch, wie schwer sie zu zähmen sind. Darüber reden wir noch."
Nathaniel hörte zu und unterbrach ihn nicht. Erst als er fertig war, meinte er:
"Emotionen verursachen manchmal unüberlegte Handlungen und was die Dämonen angeht, ich kann Babysitter nicht leiden."
Sein Vater lachte bitter.
"Ich weiß nicht, wie oft ich versucht habe, dir einzubleuen, dass Gefühle dich nicht weiter bringen."
Er seufzte.
"Die Wachen begleiten dich auf dein Zimmer und ich rate dir noch dort zu sein, wenn ich dich nachher suche."
"Was sollte ich für einen Grund haben, zu gehen?", antwortete Nathaniel und ging. Die zwei Wachen folgten ihn und Avina hatte das Ganze mit einer gewissen Neugier und Skepsis beobachtet. Jedes Wort und jede Bewegung, während dieser Unterhaltung, schien ihr wie in einem Theaterstück. Als wäre jeden der beiden Spieler bewußt, dass es nur ihr Text war und es würde sich so viel mehr dahinter verbergen. Leider konnte sie nicht durchschauen was, doch die Spannung zwischen Nathaniel und seinen Vater war deutlich spürbar. War er vielleicht doch auf ihrer Seite? Sie wusste es nicht, doch sie konnte auch nicht weiter darüber nachdenken, denn ein Bote stürmte in den Thronsaal:
"Eure Hoheit wir haben ihn. Er war auf dem Rückweg und wurde abgefangen."
"Sehr gut", nickte der König zufrieden "Bringt ihn in den Kerker!"
"Sir der äm...", setzte der Bote an und fing sich einen vernichtenden Blick vom König, worauf er schnell weiter sprach.
"Der Kerker ist sozusagen überfüllt. All die Bedinsteten und Wachen und so weiter."
"Dann steckt ihn eben mit zu der Gestaltwandlerin!", brüllte der König.
"Aber,... wenn er durch sie verletzt ..."
Weiter kam er nicht, denn nun stand der König auf.
"Dann habe ich ein Problem weniger zu beseitigen!" Der verängstigte Bote eilte hinaus.
Avina hatte keine Ahnung von wem die Rede war, doch sie war sich sicher, dass Selina niemanden töten würde, der auf ihrer Seite war. Avina wurde wieder in ihr Zimmer gebracht, nachdem der König mit einer Handbewegung alle aus dem Saal gescheucht hatte.

Wenige Augenblicke später öffnete sich die Tür zu Selinas Zelle und sie schrak aus ihrem Schlaf hoch. Sie dachte schon, sie würde bald wieder eine Klinge im Körper haben und wunderte sich, dass die Wachen jemanden in ihre Zelle führten. Nach dem Körperbau zu urteilen, war es ein Mann und er hatte einen Sack über dem Kopf. Sie fragte sich wer es sein könnte, bis ihr sein Geruch entgegen wehte und sie überrascht die Luft einsog. Die Wachen zogen ihm den Sack vom Kopf und schubsten ihn in eine Ecke der Zelle. Dann verschwanden sie ohne ein weiteres Wort durch die Tür.
"William", stieß sie überrascht aus.
Er starrte gerade noch finster auf die Tür, als er ihre Stimme hörte und sich zu ihr wandte.
"Was tust du denn hier?" fragte er.
"Lange Geschichte", meinte sie niedergeschlagen, "aber jetzt werde ich als Druckmittel verwendet damit Avina nach seiner Pfeife tanzt."
"Er hat Avina?" Er wurde blass.
"Avina soll ihn heiraten, damit er das Land übernehmen kann und ich bin ihre beste Freundin und damit ein gutes Druckmittel", gestand sie unter Tränen.
Er sah verstört zur Tür.
"Ich hatte sie gesucht. Ich wollte sie in Sicherheit bringen, bevor er sie in seine Finger bekommt", murmelte er und sah zu Boden. "Unsere Eltern hatten uns ausgeschickt, um sie zu suchen. Ich dachte das sei schnell erledigt, da sie zur Akademie wollte, doch dort war sie nicht, also bin ich weitergezogen, hatte im ganzen Land gesucht. Hätte ich gewusst, dass sie mit dir unterwegs ist..." Er stieß ein raues, freudloses Lachen aus. Sie legte ihm vorsichtig eine Hand auf die Schulter. Avina war also seine Schwester. Jetzt überraschte sie nichts mehr. Sie schallte sich innerlich, dass sie es nicht früher bemerkt hatte. Diese Bewegungen, die Haarfarbe, die Form ihrer Augen. Sie war also mit dem Prinzen von Larwenia in einer Zelle. Beide nur Druckmittel, um Avina zu irgendetwas zu bringen.
Als ihre Tränen versiegten, stand sie auf. Doch anscheinend wurde er dadurch auf das Loch in ihrer Kleidung aufmerksam.
"Woher hast du das?" fragte er angespannt.
"Das ist nichts weiter. Ich bin mit dem Hemd hängen geblieben und habe mir die Haut aufgerissen."
Sie wand sich von ihm ab, hatte aber vergessen, dass ihr Hemd zwei Löcher hatte und beide Löcher dummerweise mit Blut verschmiert waren. Er sog scharf die Luft ein und sagte mit ernster Stimme:
"Das war kein 'Hängenbleiben'. Selina was ist passiert?"
Sie wandte ihren Blick zu Boden. Sie wollte ihm nicht unbedingt alles erzählen, doch sein Ton duldete keine Geheimnisse.
"Ich wurde von fünf Männern in Surma-Gardo gefangen genommen und hergebracht. Im Thronsaal wollte der König, dass Avina ihm wegen der Hochzeit zustimmte, doch sie tat es nicht. Also hatte er seiner Wache befohlen, mich zu erstechen. Die Wache stieß ein Schwert in meinen Bauch, drehte es und zog die Klinge erst wieder heraus, als Avina den König anschrie und ihm sagte, dass sie der Hochzeit zustimmte, wenn er mich in Ruhe lassen würde. Dann hatte er einen Mann losgeschickt, der mich mit einer roten Flüssigkeit geheilt hatte."
Sie sah zu ihm auf. Sein Blick war in die Ferne gerichtet und seine Lippen hatten sich vor Wut, zu einem schmalen Strich verzogen. Selina unterdrückte den Drang, darüber zu streichen, damit er sie wieder entspannte. Irgendwie fühlte sie sich zu ihm hingezogen. Warumm auch immer.
Sie riss sich zusammen. Er war der Prinz und falls sie hier lebend herauskommen sollten, würde er sich anderen Frauen zuwenden müssen. Er bemerkte ihr Starren und sah ihr direkt in die Augen. Sie wand ihr Gesicht ab, doch er legte seine Hand an ihr Kinn und zwang sie sanft dazu ihn anzusehen.
"Wir werden einen Weg hier raus finden. Lebend. Ich verspreche es dir. Wir nehmen Avina mit und flüchten."
Sein Versprechen bedeutete ihr viel und doch war sie sich nicht sicher, ob er es halten konnte. Sie sah ihm in die Augen, doch dieses Mal wandte keiner den Blick ab. Schließlich lächelte er sie an und setzte sich auf die Bettniesche.
"Erzähl mir ein wenig über dich", forderte er sie auf.
"Und wieso erzählst du mir nicht, warum du hier bist?" konterte sie.
"Ich bin mir nicht sicher, ob dir das gefallen wird."
"Hat dir mein Grund denn gefallen?"
"Gutes Argument."

Larwenia 2- Queen Of Raven and DustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt