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Montag, 22.06.

Lou traf fast der Schlag, als sie Montag ins Klassenzimmer kam.
An der Tafel hing ein Foto.
Eine Großaufnahme von ihr.
Von wann das Foto stammte, wusste sie nicht. Aber es musste im Klassenzimmer entstanden sein.

Das Foto musste mit Computer bearbeitet worden sein, mit Photoshop oder ähnlichem. Sie kannte sich damit nicht wirklich aus.
Man hatte ihr eine Schlinge um den Hals gelegt und darunter die Worte "stirb endlich Opfer" geschrieben.

Sie konnte es nicht verhindern. Die Tränen fanden ihren Weg. Der Schock saß tief. Man hatte sie genau an der richtigen Stelle getroffen.
Sie rannte aus dem Zimmer.
In der Toilette schloss sie sich in eine der Kabinen ein, setzte sich auf den Toilettendeckel und ließ ihren Tränen freien Lauf.

Sie wusste nicht wie lange sie so dagesessen hatte.
Irgendwann hatte sie aufgehört zu weinen und sich die Tränen mit ihrem Ärmel weggewischt.
Sie war aufgestanden und langsamen Schrittes zum Waschbecken gegangen.
Mit ihren Händen hatte sie das kalte Wasser, dass aus dem Hahn kam geschöpft und sich das Gesicht abgewaschen.
Dann war sie langsam zum Klassenzimmer zurück gegangen.

Unterwegs auf Flur hatte sie sich seelisch darauf gewappnet, was auf sie zukommen könnte, sobald sie das Zimmer betrat.
Wahrscheinlich hatten sie nicht einmal die Lehrer vermisst.

Sie atmete tief durch und klopfte vorsichtig an die Tür.
Die Stimme ihres Lehrers bat sie herein.
Lou öffnete die Tür. Alle starrten sie an. Ihre Mitschüler hämisch wie nie, ihr Lehrer verwundert.

"Louisiana, wo warst du?"
Lou hatte sich auf dem Weg vom der Damenklo zum Klassenzimmer bereits eine Antwort auf diese Frage überlegt. Die Wahrheit konnte sie nicht sagen, sie schämte sich zu sehr.
Sicher hatten ihre Klassenkameraden das Foto auch schon abgehängt, bevor der Lehrer das Zimmer betreten hatten.

So erklärte sie, dass ihr schlecht geworden war und sie dringend an die frische Luft gemusst hatte. Sie entschuldigte sich, dass sie nicht Bescheid gegeben hatte und versicherte, dass dies nie wieder vorkommen würde.

Ihr Lehrer trug etwas ins Kassenbuch ein und wies sie dann an sich hinzusetzen.
Lou schlich sichtlich in sich eingeschrumpft vom Türrahmen zu ihrem Platz ganz hinten im Raum.
Sie spürte, wie sich die Blicke ihrer Mitschüler in ihren Rücken bohrten.

Heute war Lou selbst zu einer Skulptur geworden. Sie saß einfach nur still und unbewegt an ihrem Platz.

SchwarzMalerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt