Ganze fünf Stunden lang saßen wir alle auf den Plastikstühlen im Gang und hofften darauf, dass Vince es schaffen würde.
Keiner von uns sprach, jeder war in seinen eigenen Gedanken und jeder von uns schwelgte in seiner eigenen Paranoia.
"Er wird wieder. Meine Mum ist die beste Kardiologin und Vince hat es jedes Mal aufs Neue geschafft wiederaufzustehen also wird er es dieses Mal auch schaffen", versuchte Adeline uns zu versichern, doch keiner antwortete er ihr.
Das einzige woran ich denken konnte war, dass Vince also bereits öfter im Krankenhaus lag und wir nicht für ihn da sein konnten.Ich hörte das Klappern von Rädern bevor ich Frau Dupont und Doktor Reece hörte.
Mein Kopf schnappte sofort hoch und ich konnte endlich durchatmen als die beiden relativ zufrieden aussahen.
Die Krankenschwester fuhr Vince zurück in sein Zimmer während die beiden Doktoren vor uns stehen blieben.
"Er hat die ersten zwei Operationen soweit gut überstanden. Jetzt muss er sich nur noch etwas ausruhen dann geht es weiter. Aber ich muss sagen die Chancen stehen gut. Herr Reagan ist ganz schön zäh", teilte uns Doktor Reece mit.
Gott sei Dank.
"Gott sei Dank", atmete Noah gleichzeitig neben mir aus.
"Er wird bald von der Narkose aufstehen, dann könnt ihr ihn sehen", kam es von Frau Dupont und wir nickten alle erleichtert.Adeline war die erste die Vince besuchen konnte.
Wir hatten uns alle darauf geeinigt einzeln ins Zimmer zu gehen, um ihn nicht allzu sehr zu belasten.
Nach Adeline ging Isaac rein, da er sich noch unbedingt bei Vince entschuldigen wollte und nach ihm Noah, weil er ihn am wenigsten von uns vier gesehen hatte.
Vor mir ging noch Elijah rein und zuletzt kam ich an die Reihe.
Ich hatte einfach die Zeit gebraucht, um mir zu verinnerlichen, dass zwischen dem Baguette, ehm ich meine Adeline und ihm nichts gelaufen ist und er mich angelogen hatte.
"Okay du kannst rein, er ist ganz versessen darauf mit dir zu reden", sagte Elijah müde und ließ sich kaputt auf einen Stuhl fallen.
Mit einem Nicken lief ich in den Raum und setzte mich auf den Stuhl, welches neben dem Bett stand.
"Hey", grüßte ich ihn leise.
Er lächelte schwach, doch sagte nichts.
"Ehm, wie, wie geht es dir?", fuhr ich fort.
"Ging mir schon mal besser", antwortete er und ich konnte den Humor aus seiner rauen Stimme hören.
Ich nickte und wir verfielen in Schweigen.
"Ich weiß, dass du nie mit Adeline zusammen warst", sagte ich nach einiger Zeit.
Vince schien nicht mal überrascht zu sein als die Wörter meine Lippen verließen.
"Nein, war ich nicht", gab er zu, wobei er meinen Blick mied und auf seine Hände sah, die verkabelt waren. "Du hast mich also angelogen", sprach ich das offensichtliche aus.
Ich bekam ein leichtes Nicken.
"Wieso?", fragte ich.
"Ich dachte, so wäre es leichter Abschied zu nehmen falls ich die Operation nicht überleben würde" Diesmal sah er mir in die Augen. Meine Sicht verschwamm durch die Tränen die sich ansammelten.
"Du pessimistischer Idiot"
Ich schluckte hörbar und wischte mir die Tränen weg bevor ich ihn vorsichtig umarmte.
Er legte seine Hand auf meinen Kopf während die Seite meines Gesichtes auf seiner Brust lag.
Ein zittriger Atemzug entwich ihm als er durch meine Haare strich.
"Ich hasse dich", murmelte ich an seinen Brustkorb.
"Nein tust du nicht", gab er schmerzerfüllt von sich.
"Nein tu ich nicht", wiederholte ich es und schloss meine Augen als mehr Tränen meine Wange runterrollten und sein Shirt durchnässten.
"Tut mir leid, dich so verletzt zu haben", entschuldigte er sich.
"Ich, ich dachte es wäre für das Beste", redete er weiter.
Ich legte meinen Daumen auf seine Lippen als er weiterreden wollte.
"Ist schon gut, die Hauptsache ist, dass du noch lebst", unterbrach ich ihn.
