9: Die alte Hütte

2.1K 134 1
                                    

Ganz schön krass was sie erlebt hatte und ich dachte schon, dass mein Leben früher scheiße war. Langsam streichelte ich ihr über den Rücken und sie schluchzte herzergreifend, was mir irgendwie in der Herzgegend Schmerzen zufügte.

"Bitte erzähle das niemanden weiter. Ich will nicht, dass das sich in der Schule verbreitet.", sagte sie und guckte mich mit ihren traurigen Augen an.

Ich nickte stumm, denn ich konnte gerade darauf nichts erwidern. Zwar hatte ich das Gefühl etwas sagen zu müssen, aber ich ließ es bleiben.

"So genug mit dem Trübsal.", sagte sie, wischte sich die Tränen von den Wangen und sprang auf.

"Ich habe dir versprochen, dass ich den Tag zum guten wende werde. Dieses Versprechen will ich auch halten." Sie sah zwar noch einwenig traurig aus, aber wie grinste schon wieder.

Händchen haltend gingen wir durch den Park zu einer alten Hütte. Hier hatte mal ein alter Kauz gewohnt, der nicht ausziehen wollte. Seit dem er aber ins Altersheim gezogen ist, stand sie leer.

"So wir brechen da jetzt ein.", sagte Katarina und zog einen Dietrich aus der Tasche. "Sag mal spinnst du?! Das ist doch Hausfriedensbruch!", zischte ich ihr zu.

"Na und? Hier ist doch niemand. Wird schon keiner mitbekommen. Und wenn du Angst hast kannst du ja kurz Wache halten." Sie ging zur Tür und machte sich am Schloss zu schaffen.

Panisch suchte ich den Park mit meinen Blicken nach zum Beispiel Joggern oder alten Ehepaarem ab. Zu sehen war zum Glück niemand, aber das konnte sich ja auch schnell ändern.

Ich hörte ein jubelndes Geräusch hinter mir. Anscheinend hatte sie das Schloss schon geknackt.
Schnell rannte ich zu ihr und sie hielt mir die Tür auf.

"Hereinspaziert junge Dame.", sagte Katarina und ich betrat die alte Hütte. Es roch moderig nach altem Holz.

Sie stand plötzlich hinter mir und schloss die Tür mit meinem Knall.

"Ich finde es aufregend wo anders ein zusteigen.", flüsterte sie und strich mir mit einem ihrer langen Finger eine Strähne aus meinem Nacken. Sofort bekam ich eine Gänsehaut und in meinem Bauch kribbelte es wie verrückt.

"Das gibt mir immer den ganz besonderen Kick, weißt du?." Bei ihren Worten musste ich lächeln. Mir gefiel es, wenn ihr was gefiel und dieses knistern in der Luft lag.

"Lass uns nach oben und gucken ob wir auf dem Dachboden ein paar lustige Dinge finden.", sagte sie und rannte auch schon, wie ein kleines Kind, zu der alten und irgendwie maroden Treppe.

Ich stapfte hinterher und fühlte mich immer noch mulmig. Was wenn vielleicht einfach ein paar Verwandte etwas für den alten Mann abholen wollten? Oder er verstorben war und die Polizei oder wer auch immer eine Hausauflösung machte? Nicht nachdenken Sue, ermahnte ich mich.

Der Dachboden war zugestellt mit einem Haufen von Kartons und Katarina machte sich daran eine Kiste zu durchwühlen.

"Aha!", rief sie und zog ein Fotoalbum aus dem Karton. Sie setzte sich mit ihrem entdeckten Schatz auf dem Boden und ich gesellte mich dazu.

In dem Album war das übliche: Schwarzweiße Babyfotos, wahrscheinlich von dem alten Kauz. Noch ein paar aus seinen jungen Jahren. Doch dann sah ich etwas, was ich nie gedacht hätte.

"Er war mal verheiratet?", fragte ich erstaunt, denn ich konnte mir bei Gott nicht vorstellen, dass der eine Frau gehabt hatte.

"Klar. Sie ist nur leider sehr jung gestorben, bei einem Autounfall. Vielleicht ist er deswegen so verbittert." Das konnte natürlich möglich sein. Wenn ich meine große Liebe verlieren würde, würde ich bestimmt nicht viel anders reagieren. Oder vielleicht doch?

Katarina schmiss das Fotoalbum wieder in die Kiste und machte sich über eine neue der vielen her.

"Schau mal ein Hochzeitskleid!" Sie zog ein weißes Kleid aus einer der anderen Kisten. Es war einfach wunderschön. Es war mit weißer Spitze überzogen, oben eng und unten weit geschnitten.

"Ich glaube, das hat deine Größe. Zieh das doch mal an.", sagte sie und grinste mal wieder unglaublich frech.

Natürlich schüttelte ich sofort den Kopf. Ich sollte ein Kleid von einer toten Fremden anziehen? Und auch noch ein Hochzeitskleid?

"Das kannst du sowas von vergessen!", sagte ich und verkreuzte die Arme vor meiner Brust.

"Och komm schon! Du hast dann auch einen Wunsch frei.", sagte sie und gab ein Hundeblick zu ihrem besten. Den hatte sie super drauf und meine Nein-auf-keinen-Fall-Position geriet ins wackeln.

"Was für einen Wunsch denn?", fragte ich. "Alles was du willst!" Ich verdrehte die Augen und sie sprang auf.

"Ist das ein ja? Juhu!!!" Sie schrie fast schon. "Pscht! Sonst hört dich jemand.", sagte ich panisch und zog mir meine Schuhe aus.

Als ich gerade mein T-Shirt ausziehen wollte, merkte ich, wie Katarina mich anguckte.

"Ähh.. Könntest du bitte weg gucken?", fragte ich sie und wurde rot. "Ist es dir etwa peinlich, wenn ich dich in Unterwäsche sehe?", fragte sie ein wenig enttäuscht, oder bildete ich mir das nur ein?
Ich wurde noch röter und sie seufzte und drehte sich um.

Schnell zog ich mich aus und griff nach dem Kleid. Sie hatte recht es passte mir perfekt. "Kannst wieder gucken.", sagte ich.

Ihr fielen fast die Augen aus dem Kopf. "Wow! Du siehst ja schon so unfassbar hübsch aus, aber mit dem Kleid..." Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte, also guckte ich nur verlegen auf meine Hände.

Plötzlich stand sie vor mir und strich mir eine blonde Strähne hinter mein Ohr.

"Glaub mir du bist einfach unfassbar hübsch." Mit diesen Worten kam ihr Mund gefährlich nah an meinen.

Wenn das Leben anders denkt||girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt