4: Das schlechte Gewissen

2.6K 122 1
                                    

Ich wusste nicht ob ich mit ihm zusammen sein wollte. Das war doch viel zu früh oder? Kennen tat ich ihn ja auch kaum beziehungsweise eigentlich gar nicht.

"Ich kenne dich doch kaum.", sagte ich zu meinen Händen.
"Wir müssen es ja nicht schnell angehen und keinem erzählen. Würdest du es denn versuchen wollen?" Ich merkte, dass er mich traurig ansah.

Meine Schuldgefühle wurden stärker. Die hatte ich immer, wenn es darum ging einen Jungen eine Abfuhr zu erteilen.

Klar kam es nicht oft vor, aber wenn es denn doch mal passierte war es um so stärker. Also tat ich etwas ohne nachzudenken...

"Ähh.. Ja, wir können es ja versuchen." , sagte ich zähneknirschend. Ich hatte mein ganzes Leben für andere gelebt oder im Untergrund, da machte dieses bisschen auch nichts mehr aus.

Er lächelt glücklich. War es ein Fehler ihm ein ja zu geben? Bestimmt, aber jetzt war es eh zu spät.

Er beugte sich zu mir, um mich zu küssen. Ich blieb einfach stocksteif sitzen. Seine Lippen berührten meine.

Komischerweise war es trotzdem auf irgendeiner Art und Weise schön. Langsam glitt seine Zunge in meinem Mund und unsere Zungen spielten langsam mit einander. Kribbeln taten seine Berührungen, so wie am Anfang, leider nicht mehr.

Nach einiger Zeit lösten wir uns voneinander. Ich schaute auf die Uhr und schreckte hoch, als ich merkte wie spät es schon war.

"Oh Gott. Es ist schon 19 Uhr. Ich muss spätestens um 20 Uhr zu Hause sein. Ich muss jetzt leider los.", sagte ich und hob meine Tasche, die ich anscheinend auf den Boden geschmissen hatte, auf. Vielleicht war sie auch runter gefallen?

"Ich bringe dich noch nach Hause.", sagte er und nahm meine Hand.

Zu Hause angekommenen dachte ich über den Tag nach. Hatte ich jetzt sowas wie einen Freund? Anscheinend schon.

Ich überlegte Jo zu schreiben, aber ich ließ es dann letztlich bleiben, da ich sie nicht mit meinen Problemen nerven wollte.

Schnell machte ich noch meine Hausaufgaben fertig. Zu lernen hatte ich keine Zeit mehr und hoffte daher nur, dass morgen kein unangekündigter Vokabeltest oder sonst was gemeines anstand.

Nach langem hin und her überlegen was morgen jetzt in der Schule abgehen würde, schlief ich letzten Endes doch noch ein.

Am nächsten Tag wartete Leo vor unserem Schulgebäude auf mich. So hatte ich mir das nun wirklich nicht vorgestellt. Hatten wir nicht gesagt wir lassen es langsam an gehen?

Vielleicht hätte ich doch nicht mit ihm zusammen kommen sollen. Wieso hatte ich mich bloß darauf eingelassen? Wieso dachte ich immer nur an die anderen und nicht an meine Gefühle?

Sein Lächeln war schon vom weiten zusehen. Jana die neben mir ging sah ihn und drehte sich zu mir um.

"Bist jetzt mit ihm zusammen? Oder wieso steht er da verliebt guckend vor der Schule und scharrt zu dir?" Ich beschloss diesen gemeinen Kommentar einfach zu ignorieren und ging zu Leo.

"Guten Morgen! Ich musste dich einfach vor dem Unterricht noch einmal sehen.", sagte er und umarmte mich nach meinem Empfinden einwenig zu fest.

Damit hatte ich nicht gerechnet. Was hatte ich mir da nur eingebrockt? Diese Suppe musste ich wohl oder übel aus löffeln.

"Äh... Süß von dir.", stotterte ich und hörte schon das tuscheln der anderen hinter meinem Rücken. Ich wollte doch einen guten Eindruck in dem neuen Umfeld hinterlassen. Das war aber gewaltig in die Hose gegangen. Mal wieder oder eher wie immer.

Ich ging mit ihm also nach oben zu unseren Klassenräumen. Natürlich starrten uns alle an, was mir äußerst unangenehm war. Zum Abschied umarmte er mich wieder und strich mir eine meiner Haarsträhnen hinter mein Ohr.

Er wäre ja ein perfekter Freund, aber nun mal nicht für mich. Oder redete ich mir das einfach nur ein? Ich wusste einfach nicht mehr wo oben und unten war.

Als ich in das Klassenzimmer rein ging starrten mich natürlich alle an. Jan pfiff laut und Anna kam auf mich zu.

"Bist du mit unserem Leo zusammen? Sag schon!", plapperte sie und alle Augen waren auf mich gerichtet.

Irgendwas musste ich ja erwidern, also zuckte ich kurz mit den Schultern und ging zu meinem Platz.

Diese Aufmerksamkeit war mir nicht geheuer. Im Mittelpunkt zu stehen war einfach nicht meins. Immer und immer wieder kamen Schuldgefühle hoch. So zusagen verarschte ich ihn.

Wieso verdammt noch mal hatte ich nicht einfach nein gesagt. So schwer war das ja nicht oder? N E I N. Vier Buchstaben...

Schwerer als ja, denn das waren ja nur zwei Buchstaben. Aber kam es darauf an? Nein, ich sponn einfach nur rum.

In diesem Moment kam der Lehrer rein. Ein Glück, denn Jan sah schon wieder so aus als hätte er sich einen fiesen Spruch überlegt.

Heute ging die Stunde viel zu schnell vorbei. Natürlich. Immer wenn ich mich auf eine langweilige und lange Stunde zum nachdenken sehnte kam der Lehrer mit coolem und witzigem Kram um die Ecke. Und sonst war es genau das Gegenteil. Das zeichnete die Schulzeit aus oder?

Natürlich hatte ich keine Ruhe als die Pause los ging. Fünf Mädchen sammelten sich an meinem Tisch bevor ich auch nur die Möglichkeit hatte meine Sachen zu packen und in eine gemütliche Ecke, wo mich niemand finden würde, abzuhauen.

"Also? Was sollte das Schulternzucken bedeuten?" Es war Anna, die diese Frage stellte. Wie hätte es anders sein sollen.

"Es war ein ganz normales Schulternzucken. Eines was genau das aussagen sollte.", sagte ich vielleicht ein wenig zu patzig, aber anders wusste ich mir in diesem Moment nicht zu helfen.

Wenn das Leben anders denkt||girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt