Ganz langsam, fast schon wie in Zeitlupe, ließ ich das Glas wieder sinken und hielt es schließlich fest umklammert. Ich war schon mal stolz auf mich, dass ich nicht wild zusammengezuckt war und aufgeschrien hatte. Trotzdem schlug mein Herz gerade im doppelten Tempo. Wie ich es doch hasste, wenn sich Leute an mich ran schlichen oder mich erschreckten!
„Nein, danke. Und ich bin nicht Ihr Kätzchen!", kamen die Worte plötzlich laut aus meiner Kehle. Woher hatte ich nur den Mut genommen und die Stärke eine Abfuhr laut auszusprechen? Scheinbar war das Gesagte, trotz der dröhnenden Musik, bei ihm angekommen, denn ein tiefes Lachen erklang direkt neben meinem Ohr. Warum ich mich nicht umdrehte? Vielleicht, weil es mir so leichter fiel meine wahren Gedanken auszusprechen und nicht die Gefahr bestand, wieder zum schüchternen Mädel zu mutieren. Ich wusste es nicht genau.
„Bist du dir sicher, dass du nicht doch tanzen möchtest, Kätzchen?", ließ die Person nicht locker und es war, als betonte er diesen albernen Spitznamen extra stark. „Ganz sicher! Und jetzt lassen Sie mich bitte in Ruhe.", immer noch klang meine Stimme ruhig und fest. Ich musste Zuhause unbedingt ein Kreuz in meinen Kalender malen! Ein Tag, an dem ich einem fremden männlichen Wesen verbal entgegentreten konnte und dabei nach außen hin auch noch ruhig und gelassen wirkte, der sollte als Feiertag zelebriert werden!
„Miau!" Oh man, konnte der Kerl nicht einfach verschwinden? Und was sollte dieser blöde Kommentar, wenn man nachgeahmte Tiergeräusche überhaupt als solchen gelten lassen konnte? Mein Blick zuckte wieder zur Tanzfläche und meiner Gruppe, die dort ausgelassen herumwirbelte. Und egal, wie viele Gedanken ich in diese Richtung warf, niemand sah zu mir und konnte mich somit von dieser Nervensäge befreien.
„Und an deiner Entscheidung kann man nicht rütteln?", wieder diese raue Stimme und noch immer direkt neben meinem Ohr. Ein Geruch von Alkohol und Minze stieg mir in die Nase. Und noch etwas, das nach einer Mischung aus Mann und teurem Aftershave roch. Anders wusste ich es nicht zu beschreiben. Leise seufzte ich und umklammerte das Glas noch fester. Hoffentlich zerbrach es nicht irgendwann, denn im Moment schien es als eine Art Blitzableiter zu fungieren.
„Nein. Also sei so lieb und such dir jemand anderen, den du mit deiner Anwesenheit beglücken kannst." Kaum hatte ich es ausgesprochen, bewegte sich die Person hinter mir und wieder erklang dieses tiefe Lachen, was mir eine leichte Gänsehaut bescherte. Ob nun aus Unwohlsein oder einem andere Grund, das wusste ich nicht. Aber in einer Sache war ich mir sicher, der Typ sollte schleunigst verschwinden und mich wieder alleine lassen.
„Hmm, eine Frau mit Krallen. Gefällt mir, Kätzchen!" Das hatte er gerade nicht wirklich gesagt oder? Vielleicht dachten Männer ja, dass solche Sprüche bei Frauen wirkten...aber nicht bei mir! Um nicht doch noch Gefahr zu laufen das Glas zu zerdrücken -und ja, ich weiß, dass ich mickriges Würstchen das wahrscheinlich eh nicht schaffen könnte- stellte ich es vor mir auf den Tisch und sah weiterhin den tanzenden Massen zu. Doch es wäre zu schön gewesen um wahr zu sein, wenn ich nun endlich meine Ruhe hätte und der Kerl einfach verschwand! „Weißt du", und wieder war er mir so nah, dass sein Atem vereinzelte meiner Locken bewegte, „ich habe dich schon einige Zeit im Visier. Und da in mir unaufhaltsam das Verlangen brannte, zu sehen welch schöne Front zu diesem überaus hübschen Rücken gehört, dachte ich mir..." Das reichte, also schnitt ich ihm einfach das Wort ab: „Dann lösch dein Verlangen oder such dir jemanden, der es auch befriedigen will. Nur lass mich endlich in Ruhe!" „Ach Kätzchen, nach so einer Ansage will ich nur noch mehr wissen, wer sich dahinter verbirgt!", lachte er und schwang sich im nächsten Moment auf die Ledercouch, mir gegenüber. Doch das Lachen gefror ihm sofort auf den Lippen und auch ich war einen kurzen Moment einfach nur geschockt und sprachlos, als ich ihn erkannte. Nach einigen Sekunden hatte ich mich jedoch gefasst und verengte die Augen zu Schlitzen. „Na sieh einer an, wen haben wir denn da? Hat ein Tritt etwa noch nicht gereicht?" Noch immer saß er perplex da und starrte mich an. „Wie dem auch sei, es war mir keine Freude dich wiedergesehen zu haben. Und bestell Hendrick liebe Grüße von mir!" Ok, meine Stimme klang zum Ende hin wirklich giftig, aber was erwartete man auch anderes, wenn man mitten in New York dem einzigen bisher halbwegs bekannten Kerl traf, dem man gerne die nächsten hundert Jahre aus dem Weg gegangen wäre.
