Missmutig schmiss ich mich aufs Bett. Mein Bett. In meinem verdammten neuen Appartement. Vor zwei Tagen hatte ich Hendricks Bedingung knurrend zugestimmt, um die Artikel über die Band zu schreiben. Hatte ich meine Seele verkauft? Keine Ahnung, aber es fühlte sich so an. Was mich jedoch mehr als erstaunte, war die Tatsache, dass mein Bruder bereits jetzt die Wohnung schon komplett für mich eingerichtet hatte. Und das auch noch genau nach meinem Geschmack. Natürlich war ich ihm dafür unglaublich dankbar, doch gleichzeitig auch wütend. Wütend über die Situation und darüber jetzt wirklich in diesem Bonzen-Haus zu leben. Wer wusste schon, was für reiche Schnösel hier noch hausten? Natürlich klang das gerade mehr als verurteilend und ungerecht von mir, aber wie gesagt: Ich war wütend.
Der nächste Termin mit der Band sollte in knapp einer Woche sein, zu einem ihrer Konzerte. Hendrick meinte so könnte ich den ersten Artikel der Reihe über das Geschehen im Backstage-Bereich schreiben. Ein guter Einstieg, wie auch ich fand. Bis dahin würde ich mich noch über die Band informieren und sehen, was bisher schon alles über sie geschrieben wurde. Das hätte ich eigentlich bereits längst tun müssen...Nach weiteren Minuten sinnlosem Anstarren der Decke, rappelte ich mich wieder auf. Der kleine Wecker auf meinem Nachttisch leuchtete mir, dass es bereits nach 10pm war. Statt hier rumzuliegen, könnte ich mir genauso gut eine Decke schnappen und mich mit einem Bier auf den riesigen Balkon setzen.
Draußen angekommen verschlug es mir, wie auch schon gestern die Sprache. Der Balkon, oder sollte ich eher die Terrasse sagen, war so lang, wie der komplette Wohnbereich, von dem er ab ging. Ein elegantes, silbernes Geländer umringte ihn von zwei Seiten, die dritte wurde von einer großen grauen Wand abgetrennt. Ich hatte gestern schon versucht um die Ecke zu schauen, um zu sehen, was sich dahinter befand. Aber dies war unmöglich. Wahrscheinlich war es einfach nur eine Privatsphäre vortäuschende Trennwand von der Nachbarwohnung.
Den Blick wieder auf die fantastische Aussicht richtend, ließ ich mich in den gemütlichen Balkonsessel fallen. Zum Glück hatte mein Bruder mir zur Versöhnung und zum Einstand, wie er es nannte, einen Kasten Bier direkt daneben gestellt. Eigentlich trank ich eher sehr selten etwas, aber manchmal ging nichts über ein gutes Bier. Seufzend öffnete ich eines und schnippste den Deckel zurück in den Kasten.
"Prost.", erklang eine tiefe Stimme, als ich gerade zum ersten Schluck ansetzte. Erschrocken keuchte ich auf und sah mich, mir den Mund trocken wischend hecktisch um. "Sorry, wollte niemanden erschrecken! Ist nur ungewohnt Geräusche aus der Wohnung nebenan zu hören.", lachte die Stimme leise und da konnte ich sie orten. Verwirrt starrte ich die Trennwand an. Sollte ich antworten? Besser nicht, man konnte ja nie wissen, wer sich dahinter befand. Kurz kam mir ein Gedanke und ließ mein Herz höher schlagen. Was wenn ich ihm auf dem Gang mal zufällig traf? Doch dann fiel mir wieder ein, dass von diesem Gang lediglich Hendricks und meine Wohnung abgingen und schon beruhigte ich mich wieder.
"Nicht sehr gesprächig, aber auch gut." Und wieder erklang dieses raue Lachen. Dann folgte Stille, welche nur kurz durch das Geräusch vom Öffnen einer Falsche unterbrochen wurde. Ich saß ganz still und brauchte einige Minuten, um erneute anzusetzen und -diesmal zum Glück ohne zu kleckern- einen Schluck zu trinken.Keine Ahnung, wie lange ich so da saß, meine Flasche war bereits leer, als mein Nachbar sich räusperte: "Keine Ahnung, ob du noch da bist, aber ich leg mich hin." Ohne zu Antworten stellte ich die Flasche mit einem leisen, gläsernen Klirren zurück in den Kasten und erhob mich träge. Scheinbar hatte er es gehört, denn wieder lachte er leise und murmelte noch, bevor ich zurück in meine Wohnung ging: "Vielleicht ja bis morgen Abend."
Die halbe Nacht grübelte ich noch, ob ich dem Fremden hätte antworten sollen und schlief dadurch viel zu spät ein. Der Wecker klingelte demzufolge viel zu früh und riss mich unsanft aus einem traumlosen Schlaf. Murrend schaltete ich ihn aus und drückte mir mein Kissen ins Gesicht. Warum hatte ich mir an meinem freien Tag nochmal dieses miese Ding gestellt? Ach ja, Sport. Um dieser überaus himmlichen Matratze nicht doch noch weiter zu erliegen, stand ich mühsam auf und schlenderte ins Badezimmer.
Keine 30 Minuten später verließ ich das Wohnhaus, stöpselte mir die Kopfhörer in die Ohren und zog die Kapuze meiner Strickjacke über meinen Kopf. Jetzt nur noch die Musik starten und schon konnte es losgehen.
Ich joggte verschiedene Wege entlang, versuchte nicht die Hauptstraßen zu kreuzen, da selbst zu dieser frühen Stunde dort schon reges Treiben herrschte. Die aufgehende Sonne hüllte alles in morgendlich rötliches Licht und mal wieder war ich hin und weg, dass ich jetzt wirklich in dieser Stadt lebte.
Nachdem meine Beine langsam schmerzten, kehrte ich zurück zu meinem nun neuen Zuhause. Gerade als ich auf dem Weg zum Eingangsbereich einbog, sah ich eine große Person in einem dunkelgrauen Jogginganzug und ebenfalls die Kapuze tief ins Gesicht gezogen hinaus kommen und in die andere Richtung davon joggen. Nicht nur ich schien die morgendliche Stunde für sportliche Aktivitäten zu bevorzugen. Aber anstatt über sportliche Mitmenschen nachzudenken, wollte ich nur noch unter die Dusche und ordentlich frühstücken.--------
Diesmal leider etwas kürzer...aber die nächsten Kapitel werden wieder länger und es wird auch wieder mehr passieren. :)
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Kiss me, Drummer-Boy
RomanceSie ist jung, frisch mit dem Studium zur Journalistin fertig und bereit die ersten Schritte in die Welt zu wagen. Da kommt die Zusage der New York Times gerade recht und ehe sie sich versieht wird das Mauerblümchen der Kleinstadt zur Frau einer Welt...