Kapitel 3 - Ra(s)tlos

557 20 2
                                    

Früh am nächsten Morgen wachten die beiden jungen Kommissare auf und nach einem Kaffee fuhren sie zur Dienststelle. Weder Gerrit noch Robert waren überrascht, dass Michael bereits im Büro auf sie wartete. Er war aufgeregt und total ungeduldig: „Jungs, wir haben ein Schreiben des Entführers erhalten. Es geht um Alex." Und er las seinen Kollegen den Brief vor:

"Standhaft wie ein Baum, der Umriss verwischt,

Gerächt werd ich sein, wenn Leben erlischt.

Gefühlvoll gezündet, lass alles regnen,

was ihr vermisst wird euch nicht mehr begegnen.

Die Mauer schwankt und zieht dahin,

das war's mit der Kollegin,

Urteil und Gefängnis hat mich zwar sehr gekränkt,

doch seien euch 36 Stunden geschenkt."

Schweigend standen die Kommissare im Büro. Gerrit ergriff als erster das Wort: „36 Stunden um Alex zu finden. So wie es sich anhört, sitzt sie auf einer Bombe. Wann kam das Rätsel?" Michael schien eigenen Gedanken nachzuhängen, deshalb antwortete er nur mit Verzögerung: „Gegen 8 Uhr. Also sind es nur noch 34 Stunden." Robert fing an zu sprechen: „Wir sollten uns jetzt.."  In diesem Moment schellte Gerrits Handy, daher konnte er seinem Kollegen nicht mehr zuhören: „Grass? – Ah Doktor Friedrich! Er ist wach? Super, dann kommen wir zur Befragung vorbei. Danke Ihnen. Auf Wiederhören."  Gerrit wandte seine Aufmerksamkeit nun seinen Kollegen zu, die in einer Diskussion verstrickt waren. Robert sagte gerade: „Wir sollten den Bereich in der Gegend absuchen, wo Alex verschwunden ist, dort müssen sich Hinweise oder Zeugen finden, die Aufschluss geben, was passiert ist!" - „Robert, Mensch! Wir müssen zu allererst den freigelassenen Schultze finden und in Gewahrsam nehmen. Immerhin ist er Tatverdächtiger Nummer eins. Er war im Gefängnis, sonst ja keiner. Also gehen wir zu Ihm!" Gerrit unterbrach die beiden Kollegen: „ Das Krankenhaus hat angerufen. Der Verletzte ist wach geworden, wir können ihn jetzt befragen." Er deutete Robert, mitzukommen und die beiden verschwanden mit einem „Tschüß." an Michael aus dem Büro. Gerrit war sehr angespannt, daher schlug Robert vor, dass er fahren könnte. Also erhielt der Kollege die Autoschlüssel und Gerrit starrte aus dem Fenster in die Luft. Fiebernd überlegte er seine weiteren Schritte, sie konnten ein Phantombild erstellen, vielleicht hatte der Mann sogar den Aufenthaltsort von Alex mitbekommen! Sobald das Auto auf dem Parkplatz stand, hatte Gerrit die Tür aufgerissen und war schon mit langen Schritten unterwegs zum Schwesternzimmer. Auf halbem Weg holte ihn ein atemloser Robert ein. Nachdem sich die Kommissare nach dem aktuellen Zimmer des Herrn erkundigt hatten, konnten sie gemeinsam den Raum betreten. Der Obdachlose war wach und schien sich bester Gesundheit zu erfreuen. Doch als Robert und Gerrit an das Bett traten, sahen sie, dass die rechte Gesichtshälfte zugeschwollen und der Arm im Gips war. Der Verletzte strahlte die Polizisten an und so begann Gerrit seine Befragung: „Können Sie uns bitte genau erzählen, was gestern passiert ist?" Rühlke nickte und begann die Geschehnisse zu erläutern. Bei der Erwähnung des Stocks, den der Angreifer Alex gegen den Kopf geschlagen hatte, ballte Gerrit wütend die Fäuste. Trotzdem hörte er dem Verletzten weiter zu. Als er damit geendet hatte, dass er vor ein Auto gelaufen war, hatten beide Kommissare ernste Mienen aufgesetzt. Robert fragte nach dem Aussehen des Unbekannten und Rühlke beschrieb ihn: Kurze braune Haare, Kapuzenpullover in dunkelblau oder schwarz, die Ärmel waren hochgekrempelt gewesen, darum hatte er einen Rosenkranz erkennen können.