Ohne ihn auch nur noch eines weiteren Blickes zu würdigen, schnappte ich mir mein Glas, trank es aus und marschierte aus dem abgetrennten Bereich und zu meinen Kollegen auf die Tanzfläche. Ich musste von dort oben weg, selbst wenn es hieß tanzen zu müssen.
~*~
„Sky, hätte ich gewusst, wie du tanzen kannst, dann hätte ich dich gleich mitgeschliffen und nicht erst gewartet, bis du selbst Lust hattest!", lachte Tony und stieß mit mir und den anderen an, die alle genauso breit grinsten. Wir saßen mittlerweile wieder an unserem Tisch und versuchten uns so gut es ging über die Musik hinweg zu unterhalten.
„Warum sind wir eigentlich genau in diesen Club gegangen?", fragte ich Tony nach einiger Zeit. Dieser bekam sofort große Augen und auch die anderen starrten mich nun an, als hätte ich etwas ganz Offensichtliches übersehen. „Du weißt es wirklich nicht, oder?", brachte Tony nach einiger Zeit hervor und es schien, als würden seine Augen noch größer werden. Genervt verdrehte ich meine Augen und sah ihn dann wieder auffordernd an. Bevor ich ihn jedoch erneut fragen musste, begann er zu grinsen: „Hierher kommen die verschiedensten Stars und Sternchen!" Ich verstand immer noch nicht worauf er hinaus wollte. Denn soweit ich wusste, arbeitete niemand von ihnen an irgendwelchen Stories, für die sie Informationen brauchten, die sie hier finden konnten. „Man, Sky! Heute sollen hier The Outdoors feiern und die sind so unglaublich heiß, dass man sie einfach mal in echt sehen muss!"
Er musste meinen Verwirrten Blick bemerkt haben, denn plötzlich schlug er sich übertrieben die Hand vor den Mund und griff mit der anderen an seine Brust; „Sag nicht, dass du sie nicht kennst!" Er schrie, damit ich ihn hörte. Doch ich war mir ziemlich sicher, dass er es auch getan hätte, wenn es um uns herum still gewesen wäre. Verunsichert und ahnungslos schüttelte ich den Kopf und blickte in eine Reihe aus schockierten Gesichtern „Oh Gott, aus welchem Dorf kommst du denn bitte, wenn du die Rockband schlechthin nicht kennst?" Diesen Kommentar ließ ich jetzt einfach mal unbeachtet und starrte weiterhin den schockierten Tony an. „Oh man. Da müssen wir aber noch einiges aufholen, Liebchen! Vielleicht sehen wir ja jemanden von ihnen. Zumindest habe ich vorhin beim Tanzen gehört, dass Watt -der Schlagzeuger- gesichtet wurde, wie er ein Mädchen angegraben hat. Leute, ich sage euch, es ist eine Schande! Dieses Bild von einem Mann sollte sich nicht an euch Frauen verschwenden, sondern lieber für uns Kerle offen sein!" Sein Blick bekam einen schwärmerischen Ausdruck und ich konnte mir ein Lachen nicht mehr verkneifen.
Auch wenn ich nicht wusste, von wem er sprach, so war es amüsant anzusehen, wie mein Freund und Kollege von einem Star schwärmte und gleichzeitig die scheinbar fehlende Homosexualität bei jenem verfluchte. Man konnte sagen, was man wollte, aber ich mochte Tony und hatte ihn in so kurzer Zeit schon fest in mein Herz geschlossen.
Nachdem mein Gegenüber wieder aus seinen Träumereien und Schwärmereien erwachte, ging der Abend munter weiter. Und auch, wenn das vorherige Thema nicht noch einmal angesprochen wurde, so fragte ich mich bei jedem Mann oder jeder Frau hier im VIP-Bereich, ob es ein mir unbekannter Star war oder nur jemand, der so ein Glück hatte wie wir und dadurch hier rein durfte.
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Kiss me, Drummer-Boy
RomanceSie ist jung, frisch mit dem Studium zur Journalistin fertig und bereit die ersten Schritte in die Welt zu wagen. Da kommt die Zusage der New York Times gerade recht und ehe sie sich versieht wird das Mauerblümchen der Kleinstadt zur Frau einer Welt...