10. Eleanor

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So etwas wie tiefgründige Gespräche hatten Harry und ich auf dem Heimweg nicht geführt. Aber wir hatten uns echt super verstanden.

Ich war immer nur mit Mädchen befreundet gewesen, deshalb war das hier für mich etwas ganz Neues. Ich hatte mit Maya öfter mal darüber gesprochen, wie praktisch es doch wäre einen „schwulen, besten Freund“ zu haben. Aber davon gab es leider nicht so viele.

Und auch wenn Harry und der Rest nicht schwul waren, waren sie trotzdem tolle Freunde.

Wir trafen uns öfters abends, wenn ich mit der Arbeit fertig war. Manchmal holten sie mich sogar ab. In der Firma meines Onkels fielen sie neben den anderen Berühmtheiten nicht weiter auf. Außer vielleicht wenn sie wieder Mist in der Eingangshalle bauten.

Aber Janice, die nette Rezeptionistin, kannte sie mittlerweile.

Uncle George nahm es Harry und mir mittlerweile auch nicht mehr übel, dass wir ihn verarscht hatten. Jetzt durfte ich mich sogar ohne Aufsicht mit ihm in mein Zimmer oder sonst wo hin setzen.

In der Firma lief auch alles super. Bob weihte mich in die Geheimnisse des Mischpults ein und Michael taute auch so langsam auf. Er schien es zwar immer noch für unter seiner Würde zu halten, sich um eine stinknormale Praktikantin wie mich kümmern zu müssen, aber ich schätze mein nettes Wesen machte ihn freundlicher. ;)

Es war ein Erfolgserlebnis, als Bob mich das erste Mal selber ranließ, auch wenn es sich nur um einen kurzen Schnipsel eines alten Songs handelte.

Maya und ich telefonierten fast jeden Abend. Aber das wurde tendenzmäßig weniger, weil sie jetzt einen Freund hatte und ich viel mit den Jungs unternahm.

Ich war jetzt schon fast einen Monat in England und hatte mich echt gut eingelebt. Ich hatte neue Freunde gefunden, neben den Jungs noch ein Mädchen namens Vicky, wir verbrachten meistens die Mittagspause miteinander.

Sie war schon etwas älter, hatte einen Modetick, sprach gern über sich selbst, aber wir kamen super mit einander klar.

Am Freitag würde mein letzter Tag bei Bob sein. Das war schade, denn die Arbeit am Mischpult, mit Bob und den ganzen Stars hatte mir echt viel Spaß gemacht. Ich freute mich schon auf Mayas Gesicht, wenn ich ihr das Olly-Murs-Autogramm geben konnte, um das ich für sie gebeten hatte. Sie vergötterte Olly Murs.

Aber auch mit Bob hatte ich mich in diesen vier Wochen mehr oder weniger angefreundet. Er hatte schon ein paar Bemerkungen gemacht, wie einsam er denn jetzt wieder hier sein würde.

Ich war auch sehr traurig ihn verlassen zu müssen, aber mein nächster Bereich würde Marketing und alles drum herum sein und darauf war ich schon sehr gespannt. Außerdem kannte ich da schon jemanden: Vicky.

Meine Stimmung war gedrückt, als ich mich heute von Bob verabschiedete. Michael hielt mich mittlerweile für fähig, selber nach Hause zu finden, deshalb holte er mich nicht mehr ab.

Ich wartete gerade auf die U-Bahn, als mein Handy klingelte. Da ich auf einen Anruf von Vicky wartete, nahm ich das Gespräch an, ohne auf das Display zu sehen. „Vicky?“, sagte ich. „Können wir das später besprechen, ich bin…“

Aber es war nicht Vicky, die mich angerufen hatte.

Es war meine Mutter. Und die ließ sich leider nicht abwürgen. „Melissa, meine Kleine, störe ich?“, begrüßte sie mich auf Englisch.

„Also eigentlich…“, begann ich, aber sie sprach einfach weiter. „Sehr gut. Hör zu, Mäuschen, dein Vater und ich haben uns gedacht, dich einmal besuchen zu kommen, was hältst du davon?“

Ich schwieg überrascht. „Also, ich bin halt immer den ganzen Tag in der Firma und abends unternehm ich oft noch was mit Freunden, also…“, antwortete ich schließlich. Das heißt: ich versuchte zu antworten, aber meine Mutter ließ mich nicht ausreden.

Mel's getting importantWo Geschichten leben. Entdecke jetzt