Vom Gesicht hatte er nicht viel gesehen, nur die Nase war ihm markant vorgekommen. Er versprach, mit dem Kollegen der Kommissare ein  Phantombild zu erstellen; Gerrit wollte noch weitere Fragen stellen, doch die Krankenschwester war hereingekommen, hatte einen Blick auf die Monitore geworfen und beide Polizisten rigoros aus dem Raum geworfen. Die beiden Kommissare machten sich zum Auto auf, als Gerrit einen Anruf von Michael erhielt: „Gerrit, schaut mal bei unserem Hauptverdächtigen vorbei und holt ihn zur Befragung ins K11.Ich bin schon unterwegs zur Familie der Vermissten um ihnen von dem mutmaßlichen Auftauchen ihrer Tochter zu erzählen." „Geht klar, Michi. Sind unterwegs. Pass auf dich auf." Gab Gerrit zurück und gab derweil die Adresse von Albert Schultze in das Navi ein. Während der ältere Kollege das Gespräch beendete, war Robert schon losgefahren. Beide unterhielten sich über die Befragung: „Meinst du der hat wirklich das Mädchen gesehen? Oder war das ein Trick von Alex' Entführer? Vielleicht arbeitet er mit dem zusammen?" – „...und lässt sich dafür anfahren? Der Kerl hätte dabei sterben können, Robert. Das glaube ich nicht. Unser Verdächtiger scheint mir nicht der Beschreibung zu entsprechen. Lass uns hören, was er selber dazu sagt." Damit beendete Gerrit das Gespräch.

Derweil fuhr Michael schon zu der Meldeadresse der Familie. Als er klingelte, machte ihm eine Frau auf. „Frau Mahrn, vermute ich?" die Frau nickte leicht. „Mein Name ist Michael Naseband vom K11. Ich habe einige Fragen an Sie und Ihren Mann." – Er bekam eine kühle Antwort zurück: „Ich habe keinen Mann mehr. Nur noch einen Ex. Aber bitte kommen Sie rein." Michael folgte ihr in das kühle Haus und blickte sich in Polizeimanier verstohlen um. Die Dame nahm auf dem Sofa Platz und deutete auf den Platz neben sich, wo sich der Kommissar auch gleich hinsetzte. Er bemerkte, dass Frau Mahrn etwas gestresst schien und befragte sie daher sehr aufmerksam. Als sie ihm erzählte, dass sie gestern das Bild in der Zeitung gesehen hatte, drang er etwas genauer in sie. Er erfuhr, dass sie deswegen so aufgewühlt war, weil ihr Mann sie nach dem Erscheinen des Zeitungsartikels sofort angerufen und beschimpft hatte, warum sie die Sache nicht auf sich ruhen lassen konnte. Michael wurde hellhörig. „Dann haben Sie normalerweise gar keinen Kontakt zu Ihrem Exmann?" – „Nein, er hat mich einen Tag nach ihrem Verschwinden verlassen, als hätte er nur auf eine Gelegenheit gewartet, sich zu trennen. Und das gerade in dieser schweren Zeit." Michael lag es schon auf der Zunge, den Mann offen im Bezug auf die Entführung zu verdächtigen, doch er riss sich zusammen. „Frau Mahrn, kennen Sie den aktuellen Wohnort Ihres Exmannes?" Kaum hatte er die Adresse, bedankte und verabschiedete er sich von der Dame, dann fuhr er zu ihrem Exmann.



Angst [K11 - Kommissare im Einsatz]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt