Skylar
„Rumlungern ist in dieser Gegend verboten.", lallte es plötzlich hinter mir und ich schrie auf. Mein Herz schien einen Moment auszusetzen, während ich vor Schreck eine halbe Rolle seitwärts machte und die Person vor mir zu fixieren versuchte. Was um alles in der Welt...
Ich weiß nicht, wie lange ich hier schon so auf dem Boden saß, immer wieder mein Fußgelenk betastete und überlegte, ob ich Henni ein weiteres Mal anrufen sollte oder ob er sein Handy eh erst morgen checken würde. Jedenfalls war in dieser Zeit niemand hier lang gekommen, weshalb ich jetzt versuchte den Schock meines Lebens zu verarbeiten und zu erkennen, wer dort schemenhaft im Dunkeln vor mir stand.
„Ich lungere nicht rum.", brachte ich gepresst hervor und setzte mich wieder richtig hin. Wäre ich doch bloß nicht umgeknickt oder hätte es zumindest alleine nach Hause geschafft, dann müsste ich mich jetzt nicht so wehrlos fühlen. Was, wenn das kein netter Mensch war? An weglaufen brauchte ich gar nicht erst zu denken und verteidigen würde ich mich in dieser Position auch nicht wirklich können. „Bitte gehen Sie einfach weiter, ich habe nichts was Sie klauen könnten." Obwohl ich die Worte ruhig aussprach, hörte man stark die Anspannung dahinter.
Ein raues, mir allzu bekanntes Lachen durchbrach die Stille. Und während der Mann die nächsten Worte sprach, erkannte auch ich ihn. „Sky?! Süße, ich habe es weder nötig dich auszurauben, noch irgendetwas anderes zu tun. Das wirst du schon von ganz alleine irgendwann freiwillig wollen. Ich brauche mich nur zurückzulehnen und zu warten." Ich konnte mich nicht zurückhalten und schnaufte wütend. Warum musste von allen Menschen dieser riesigen Stadt ausgerechnet dieser Typ hier um diese Uhrzeit vorbeikommen? „Träumen Sie weiter, Mister Watt!" Ich wandte meinen Blick ab und fixierte wieder meinen Fuß. Was würde ich drum geben jetzt einfach aufstehen und weggehen zu können.
„Was in meinen Träumen passiert, Kätzchen, wird irgendwann Realität werden. Du wirst schon sehen.", wieder dieses raue Lachen nach den leicht gelallten Worten. War er etwa betrunken? Ich musste hier endlich weg und nach Hause. Langsam fror ich, schließlich saß ich hier seit einiger Zeit schon nur in Sportklamotten auf dem Boden und wartete auf...ja, auf was genau eigentlich? Vielleicht sollte ich noch einmal versuchen Hendrick zu erreichen.
Der Blick auf mein Display ließ mich kurz zögern. Es war beinahe morgens, sollte ich da wirklich noch mal bei ihm anrufen und ihn eventuell stören oder wecken? Andererseits war er mein großer Bruder, da würde er mir wohl keine Szene machen. Also wählte ich seine Nummer und presste mir -den Mann neben mir ignorierend- das Telefon ans Ohr. Immer und immer wieder tutete es, doch niemand nahm ab, bis schließlich die Mailbox ansprang. Genervt seufzte ich und legte zum ersten Mal nicht einfach auf. Ich sollte ihm eine Nachricht hinterlassen, vielleicht hörte er sie ja bald ab und würde mir helfen kommen.
„Hendrick, ich könnte wirklich deine Hilfe gebrauchen. Ich kann gerade nicht laufen und habe keine Ahnung, wie ich nach Hause kommen soll. Ich muss mir den Fuß gestaucht haben. Kannst du mich vielleicht... Aaaah...!", ich schrie auf und ließ vor Schreck mein Handy fallen, als sich plötzlich ein Arm um meine Taille legte, sich ein zweiter unter meine Beine schob und ich im nächsten Moment in die Luft gehoben wurde. „Was zur Hölle...? Lass mich sofort wieder runter!", meine Stimme war nur ein panisches Quieken. „Ach komm schon, was willst du denn sonst tun? Die ganze Nacht noch hier sitzen und dir eventuell den Tod holen?", grunzte Hunter und presste mich an seine Brust. Er roch stark nach Alkohol und schien auch leicht zu schwanken, trotzdem schien er von seinem Vorhaben überzeugt und hielt mich trotz meiner Versuche von ihm loszukommen fest an sich gepresst. „Hör auf zu wackeln, Mädchen. Oder willst du, dass wir beide den Boden knutschen? Obwohl ich gegen ein Bisschen Lippenaktivitäten absolut nichts hätte!" Den letzten Satz raunte er nur noch und ich konnte mir genau vorstellen, wie ein anzügliches Grinsen genau in diesem Augenblick seine Lippen zierte.
„Lass mich einfach runter. Und knutschen kannst du jemand anderes." „Miau!" „Werd erwachsen, Hunter!", äffte ich nur und versuchte erneut mich aus seinem Griff zu winden. Doch statt mich endlich loszulassen, zog er mich noch enger an seine Brust. Bald würde ich in ihm verschwinden, wenn es so weiter ging. Und obwohl ich gerade nur von ihm und seiner ganzen Art weg wollte, genoss ich die Wärme, die von seinem Körper ausging. Schlagartig war mir unglaublich kalt und mein gesamter Körper begann zu zittern. „Wenn du unbedingt erfrieren willst, dann such dir dafür einen anderen Ort und eine andere Zeit aus!" Ich konnte ihn nur anstarren, unfähig etwas darauf zu erwidern. Plötzlich ging er in die Hocke und ich dachte schon er würde mich wieder absetzen, doch falsch gedacht. „Greif dein Handy!", knurrte er angestrengt. Und nach kurzem Zögern angelte ich es vom Boden auf. Er würde mich doch jetzt nicht etwa tragen, oder?
„Ähm... ich schaffe das auch alleine. Ich brauche keine Hilfe!", murmelte ich verunsichert und mit einer Spur unterdrückter Wut, als er sich in Bewegung setzte, doch er ignorierte es einfach und lief weiter. Wenn ich auf die Hilfe und die garantiert darauf folgenden Sprüche verzichten konnte, dann von dieser Person. Auch wenn ich zugeben musste, dass ich nicht wirklich wusste, wie ich sonst hätte nach Hause kommen sollen. Apropos nach Hause kommen, Hunter wusste doch gar nicht, wohin er mich nun tragen sollte! Und als hätte er in diesem Moment den gleichen Gedanken gehabt, blieb er ruckartig stehen. „Was machst du überhaupt in dieser Gegend, vor allem um diese Uhrzeit? Ich habe dich noch nie zuvor hier gesehen." Ich starrte ihn einfach nur an. Was sollte ich antworten? Dass ich hier wohnte? Aber dann würden die Sprüche wahrscheinlich gar nicht mehr aufhören und ich hätte dieses unreife Riesenbaby noch öfter in meiner Nähe.
Zum Glück wartete er jedoch nicht weiter auf eine Antwort, sondern gab mir unbewusst die perfekte Ausrede. „Oder bist du deinen Bruder besuchen?" Überrascht zog ich die Brauen in die Höhe. Woher wusste er, dass Hendrick mein Bruder war? Hatte er es etwa den anderen erzählt? Würden sie nun alle denken, dass ich diesen Job nur bekommen habe, weil ich mit ihm verwandt war? „Das... also... ja, aber...", ich schaffte es echt nicht einmal einen vernünftigen Satz rauszubringen, so verwirrt war ich. Doch er lachte nur und schien meine Gedanken erraten zu haben. „Keine Angst, die anderen Jungs wissen nichts davon, nur ich. War ja auch nicht anders zu erwarten, nach unserem ersten Aufeinandertreffen. Du hättest Ricky mal erleben müssen, als ich ihm von dir erzählt habe. Ist lange her, seit ich an einem Tag zwei Treffer kassiert habe.", er lachte leicht und der Geruch von Alkohol und Aftershave stieg mir in die Nase. „Ich möchte nicht über diesen Tag reden." „Wieso nicht? Meine Eier warten immer noch auf eine Entschuldigung!" Ich schnaufte, das konnte doch jetzt nicht wirklich sein Ernst sein! „Darauf kannst du lange warten." „Oh, das werde ich, Kätzchen." „Nenn mich nicht so!" Er schien noch etwas darauf erwidern zu wollen, doch verkniff es sich und lief die letzten Meter schweigend, jedoch mit einem grinsen auf den Lippen.
Vor dem Haus blieb er erneut stehen und schaute zu mir hinab. „Was machst du eigentlich um diese Uhrzeit hier draußen? Ist es nicht ein Bisschen spät für Sport?" „Dasselbe könnte ich dich fragen! Ist es nicht ein Bisschen spät für einen Spaziergang?", konterte ich und wandte den Blick von ihm ab und auf die Eingangstür vor uns. Er räusperte sich und lachte leise. Ich spürte die Vibration im ganzen Körper und erst jetzt fiel mir auf, wie nah ich ihm wirklich war und dass ich mich zusätzlich noch unbewusst an ihn presste, um mehr Wärme zu bekommen. „Um ehrlich zu sein, ich hätte eigentlich weitaus Besseres momentan zu tun gehabt. Aber dann ist mir aus dem Auto heraus ein hilfloses Menschlein aufgefallen. Das konnte ich doch nicht einfach ignorieren!" „Zeigt da etwa jemand seine menschliche Seite?", kamen die Worte aus meinem Mund, bevor ich sie zurückhalten konnte. Trotzdem war ich mehr als erstaunt über ihn. Das hätte ich beim besten Willen nicht erwarten. „Nicht so bissig, Kätzchen. Ich bin dein Retter in der Not, also sei besser etwas netter zu mir."
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Kiss me, Drummer-Boy
RomanceSie ist jung, frisch mit dem Studium zur Journalistin fertig und bereit die ersten Schritte in die Welt zu wagen. Da kommt die Zusage der New York Times gerade recht und ehe sie sich versieht wird das Mauerblümchen der Kleinstadt zur Frau einer Welt...