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Montag, 29.06.

Als Lou an diesem Montag das Klassenzimmer betrat, trafen sie wie gewohnt sämtliche abwertende Blicke, doch diesmal konnte die junge Schülerin etwas in den tristen Augen lesen, wovor sie zuvor noch verschont geblieben war. Wut. Verwundert über die plötzliche Stille, die einkehrt war, senkte sie ihren Blick und suchte mit diesem, wie so oft, den Boden auf.

"Was fällt dir ein? Hast uns beim Lehrer verpetzt. Wie erbärmlich du doch bist. Jämmerlich. Wegen sowas wie dir müssen wir jetzt auch noch nachsitzen," fauchte Fatha sie an.

Lou stockte der Atem. Was hatte Fatha da gerade behauptet? Aber zu ihr hatte ihr Lehrer doch gesagt, er könne ihr nicht helfen.
Scheinbar hatte er seine Meinung geändert. Zumindest schien er ihre Klassenkameraden darauf angesprochen zu haben.

Lou war bewusst, dass sie nun büßen musste. Sie bereute immer mehr, ihrem Lehrer von den Schikanen ihrer Mitschüler erzählt zu haben.
Tatsächlich wurde sie den ganzen Tag über beschimpft und mit tödlichen Blicken durchbohrt. Wieder einmal versuchte sie sich ganz klein zu machen und an ihrem Platz möglichst nicht aufzufallen.

Doch all das half nichts, die Beleidigungen ihrer Klassenkameraden trafen sie trotzdem mit einer immer stärker werdenden Wucht. Lou wollte einfach nur noch weg. Weg aus diesem Klassenzimmer, weg aus dieser Schule - ja - vielleicht sogar weg aus dieser Stadt.
Wenn wenigstens Damian jetzt da gewesen wäre. Der einzige Mensch, der sie zu mögen schien. Aber er ging in eine andere Klasse, einen Jahrgang über ihr und konnte ihr somit auch nicht helfen.

Sie war alleine.
Zwar war diese Erkenntnis keine bahnbrechende Neuigkeit für sie, doch noch nie hatte es ihr so einen Stich ins Herz versetzt wie heute. Niemand wollte sie. Nicht mal sie selbst mochte sich. Früher war sie eigentlich ganz zufrieden mit sich gewesen, zwar nicht immer glücklich, aber immerhin hatte sie das Gefühl gehabt ihr Leben hätte Sinn.

Diesen Sinn sah sie schon eine ganze Weile nicht mehr und mit jedem ihrer abfälligen Kommentare und gehässigen Anmerkungen, stützten ihre Klassenkameraden diese Ansicht.

Lou war - falls überhaupt möglich - noch eine Spur leiser geworden, noch eine Spur grauer. Das Mädchen verblasste immer mehr in den dunklen Farbnuancen, die ihre Seele annahm.

SchwarzMalerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt