Mühsam schlug Alex die Augen auf. Sie fror erbärmlich. Ihr Entführer war schon länger nicht mehr da gewesen, sie hatte keine Decke und es wurde immer kälter. Ihr Zeitgefühl war total hinüber. Sie konnte nicht abschätzen, ob es bereits mitten in der Nacht war oder der Abenderst anfing. Ihr Bauch tat ihr weh, sobald sie sich ein wenig bewegte und ihr Verstand schien nicht mehr arbeiten zu wollen. „Wo sind sie nur?" Alex stellte sich diese Frage nun schon zum hundertsten Mal. Sie hatte bereits aufgegeben, sich befreien, denn Ihre Handgelenke waren bereits aufgescheuert. Erkannt hatte sie den Entführer auch nicht wirklich, der Kerl hatte sein Gesicht immer im Schatten gehalten und ihre Augen waren zu sehr an die Dunkelheit gewöhnt. Einzig seine Silhouette konnte sie erkennen. Schulterlanges Haar, das etwas vom Kopf weg stand und eine schmächtige Figur, jedoch hatte der Mann auch muskulöse Oberarme. Die Kommissarin war sich aber sicher, dass ihr Entführer nicht alleine war. Er musste einen Komplizen haben, denn als Alex früh am Morgenerwacht war, hatte sie einen Streit mit angehört. Die lauten Stimmen der Streitenden hatten sie schlussendlich geweckt. Sie wünschte sich immer noch eine Möglichkeit, mit ihren Kollegen kommunizieren zu können. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass Alex gekidnappt wurde. Inzwischen hatte sie eine leichte Gelassenheit entwickelt, da sie immer eine Chance auf Rettung gehabt oder eine Möglichkeit gesehen hatte, wie sie Ihren Kollegen Hinweise auf ihren Aufenthaltsort geben konnte. Doch diesmal hatte sie kein Handy, das geortet werden könnte, der Zeuge war angefahren worden und sie wusste nicht, ob er überhaupt noch lebte. Und sie lag gefesselt in einem Keller ohne die Möglichkeit, sich zu befreien. Irgendwo erklang die Sirene eines Polizeiautos. Alex spitzte die Ohren und betete inbrünstig, denn sie erwartete irgendwie ihre Kollegen. Doch das Martinshorn wurde immer leiser, bis das Geräusch bald nicht mehr zu hören war. Die Polizistin resignierte innerlich und starrte erneut an die Decke.
Gerrit traf derweil im K11 ein, bugsierte die Pizza aus dem Aufzug und öffnete die Tür zum Büro. „Na endlich!" und „Wurde aber auch Zeit, Kollege!" schallte es ihm entgegen. Robert und Michael saßen an Alex Schreibtisch und blickten erwartungsvoll zur Tür. Gerrit war leicht genervt, dass seine Kollegen ihm nicht die Pizza abnahmen, denn nun musste er mit dem Fuß versuchen, die Türe hinter sich zu schließen. Diese knallte zu und seine beiden Kollegen zuckten zusammen. „Was ist denn dir über die Leber gelaufen, Gerrit?", fragte Robert misstrauisch. „Anstatt blöd zu quatschen könntet Ihr mir ja mal das Essen abnehmen. Ich habe euch nämlich was zu erzählen.", knurrte Gerrit, während er die Pizzakartons auf dem Schreibtisch abstellte. Sodann machte er sich mit seiner Salamipizza zum Sofa auf und begann zu Essen. Als Gerrit seine Pizza fertig hatte, schilderte er den Kollegen, was ihm vorhin passiert war. Michael fragte zwischen zwei Bissen: „Und du meinst, der Bauunternehmer weiß wo seine Tochter ist? Was ist denn, wenn der sich einfach um das Kind der Freundin kümmert? Ich mein, wieso sollte er seine eigene Tochter entführen??". Gerrit legte derweil wieder das Video ein, das sie von dem Besitzer der Videothek bekommen hatten. Man sah erneut, wie der Verdächtige Schultze das Kind vor dem Haus ablieferte und fort fuhr. Der Mann, der das Kind schlussendlich entführte ließ sich Zeit und schien keine Eile zu haben. Er wirkte tiefenentspannt, als könnte ihm niemand etwas tun. Die Kommissare sahen das Video an, bis Michael eine Vermutung aufstellte: „Was wäre, wenn der Bruder der Freundin das Kind damals entführt hatte? Vielleicht hat ihn der Vater angestiftet, dass er das Kind alleine aufziehen kann? Scheinbar hatte er ja schon länger vor, sich von seiner Frau zu trennen. Und wenn der Bruder der Freundin da mit drin steckt, würde das auch erklären, warum er mich so schnell aus der Wohnung haben wollte. Oder der Bruder hat das Kind entführt, weil seine Schwester ein Kind wollte? Aber auch das müsste der Vater wissen, oder nicht?" „Mein Gefühl sagt mir, dass der Vater der Drahtzieher ist.", meinte Gerrit und schaltete das Video aus. Robert nickte und schlug vor: „Heute können wir ihm leider nichts mehr. Wir sollten heim gehen und morgen früh werden Michael und ich dem Bruder noch einen Besuch abstatten. Wir müssen endlich herausfinden, was los ist und wo die Kerle Alex verstecken." Michael stimmte ihm zu, Gerrit murmelte jedoch noch, dass er noch etwas im Büro bliebe und recherchierte. Seine beiden Kollegen verabschiedeten sich von ihm und er blieb alleine am Schreibtisch sitzen. Gerrit hatte einen Verdacht und den wollte er noch bestätigt wissen. Er öffnete also das interne Suchprogramm und gab den Namen ein. Als er alle möglichen Daten gesammelt hatte, öffnete er die Internetsuchmaschine, um die passenden Zeitungsartikel zu bekommen. Es kamen 16 Artikel von verschiedenen Zeitungen und während er noch den elften Bericht las, fielen ihm die Augen zu und sein Kopf sank auf den Schreibtisch.
Alex erwachte schweißgebadet in ihrem Gefängnis. Tränen liefen Ihr das Gesicht herunter. Sie hatte einen schrecklichen Albtraum gehabt: Gerrit hatte versucht sie zu befreien und war in einem Schusswechsel nahe am Herzen erwischt worden. Ihre Entführer waren geflüchtet und hatten sie und Gerrit alleine in dem Gebäude zurück gelassen. Alex war neben ihm gesessen, hatte verzweifelt seinen blauen Lieblingsschal auf die Wunde gedrückt und ihm zugesprochen. Sie würden es schaffen. Er würde weiterleben und sie würde auf ihn aufpassen. Anfangs hatte ihr Kollege sie noch angelächelt und ihr vorsichtig mit der Hand über die Wange gestrichen. Sie war in seinen stahlblauen Augen versunken, hatte sich geborgen und zuversichtlich gefühlt, doch irgendwann war etwas aus Gerrits Augen gewichen und sein Lächeln war erstarrt. Erschrocken schüttelte sie ihn, flehte ihn an, mit ihr zu reden, doch ihr Freund rührte sich nicht mehr und seine Augen starrten an ihr vorbei. Zitternd hatte sie ihre Finger an seinen Hals gelegt, nur um festzustellen, dass er keinen Puls mehr hatte. Dann brachen die Emotionen aus ihr hervor und sie weinte hemmungslos, betrauerte ihren Verlust und verfluchte ihre Entführer. Sie sah seine Waffe am Boden liegen und fasste einen Entschluss. Dann wurde hinter ihr die Tür erneut aufgestoßen und in diesem Moment war Alex aufgewacht. Sie zitterte am ganzen Körper und bemerkte die eingetrockneten Tränen auf ihren Wangen. Ihr Herz schien aus ihrer Brust springen zu wollen und sie versuchte sich einzureden, dass es nur ein Traum war. Denn sie war immer noch gefesselt und niemand war in ihrer Nähe. Allein der Gedanke daran, dass einer ihrer Kollegen sterben sollte, war unerträglich. Und wenn Gerrit nun doch wegen ihr sterben würde? Er war bestimmt verzweifelt auf der Suche nach ihr. Sie konnte ihn vor sich sehen, wie er alle im K11 anschnauzte, weil sie ihm zu langsam arbeiteten. Vor ein paar Jahren war Robert entführt worden und sie wussten ihn in den Händen eines ruchlosen Verbrechers. Damals hatte Gerrit sich selbst in Gefahr gebracht, aber es war ihm egal gewesen, solange sie Robert wohlbehalten wieder hatten. Würde er sich wegen ihr ebenfalls ohne Rücksicht auf Verluste in Gefahr begeben? Sie war sich fast sicher, dass er nichts unversucht ließ. Ihre Kollegen brauchten einfach noch etwas Zeit. Alex ermutigte sich selbst zum Durchhalten. Doch in dem Moment hörte sie schon wieder Schritte. Schnell versuchte Alex, die Tränen an ihren Ärmeln zu trocknen, denn sie wollte ihrem Peiniger nicht eine einzige Gelegenheit geben zu sehen, wie sehr ihr die Gefangenschaft zusetzte. Als die Tür aufgestoßen wurde, hatte Alex einen teilnahmslosen Blick aufgesetzt und machte vorsichtshalber die Augen zu, um vielleicht dieses eine Mal einen Blick auf ihren Entführer werfen zu können. Sie hörte wie die Schritte näher kamen aber sie öffnete die Augen erst, als der Kerl das Sprechen anfing: „Guten Morgen, kleine Polizistin. Du wirst doch nicht etwa weinen, oder? Keine Angst. Bald hast du es hinter dir. Komm, lies dir den Bericht durch. Damit du weißt, wie der Stand der Dinge ist." Er legte ihr die Zeitung auf den Schoß und sie begann zu lesen:
POLIZEI TAPPT IM DUNKELN
Zwei Tage sind seit der Entführung einer Polizistin der Abteilung K11 vergangen und die Polizei hat keinerlei Anhaltspunkte. Michael Naseband, Kollege der Entführten wird zitiert: „Wir lassen nichts unversucht, das Verbrechen aufzuklären und unsere Kollegin zu finden." Doch bislang scheint es aussichtslos. Das Ultimatum, das den Kommissaren gestellt wurde, endet heute Abend mit einem großen Knall, wie es ein Insider beschreibt, der das Erpresserschreiben gesehen hat. Polizist Grass hatte den einzigen Zeugen überfahren und ins Krankenhaus gebracht (wir berichteten) sodass die Suche erschwert wurde. Der Kommissar war nicht zu einem Interview bereit. Es bleibt zu hoffen, dass die weiteren Bemühungen unserer Polizei bald von Erfolg gekrönt sein werden.‹
Alex musste schlucken. Also hatten die Kollegen keinen Hinweis, wo sie sich befand. Ihr Entführer strich ihr noch einmal über die Wange und verabschiedete sich: „Ade, kleine Polizistin. Hoffentlich erwartet dich in der Hölle ein schöneres Leben.", dann schlug er lachend die Tür hinter sich zu und ließ Alex mit der Zeitung und der Dunkelheit alleine.
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Angst [K11 - Kommissare im Einsatz]
FanficK11 Fanstory Alex wird entführt. Ihren Kollegen bleiben nur 36 Stunden, bevor es zu spät ist... ________________________________________ Reviews, Tipps und Meinungen sind sehr erwünscht! Danke fürs mitlesen! :)