Er schenkte mir ein qualvolles Lächeln als seine Augen glasig wurden.
Und in dem Moment hatte ich das Gefühl, dass Vince mehr wusste als wir alle zusammen.Nachdem er eingeschlafen war verließ ich den Raum und ging mit den anderen runter in die Kantine. Noah zwang mich einen Bagle zu essen während Adeline erzählte wie sie Vince kennengelernt hatte.
So wie sich rausstellte waren die beiden nur Freunde gewesen und hatten sich über Adelines Mutter, Céline Dupont kennengelernt.
Wir besuchten Vince noch einmal kurz bevor Elijah und Isaac mit zu Noah und mir kamen, damit wir alle noch etwas schlafen konnten.
Ich schrieb Vince Vater, wie sein Zustand war und legte mich in mein Bett.
Alles würde gut werden...Bis ich einen Anruf gegen 02.00 Uhr bekam.
Es war Adeline, Vince erlitt einen Herzinfarkt.Wir fuhren alle so schnell es ging ins Krankenhaus und rannten an sein Zimmer.
Doch wir konnten nicht zu ihm rein als wir vor verschlossenen Türen standen.
Ich hämmerte gegen die Türe, doch keiner machte auf.
Ich wusste nicht was ich tun sollte, mein Kopf war wie leer gefegt während mein Körper vergeblich versuchte zu Vince zu gelangen.
"Miss, Sie dürfen da jetzt nicht rein", hörte ich eine Krankenschwester sagen doch ich schüttelte nur wild meinen Kopf als ganze Wasserfälle an Tränen aus meinen Augen ausbrachen.
"Ich muss zu ihm!", kreischte ich und rüttelte am Türgriff.
"Unsere Ärzte versuchen alles, ihn noch zu retten. Setzen Sie sich doch bitte hin", sprach sie aber das ignorierte ich.
"Robin, Robin, hey", Noah strich mir meinen Arm auf und ab und versuchte mich von der Tür zu ziehen doch ich ließ es nicht zu.
"Lasst mich zu ihm!", schrie ich. Meine Stimme war gebrochen und heiser.
Plötzlich ging die Türe auf als eine Krankenschwester austreten wollte. Ich ergriff die Chance und riss mich aus Noahs Armen um ins Zimmer zu gelangen.
Ich bahnte mir einen Weg zwischen den Ärzten frei, damit ich ihn sehen konnte.
"Komm schon! Komm schon!", wiederholte Doktor Reece immer wieder, der einen Defibrillator einsetzte.
Vince Augen waren die ganze Zeit über starr geöffnet und ich hielt eine Hand vor meinen Mund um nicht zu laut zu schluchzen.
Das piepen der Maschine, das an Vince angeschlossen war wurde immer schwächer bevor es ganz aufhörte. Meine Knie gaben nach als ich zu Boden sank.
"Miss, miss", kam eine Krankenschwester an meine Seite.
"Verschwinde!", kreischte ich sie an und stand auf wackligen Beinen auf. Ich ließ mich neben Vince fallen.
Doktor Reece versuchte auf mich einzureden, doch als nichts nutzte verließen sie alle den Raum.
"Vince, steh auf. Komm schon steh auf", bettelte ich und schüttelte ihn, doch nichts funktionierte.
Mein Kopf sank an seine Brust als ich anfing unkontrolliert zu schluchzen.
"Ich liebe dich. Vince ich liebe dich", sagte ich zwischen meinem weinen.
Meine Atmung war kurz und unregelmäßig als ich ihn wieder ansah.
Mein Blick schweifte über sein Gesicht.
Seine Augen waren noch geöffnet.
Sie sahen leer aus.
Ich konnte nicht verstehen, warum ausgerechnet er sterben musste.
Warum er diese Welt verlassen musste.
Ich sah von seinen hohen Wangenknochen, zu seinem markanten Kiefer, seinen Lippen, die von Minute zu Minute die Farbe verloren.
Schließlich sah ich wieder in seine grünen Augen.
Ich atmete durch als ich sie für ihn schloss, mit dem Wissen, dass er sie nie wieder aufmachen konnte.
Und ab da wusste ich, warum er von uns gehen musste.
Gott brauchte seine Engel an seiner Seite.
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Socially Awkward. | Band 1 |✔
HumorCover by @LanaCharlott Robin ist ein Wrack, wenn es um soziale Kontakte geht. Sie hat keine Ahnung wie sie sich vor anderen benehmen soll und Small Talk ist ein ganz anderes Problem. Ihr Bruder Noah hat kein wirkliches Verständnis dafür. Als beliebt...