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So kam es also, dass ich nur wenige Stunden später meine Eltern verabschiedete und mich mit Ella zurückzog. Meine Brüder waren der Meinung an ihrem Aussehen nichts weiter ändern zu müssen, da sie so schon gut genug aussehen würden. Na wenn sie meinten. Das positive an einer WG mit der besten Freundin, wenn diese auch noch die gleich Kleidungs- sowie Schuhgröße besaß, war eindeutig das Klamottentauschen. Denn wie es jeder wahrscheinlich kannte, stand man des öfteren vor dem eigenen Kleiderschrank und hatte einfach nichts zum Anziehen. In den meisten Fällen war die Auswahl einfach zu riesig, um sich für etwas bestimmtes zu entscheiden. In meinem Fall jedoch, gab es nicht mal eine Auswahl. Da ich nie wirklich feiern ging und auch sonst keines dieser dauer aufgetakelten Weibsstücke war, stand ich nun vor einem scheinbar unlösbaren Problem.

"Ella, was soll ich nur anziehen? Jeans wären okay, oder?", fragte ich ratlos und schaute auf die eher unauffälligen und legeren Kleidungsstücke vor mir. "Willst du mich verarschen, Sky? Komm her und such dir von mir was aus!", sie klang etwas schockiert, was mich anstandslos gehorchen ließ. Wenn jemand Ahnung von solchen Dingen hatte, dann sie. "El, ich habe absolut keinen Plan, was ich wie tun muss. Ich vertraue dir jetzt, also übertreibs bitte nicht. Aber kannst du mich heute herrichten?" Sofort leuchteten ihre Augen auf und ich fragte mich, ob ich gerade einen großen Fehler machte. Da ich jedoch keine Lust auf mein sonstiges Normalo-Outfit hatte, seufzte ich nur kurz und überließ mich den Fängen der Modebarbie vor mir.

~*~

"Skylar Green, wenn du nicht sofort deinen heißen Arsch aus dem Zimmer bewegst, dann zerre ich dich eigenhändig da raus!", brüllte Ella. Doch ich starrte immer noch sprachlos in den Spiegel und versuchte rauszufinden, wer die junge Frau war, die mir da entgegen schaute. Was ein bisschen MakeUp und andere Klamotten aus einem Menschen machen konnte... Ich schüttelte den Kopf. "El, so werde ich ganz sicher nicht vor meine Brüder treten, geschweige denn in einen Club gehen! Das Kleid ist zu kurz und die Schuhe zu hoch. Ich sehe aus wie eine...eine Schlampe!"

Augenblicklich wurde die Tür zu meinem Zimmer aufgerissen und sofort wieder laut zugeschlagen. "Das hast du gerade nicht wirklich gesagt, oder?" Eine aufgebrachte Ella stand vor mir und stemmte ihre Hände in die Hüfte. "Du siehst verdammt heiß aus, aber keinesfalls wie eine Schlampe. Also zieh endlich den Stock aus deinem Hintern und schwing in nach draußen!" Noch bevor ich darauf etwas erwidern konnte, packte sie mich an der Hand und zerrte mich wenig liebevoll aus meinen sicheren vier Wänden. "El, hör auf, du kann doch nicht..." "Wow!", wurde ich unterbrochen und hörte schlagartig auf mich zu wehren. Langsam lösten sich ihre Finger von mir und ich drehte mich zu meinen Brüdern um. "Wow, Sky! Du siehst...verdammt gut aus!", kam es von Neil. Sofort wurde mir heiß und mit sicherheit färbten sich gerade meine Wangen rot. "Das wird ein harter Abend für uns.", murmelte Henni, nahm meine Hand und drehte mich einmal im Kreis, "Ein verdammt harter Abend. Neil, wir lassen sie keinen Moment aus den Augen, jeder Kerl, der sie auch nur schief anguckt, fängt sich eine!" Ein nervöses Kichern drang aus meiner Kehle. Und auch wenn ich von meinem Outfit noch nicht sonderlich überzeugt war, vertraute ich einfach auf meine Brüder und Ella, dass sie mich nicht in einem Aufzug rumlaufen lassen würden, der einen falschen Eindruck vermitteln könnte.

Nachdem mir die drei noch einige Male versichert hatten, dass ich so wirklich raus konnte und wirklich gut aussah, ich es jedoch immer noch nicht so recht glauben wollte, griff Ella nach härteren Maßnahmen. "So", meinte sie und stellte ein Glas, sowie eine Flasche Vodka auf den Wohzimmertisch, "du trinkst jetzt einen Shot und dann frage ich dich erneut, wie du dich findest. Für jede falsche Antwort trinkst du noch einen. Verstanden?" Hilfesuchend sah ich zu meinen Brüdern. Neil zuckte nur mit den Schultern und Hendrick deutete mit einem Nicken an, dass ich beginnen sollte. Diese Verräter!

"Also? Wie siehst du aus und können wir los?", fragte Ella belustigt, vor mir stand schon der vierte Shot bereit. "Man, ich will nicht mehr, noch einen und ich kotze!", quengelte ich. Nicht nur, dass ich kaum Alkohol gewohnt war, das Zeug schmeckte mir pur noch nicht mal. "Das ist nicht das, was ich hören will, meine Liebe! Und wenn du kotzt, dann bitte nicht auf mich oder den Boden!" Ich hörte deutlich raus, wie viel Spaß ihr die ganze Situation bereitete. Ich blickte kurz an mir herab und murmelte schließlich: "Ja, ist ja gut! Du hast verdammt gute Arbeit geleistet und ich sehe wirklich gut aus. Zwar nicht ansatzweise so heiß, wie du. Aber wirklich gut! Zufrieden?" "Na geht doch!", klatschte sie aufgeregt in die Hände, schnappte sich dann das schon befüllte Glas und kippte es hinter. "Wollen wir dann los?", fragte sie, nachdem sie geschluckt und sich den Mund abgewischt hatte. Alle sammelten die benötigten Sachen ein und schon machten wir uns auf den Weg. Zum Glück gab es einen Club gleich in der Nähe, so sparte man sich zumindest stundenlanges Laufen oder ein Taxi.

Da der Alkohol bei mir langsam zu wirken schien, hakte ich mich kurzerhand einfach bei Neil unter, der mir ein aufmunterden Lächeln schenkte. Am Rande bekam ich noch mit, wie Ella das selbe bei Hendrick tat und schon liefen wir zum Club, wo wir einige Freunde treffen würden. Na hoffentlich wird das ein guter Abend, dachte ich noch, als wir um die letzte Ecke bogen.

~*~

Mit hämmernden Kopfschmerzen und dem Gefühl, als befände sich ein toter Hamster in meinem Mund erwachte ich am nächsten Morgen. "Heilige Scheiße!", kam es gestöhnt von meiner rechten Seite. Erschrocken setzte ich mich ruckartig auf und bereute es im gleichen Moment, als mein Kopf schier zu explodieren schien. "Aaaaah, fuck!" Sofort presste ich beide Hände an meine Schläfen und versuchte den Schmerz wegzumassieren, aber es half nichts. "Nudel, hör auf so einen Lärm zu machen und leg dich wieder hin!" Ein Stein fiel mir von Herzen, als ich die durch ein Kissen gedämpfte Stimme erkannte. "Neil, was machst du in meinem Bett?"

Er stöhnte erneut qualvoll auf und hiefte sich auf den Rücken. "Hat mein geliebtes Schwesterchen etwa einen Filmriss?", schmenzelte er mit geschlossenen Augen. "Nicht witzig. Wer hat denn bitte einfach nur zugesehen, als ich abgefüllt wurde?", murmelte ich und starrte auf die Decke vor mir. Kurze Zeit blieb es still, bis Neil plötzlich meinte: "Vorm Club haben wir ein paar Freunde von euch getroffen und jeder wollte mit dir anstoßen. Da du aber jedes Mal einen neuen Shot bekommen hast, warst du dann ziemlich dicht und hast angefangen zu tanzen. Henni und ich waren auch gut dabei, doch irgendwann wolltest du gehen. Die anderen noch nicht, also habe ich dich nach Hause gebracht. Hier hast du angefangen lautstark zu singen und bist über fast jedes Möbelstück geflogen", bei diesen Worten setzte plötzlich ein Schmerz in meinem gesamten Körper ein, na klasse, "das fand deine Untermieterin jedenfalls nicht sehr witzig und kam sich beschweren." "Was, die alte Morrison war hier oben? Scheiße, das gibt Ärger!", stöhnte ich und vergrub mein Gesicht in den Händen. "Ich denke nicht, ich hab sie recht gut besänftigen können. Hast halt den besten Bruder der Welt! Jedenfalls bist du während ich mit ihr gesprochen habe auf dem Boden eingeschlafen und ich habe dich ins Bett getragen. Muss wohl ebenfalls eingeschlafen sein. Sag mal, hast du irgendwo Kopfschmerztabletten? Ich glaube mein Schädel platzt gleich."

Auf seine Frage hin stemmte ich mich mühsam aus dem Bett und wankte in die Küche. Nie wieder Alkohol! Gerade als ich meine Tablette mit Wasser runtergespült hatte, kam Neil zu mir, schnappte sich die für ihn bereitgelegte und spülte sie ebenfalls runter. "Weißt du, was mit El war?", fragte ich, da mir einfiel, dass er nur mich nach Hause gebracht hatte. "Guck doch selber, ich mach solange Frühstück.", grummelte er und lief rüber zu unserem Kühlschrank.

"El, bist du... oh!", entfuhr es mir, als ich ihre Zimmertür schwungvoll öffnete. Ich starrte einige Sekunden auf das Bild, das sich mir bot, bevor ich begriff was ich dort sah. "Sorry!", murmelte ich nur und schloss sie schnell wieder hinter mir. Ella hatte männlichen Besuch, denn dort lag eindeutig ein männlicher Arm um sie geschlungen. Naja, wenigstens einer hatte seinen Spaß und ich hoffte für sie, dass sie keinen Filmriss davontrug.

"Neil?", rief ich aus meinem Zimmer, während ich mich umzog und anschließend abschminkte, "Ich gehe schnell zum Briefkasten und Brötchen holen. Weckst du dann Ella und ihre nächtliche Begleitung und rufst Henni an. Ich will ihn noch sehen, bevor er wieder abfliegt!" Ein Grummeln erklang aus der Küche, welches ich als Zustimmung deutete, schnappte mir meinen Schlüssel, zog Schuhe an und lief -die Schmerzen in Kopf und Körper so gut es ging ignorierend- aus dem Haus. Scheiße, war ich fertig...eindeutig: Nie wieder Alkohol!

Kiss me, Drummer-BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt