Ein lautes Hämmern, gefolgt von dauerhaftem Klingeln ließ mich am nächsten Morgen seufzend die Dusche ausstellen. Ich war gerade zurück von einer zweistündigen Jogging- und Sporttour, es konnte nicht später als kurz nach 9 sein. Ein blick auf das Bluetooth-Radio bestätigte meine Vermutung. Wer wollte bitte um diese Uhrzeit etwas von mir?
Schnell trocknete ich mich ab, wickelte mich in den flauschigen Bademantel, den ich eigentlich eher zur Deko an die Tür gehangen hatte und eilte zur Wohnungstür. Noch bevor der nächste Trommel-Sturm beginnen konnte, riss ich entnervt die Tür auf.
"Wird aber auch Zeit!", begrüßte mich mein Bruder und drängte sich unsanft an mir vorbei in die Wohnung. Überrumpelt schloss ich die Tür und trottete ihm hinterher ins Wohnzimmer. "Auch guten Morgen.", murmelte ich und lief in die offene Küche, um Kaffee aufzusetzen. Er dagegen warf sich auf die große Couch in der Ecke und sah sich um. "Willst du dich nicht langsam mal einrichten?" Ich sah auf und zuckte mit den Schultern. Was sollte ich auch groß darauf antworten, schließlich hatte ich momentan weder irgendwelche Möbel, geschweige denn besonders viele Dinge, die untergebracht werden mussten, noch hatte ich vor hier länger als nötig zu bleiben. Und das wusste er auch.
"Hat dein morgendlicher Überfall einen Grund oder wolltest du dich nur darüber lustig machen, wie es hier aussieht?", fragte ich schließlich und stellte zwei volle Tassen auf den kleinen Couchtisch. Doch statt zu antworten schnappte Hendrick sich nur einen Kaffee und seufzte wohlig, nachdem er vorsichtig den ersten Schluck genommen hatte. Als er auch danach keine Anstalten machte mir zu antworten, verdrehte ich die Augen und marschierte ins Schlafzimmer. Hier stand zwar ein Bett und ein kleiner Schrank, trotzdem wirkte der Raum leer und ungemütlich. Dies weitestgehend ignorierend griff ich mir frische Unterwäsche, eine enge schwarze Stoffhose und eine lockere Jeansbluse. Ich musste schließlich nicht die ganze Zeit im Bademantel rumrennen, vor allem wenn mein Bruder auf der Couch lümmelte und scheinbar irgendwas vor hatte.
Als ich zurück kam, stand Henni gerade in der Küche und goss sich Kaffee nach. "Hast du deinen Kaffeeverbrauch immer noch nicht runtergeschraubt, Bruderherz?", stichelte ich, schnappte mir meine Tasse und setzte mich auf die Couch. Er war schon immer der mit dem höchsten Kaffeeverbrauch in der Familie gewesen und scheinbar half sein Job bei der Reduzierung nicht wirklich. "Hör auf zu pöbeln, Nudel.", knurrte er und balancierte seine über volle Tasse langsam in meine Richtung. Ich hätte gerne einfach irgendeinen dummen Kommentar abgegeben, doch ließ mich sein konzentrierter Blick inne halten, schließlich sollte er ja nichts verschütten.
Als er endlich saß, starrte ich ihn abwartend und fragend an. So langsam wurde ich misstrauisch. Nicht, dass ich mich nicht über seine Anwesenheit freute, doch normalerweise befand er sich um diese Uhrzeit schon längst im Büro oder war unterwegs mit irgendwelchen Klienten.
"Da du dich ja strikt weigerst mal ordentlich shoppen zu gehen, hab ich mir heute frei genommen. Wir werden zusammen losziehen und dir angemessene Klamotten für die nächste Zeit holen." Ich wollte gerade etwas darauf erwidern, als er mich mit einer Handbewegung zum Schweigen brachte. "Wenns nötig ist, zwinge ich dich auch zu deinem Glück! Also mach dich fertig und dann kanns losgehen, Schwesterherz."Also stand ich nun keine Stunde später in einer lichtdurchfluteten Umkleidekabine und ließ mir immer mehr Klamotten von meinem übermotivierten Bruder hinein reichen. Lautes Quengeln hatte ich jedoch schon vor einigen Minuten aufgegebenen, da das einzige Resultat lediglich noch größere Berge an Anziehsachen waren, die ich alle probieren sollte. Hendrick war einfach ein Sadist. Natürlich war ich ihm dankbar, dass er sich meiner annahm, aber hätte ein entspannter Shopping-Trip nicht auch gereicht? Mich meinem Schicksal ergebend seufzte ich leise und machte mich daran die unzähligen Hosen, Oberteile, Röcke und Kleider anzuprobieren, die scheinbar wie am Fließband den Weg in meine Kabine fanden.
Es war bereits Abend, als ich erschöpft und mit unzähligen Tüten beladen meine Wohnung betrat. "Sky, wo soll ich die ganzen Sachen abstellen?", erklang hinter mir die immer noch euphorische Stimme meines Bruders, der genauso belafen war wie ich. Wie konnte er noch immer so energiegeladen sein, während ich auf der Stelle zusammenbrechen und einschlafen könnte? Mit einem Kopfnicken deutete ich ihm mir zu folgen, sodass wir schlussendlich alles ins Schlafzimmer verfrachteten. Sollte er jetzt auf die Idee kommen das alles noch auszupacken und verfrachten zu wollen, würde ich einfach gehen. Doch zum Glück schien er dieses eine Mal Verständnis und Mitleid mit mir zu haben und zog mich hinter sich her ins Wohnzimmer.
"Das wardoch mal ein schöner Tag!", lächelte er, während ich mich einfach auf die Couch fallen ließ und erschöpft die Schuhe von den Füßen kickte. "Ich weiß ja nicht, was du so unter schön verstehst, aber ich hätte den Tag jetzt anders beschrieben." "Jetzt hab dich mal nicht so, Nudel. Aber bevor du mir hier gleich einschläfst, müssen wir ein paar Termine besprechen." Statt zu antworten grummelte ich nur und versuchte krampfhaft die Augen offen zu halten. "Am besten ich schreibe dir dann alles nochmal...", murmelte er, ehe ich eine Bewegung neben mir wahrnahm und er weiter sprach: "Also, das Faulenzen hat jetzt ein Ende, Schwesterherz! Morgen Abend gibt es den ersten richtigen Termin. Ein Abendessen mit den Jungs und ich hoffe, dass diesmal alle dabei sind und du sie etwas besser kennenlernen kannst. Dann wird es in drei Tagen eine erste Pressekonferenz bezüglich des neuen Albums und der anstehenden Tour geben, an der ich dich bitte teilzunehmen. Danach folgen dann vereinzelte Interviews von dir, in denen du die ersten Fakten für deine Artikel sammeln kannst. Ich bitte dich nicht nur auf die Musik oder ausschließlich auf die Jungs einzugehen. Versuch in guter Harmonie beide Bereiche einzubeziehen, wenn du deine Texte schreibst." Schlagartig war ich wieder wach und setzte mich auf. "Hendrick, willst du mir gerade meinen Beruf erklären?" Eventuell war mein Ton harscher, als beabsichtigt. Doch sollte Henni sich einbilden mich wie ein kleines, dummes Kind behandeln zu können, dann musste dieser Zahn ihm sofort gezogen werden. "Ich warne dich, lass hier nicht den Manager und Boss raushängen. Und wehe du führst mich vor der Band vor. Ich weiß, dass ich diesen bedeutsamen Job nur dank dir habe, trotzdem bin ich gut in dem was ich mache und werde mich nicht wie ein Kind von dir behandeln lassen." Statt direkt darauf zu antworten, fing mein ach so toller Bruder einfach an zu lachen, zog mich in seine Arme und zerwuschelte mir die Haare. "Ach Sky, ich hab dich auch lieb! Und keine Sorge, ich werde dich mit dem größten Respekt behsndeln und nur zusammen stauchen, wenn wir alleine und ohne Zeugen sind." Wieder lachte er, küsste mich auf den Scheitel und stand auf, bevor ich etwas darauf erwidern konnte. "Dann schlaf dich mal schön aus. Mister Baldwin wird dich dann morgen um 8 abholen. Zieh dir was ordentliches aber nicht zu elegantes an. Gute Nacht, Schwesterherz."
Perplex wegen seines plötzlichen Aufbruchs konnte ich nur nickend eine knappe Antwort murmeln und schon war er verschwunden und es wurde still in der Wohnung. Erst dauerte ein paar Minuten, bis ich begriff, was Hendrick mir gerade erzählt hatte und weitere Augenblicke, ehe ich wusste, dass er mit Mister Baldwin meinen Fahrer -Hayes- vom letzten Mal meinte.
Müde und nicht weiter in der Lage großartig nachzudenken, machte ich mich schließlich bettfertig und schlurfte an den unzähligen Taschen vorbei ins Bett. Für Aufregung und die Frage was ich bloß anziehen sollte, würde morgen noch genug Zeit sein.
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Kiss me, Drummer-Boy
RomanceSie ist jung, frisch mit dem Studium zur Journalistin fertig und bereit die ersten Schritte in die Welt zu wagen. Da kommt die Zusage der New York Times gerade recht und ehe sie sich versieht wird das Mauerblümchen der Kleinstadt zur Frau einer Welt...