Hunter hing, den Kopf nach hinten gelehnt und mit geschlossenen Augen auf der Couch. Seine Antwort bestand lediglich aus einem in die Höhe gereckten Mittelfinger und dem demonstrativen Ablegen der Füße auf dem flachen Tisch vor ihm.
„Irgendwann wird dir jemand dein dreckiges Grinsen schon aus dem Gesicht wischen.", motzte Parker. Hätte nur noch gefehlt, dass er theatralisch die Hände in die Luft schmiss und einen beeindruckenden Abgang hinlegte. Doch stattdessen drehte er sich nur um und blieb mit dem Blick bei mir hängen. Eine Augenbraue langsam in die Höhe ziehend musterte er mich einmal komplett. Ich hielt unwillkürlich die Luft an. Vielleicht hätte ich seine Sachen doch nicht zerstören und sie einfach so anziehen sollen, wie er sie mir gegeben hatte. Vielleicht würde ich gleich zum ersten Mal in meinem Leben aus einem Haus geworfen und aufs bitterste verflucht werden. War das eventuell eine seiner Lieblingsjeans gewesen? Oh Gott, so wie er gerade besagte Hose oder eher deren Reste ansah, hatte ich echt Scheiße gebaut.
Noch standen Adam und Ethan mit dem Rücken zu mir, hatten mich also noch nicht gesehen und ich könnte vielleicht einfach schnell verschwinden. Ha, und dann? Ich war heute ja wieder ganz besonders schlau.
In dem Moment drehte sich Adam zu mir, scheinbar dem Blick von Parker folgend und sofort schnellten seine Mundwinkel in die Höhe, als er sich die nächsten Worte nicht verkneifen konnte: „Geile Socken!"
Ich konnte nicht anders und vielleicht war es zum Teil auch der Anspannung geschuldet, als ich in einer Mischung aus Quieken und Grunzen kurz auflachen musste. Sehr weiblich! Sofort hatte ich auch Ethans Aufmerksamkeit und selbst Hunters Augen öffneten sich abrupt.
„Das hat sie nicht wirklich gemacht...", vernahm ich Ethans Murmeln und sofort sah ich wieder unsicher zu Parker. „Das hat sich bis jetzt noch niemand getraut...", setzte Adam noch nach und so langsam kam ich echt ins Schwitzen. Konnte jetzt einfach irgendjemand kurz ausrasten oder schimpfen! Ich fühlte mich hier gerade wie eine Kuh, die geschlachtet werden sollte und vorher noch von allen Seiten betrachtet wurde. Mehr in einer unterbewussten Bewegung schlang ich die Arme um meinen Oberkörper, schützte mich vor dem, was als nächstes kommen würde.
Es blieb noch einige Sekunden still, bis plötzlich Parkers schallendes Lachen durch den Raum hallte. Ich zuckte zusammen und konnte nicht anders, als ihn einfach verwirrt anzustarren.
„Süße, du solltest mal deinen Blick sehen!", er wischte sich eine Träne aus dem Auge und kam dann, noch immer lachend auf mich zu. „Mach dir keinen Kopf, ich habe genug Klamotten. Zerschneide so viele du willst, wenn dabei solche Sachen bei rauskommen!" Mit den Worten legte er einen Arm um mich und stützte sich halb auf mir ab. Meine Güte war er schwer! Und da begriff ich es.
„Ihr habt mich verarscht? Du bist nicht sauer?" „Ach Kätzchen, lange Leitung heute? Aber ich erkläre dir gern die Welt!", mischte Hunter sich nun ein, doch ich ignorierte ihn einfach und sah aus den Augenwinkeln, wie er schließlich die Brauen zusammenzog und mich musterte. Und mit musterte meinte ich einmal komplett von oben bis unten scannte. Sofort fühlte ich mich irgendwie nackt und hätte mich am liebsten hinter Parker versteckt. Doch dieser schob mich nun einfach zur Couch und bedeutet, dass ich mich doch setzen sollte. Neben Hunter. Na ganz toll...
~*~
Ich hätte mit allem gerechnet, aber nicht mit dem, was hier gerade abging. Statt wild zu feiern, mit lauter Musik, unzähligen Menschen und Frauen, die sich anzogen wie Barbie-Puppen, saßen die Jungs auf der Couchlandschaft verteilt mit einem Bier in der Hand und quatschten. Statt selber schick angezogen zu sein, trugen sie Jogginghosen und Shirts oder im Falle meines Bruders einfach einen stinknormalen Hoodie.
Entspannt meine Wasserflasche in den Händen drehend beobachtete ich, wie Henni angeregt mit Ethan sprach, ich glaube es ging um Football oder so. Er wirkte so gelöst und als würde er ein ganz normaler junger Mann sein, der einfach mit einem seiner Kumpels quatschte. Ich musste lächeln. Neil hätte hier mit Sicherheit auch seinen Spaß und wenn ich Adam und Parker so sah, wie sie irgendein Autorennen-Spiel auf diesem gigantischen Fernseher zockten, dann war ich mir sicher, dass sie ihn genauso mögen würden. Ich vermisste meinen anderen Bruder, genauso wie Ella. Es war einfach so viel geschehen, dass ich es noch nicht geschafft hatte sie mal zuhause zu besuchen.
„Scheint so, als müssten wir uns miteinander beschäftigen." Raue Worte leise direkt an meinem Ohr gesprochen. Sofort bildete sich eine Gänsehaut auf meinen Armen. Verräter! Dies jedoch so gut es ging ignorierend, drehte ich mich leicht zu Hunter und erschreckte leicht, als er direkt neben mir saß. Was hatte ich auch bitte anderes erwartet, wenn ich ihn gerade noch so nah gehört hatte? Innerlich haute ich mir gegen die Stirn, straffte dann jedoch die Schultern, lehnte mich leicht zurück und meinte kühl: „Mir gefiel es bis gerade eben eigentlich echt gut."
„Ach komm schon, mir ist langweilig. Jeder macht irgendwas, nur wir sitzen hier rum und glotzen Löcher in die Luft." Er klang fast schon wie ein kleines quengelndes Kind, was mich beinahe zum Lachen brachte. Aber nur beinahe.
„Dann schließen Sie sich doch einfach dem Autorennen an oder setzen sich rüber zu den anderen beiden. Denn wie schon gesagt, ich finde es momentan sehr entspannt." „Kätzchen, wäre es nicht langsam mal an der Zeit mit diesem blöden Gesieze aufzuhören?" Kurz überlegte ich, ob ich etwas wegen dieses bescheuerten Kosenamen sagen sollte, wollte ihm diese Genugtuung jedoch nicht geben, zuckte nur mit den Schultern und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf die beiden Jungs vor dem Fernseher. Wie konnte man nur so begeistert davon sein irgendwelche Knöpfe eines Controllers zu drücken und durch imaginäre Landschaften zu fahren? Okay, es war wirklich amüsant, wie die beiden sich von Zeit zu Zeit anmotzen, wenn der eine den anderen mal wieder rammte oder überholte. Aber einen ganzen Abend damit verbringen?
„Nur Kinder spielen mit Konsolen. Soll ich dir mal zeigen, was die Großen stattdessen so tun?" Gab Hunter es denn nie auf? Einfach ignorieren. Irgendwann würde er das Interesse schon verlieren und sich etwas oder jemand anderem zuwenden. Doch ich hatte eindeutig nicht mit seiner Hartnäckigkeit gerechnet. Im nächsten Moment legte er den Arm hinter mir -für meinen Geschmack viel zu nah- auf die Lehne, ließ sich wieder in die Couch sinken und meinte, nun ebenfalls den Blick auf den Bildschirm gerichtet: „Auch wenn ich überrascht war, was du aus dem Outfit gemacht hast und es ist echt... interessant... aber du hättest einfach meine Sachen anbehalten sollen." Zum ersten Mal heute konnte ich keinen Unterton raushören. Es klang eher, als hätte er es mehr zu sich selbst gesagt und nicht zu mir.
Mit zusammengezogenen Brauen rutschte ich ein Stück von ihm weg, versuchte so viel Platz wie möglich zwischen uns zu bekommen und sah ich ihn direkt an. „Und was dann? Hier in nichts als deinem zerlumpten Shirt rumlaufen?" Er lachte rau und drehte sich auch wieder zu mir. „Mal davon abgesehen, dass dieses zerlumpte Shirt mehr kostet, als dein momentanes Outfit und sich sämtliche Weiber darum reißen würden es zu tragen, hätte es garantiert köstlich gut an dir ausgesehen."
Ich schnappte empört nach Luft. Wie konnte man nur so selbstverliebt und von sich überzeugt sein?
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Kiss me, Drummer-Boy
RomanceSie ist jung, frisch mit dem Studium zur Journalistin fertig und bereit die ersten Schritte in die Welt zu wagen. Da kommt die Zusage der New York Times gerade recht und ehe sie sich versieht wird das Mauerblümchen der Kleinstadt zur Frau einer Welt...