13.Kapitel. Rabe

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William krümmte sich auf dem Boden der Höhle und Avina wurde panisch.
"Was ist passiert? Was hat er!?", wollte sie wissen und Selina erklärte nicht weniger beunruhigt.
"Einer dieser Blitze, die auf uns abgefeuert wurden, hat ihn getroffen."
Der Maskierte schob die beiden Mädchen zur Seite und verschaffte sich Platz. Er hielt seine Hände über Wills Körper, wie es Nathaniel damals bei Selina getan hatte, um sie zu scannen.
"Verdammt.", fluchte er. Das hatte Avina nicht hören wollen.
"Was hat er? Hilf ihm doch!"
"Ich kann nichts machen. Der Zauber ist zu kompliziert."
"Aber was macht er mit ihm!?", wollte Avina wissen, doch er kam nicht dazu, ihr die Frage zu beantworten. Mit einem gewaltigen Lichtblitz füllte sich der Höhleneingang mit Rauch. Die drei wedelten wild mit den Armen, um ihn los zu werden und als er sich endlich lichtete, war William verschwunden. Avinas Herz schien für einen Moment auszusetzen. Nur seine Kleidung lag noch am Boden, doch dann bewegte sich etwas. Mit einem leisen Krächzen kroch ein Rabe darunter hervor.
"Will?", fragte Avina verunsichert und der Rabe krächzte bestätigend.

"Scheiße!", sprach Selina das aus, was alle dachten.
Immerhin konnte er sie noch verstehen und wusste, wer er war.
"Und was jetzt?",wollte sie noch wissen. Will krächzte und schlug aufgeregt mit den Flügeln. Selina sah ihn nicht an.
"Ich habe keine Ahnung. Den Zauber kann ich nicht aufheben."
"Kannst du ihn nicht irgendwie heilen?", fragte Avina hoffnungsvoll.
"Ich kann nicht heilen. Ich bin ein Kampfmagier, war ich immer."
Selina kamen diese Worte seltsam bekannt vor, doch sie sagte nichts. Sie wollte sich nicht blamieren. Selina ging nach draußen, um sich ein wenig abzureagieren. Sie wollte nicht, dass Avina wusste, wie viel ihr ihr älterer Bruder inzwischen bedeutete und dass sie dessen Anblick in diesem Zustand nicht ertrug. Avina könnte es als Verrat verstehen und ihre Freundschaft wäre endgültig im Eimer und das wollte sie nicht riskieren.
Sie zog ihre Kleidung aus und legte sie hinter einen Baum, dann verwandelte sie sich und lief ein wenig durch die Gegend. Sie wollte sicher sein, dass in der Nähe keine Jäger oder Soldaten des Königs waren. Sie ließ sich schließlich unter einer hohen Kiefer nieder, legte den Kopf auf ihre Pfoten, schloss die Augen und hing ihren Gedanken nach. Sie versuchte, das alles irgendwie zu verarbeiten.

Nach einer Weile hörte sie ein leises Krächzen an ihrer Seite. Sie öffnete ihre Augen und hob den Kopf, um den Raben besser sehen zu können, der da auf ihren Hinterbeinen herumspazierte und sie erwartungsvoll anstarrte.
"Du willst, dass ich zurück gehe?",fragte sie und er krächzte zustimmend.
"Ist der Maskierte schon gegangen?"
Er krächzte mehrmals hintereinander und sie wusste nichts damit anzufangen, aber plötzlich kam ihr eine Idee. Sie versuchte eine Verbindung zwischen ihnen herzustellen, wie es Selina bei Avina versucht hatte, als sie entführt wurde und sie ihr sagen wollte, wo sie war.
Die Verbindung gelang und sie sprach in seinem Kopf.
"Will?", fragte sie um die Verbindung zu testen. Er zuckte erschrocken zusammen.
"Ja?", antwortete er zu ihrem Glück.
"Was wolltest du mir eben sagen?"
"Dass der Maskierte gegangen ist, kurz nachdem ich gegangen bin, um dich zu suchen. Scheinbar war es ihm unbehaglich, allein mit meiner Schwester zu sein."
"Und woher weißt du das?"
"Ich habe erstmal in einem kleinen Umkreis um die Höhle herum nach dir gesucht und gesehen, wie er weggeritten ist."
Selina wusste nicht, was sie daraufhin sagen konnte, also brach sie die Verbindung ab und lief zurück zu Höhle, wo Avina auf sie wartete.

Sie beschlossen sich aufzuteilen. Avina suchte nach Feuerholz während Selina jagte. Sie waren am Rand des Gebirges. Es wäre wohl das Beste, Vorräte zu besorgen und sich tiefer darin zu verstecken, aber nicht mehr heute Nacht. Während Avina einige Stöcke aufhob, dachte sie darüber nach, wo sie Proviant bekommen konnten. Der Ort am weitesten in den Bergen war Hagenfels, Selinas Heimatdorf. Aber vielleicht war es für ihre Freundin zu schmerzhaft, dorthin zurückzukehren. Vielleicht war es besser, die Vorräte selbst zu jagen. Sie beschloss sich mit Selina zu beratschlagen, sobald sie wieder in der Höhle war.
Als sie sich gerade auf den Weg machte, tauchte William über ihr auf. Er schien zwischen ihr und Selina hin und her zu fliegen, um beide im Auge zu behalten.
Avina fand, dass er das schon ganz gut hin bekam. Sie hatte vorhin seine ersten lächerlichen Flugversuche in der Höhle miterlebt und sich Mühe gegeben, nicht zu lachen. Im Gegensatz zu einen echten Vogel hatte er keinen Instinkt, der ihm beim fliegen half, er musste erstmal herausfinden wie es ging, was ihn nach einigen Stürzen auch gelungen war. Avina hätte gerne mit ihm gesprochen. Es musste furchtbar für ihn sein. Dieser König würde es noch bereuen, ihrem Bruder das angetan zu haben und auch, dass er ihre Eltern getötet hatte.
Avina hatte noch nie einen Menschen so gehasst wie ihn. Doch zuerst mussten sie William zurück verwandeln und dann auch noch eine Schwachstelle finden, die sie gegen Daron verwenden konnten. Sie seufzte, als sie darüber nachdachte, wie sie das bewerkstelligen sollten. Schon nach kurzer Zeit konnte sie keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ihr schwirrte einfach zu viel im Kopf herrum. Darum lief Avina zurück zur Höhle. Zumindest ein Feuer sollte sie noch zustande bringen. Selina war schon dort und zerlegte ein Tier, das Avina nicht mehr identifizieren konnte da ihm Kopf und Beine fehlten. Sie wollte es auch lieber gar nicht wissen. Wenn sie daran dachte, eine Sumpfschlange gegessen zu haben, wurde ihr schlecht. Schnell baute sie aus dem Holz einen kleinen Haufen und entzündete das Feuer. Nur zwei lange Stöcke lies sie übrig und spitzte sie vorne an. Die beiden Mädchen steckten das Fleisch darauf und hielten es über das Feuer. Avina starrte nachdenklich in die Flammen und hätte gar nicht gemerkt, dass ihr Fleisch fertig war, wenn Selina sie nicht darauf hingewiesen hätte. Sie lies es einen Moment abkühlen und warf Will, während dem Essen immer wieder kleine Bröckchen zu. Selina schmunzelte, als er es auf einen kleinen Stein vor sich legte, bevor er es aß. Es wirkten fast wie ein Teller und Avina meinte: "Selbst als Rabe hat er noch mehr Manieren als ich."
Selina musste lachen. Die Spannungen zwischen ihnen ließen nach. Dass Avina eine Prinzessin war schien nach alldem so nebensächlich.
Als sie aufgegessen hatten, wurde Selina zum Wolf. Mit Fell war es in einer Höhle doch um einiges bequemer. Will setzte sich auf ihren großen Kopf und Avina legte sich vor die beiden. Für jemanden der nicht wusste, dass die Tiere bei ihr eigentlich Menschen waren, wäre es sicher ein seltsamer Anblick, doch Avina schlief, das erste Mal seit Tagen, ruhig ein. Sie war so froh, endlich weg von diesen Mann zu sein und Will und Selina taten es ihr gleich.

Larwenia 2- Queen Of Raven and DustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt