Kapitel 5 - Erste Spuren?

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Die beiden jungen Kommissare saßen sich noch eine Weile schweigend gegenüber, bevor Robert die Stille durchbrach: „Schöner Mist. Das hat uns wirklich nicht weiter gebracht. Aber er kommt mir glaubwürdig vor." Gerrit blätterte durch die Akte: „Ja, er hat auch genau das gesagt, was er bereits in der Verhandlung damals erzählt hat. Er kam mir schon sehr irritiert vor und ich glaube nicht, dass diese Emotion nur Schauspielerei war. Vielleicht sollten wir uns mal mit dem Vater über das Schlagen unterhalten, der ist ja damals nicht wirklich gesprächig gewesen." Als Robert schon zur Tür ging, klingelte sein Handy, Michael war dran. Fragend blickte Gerrit seinen Kollegen an, doch der blieb einfach stehen und hörte zu. „Mhm. Ja. Okay das machen wir, Michi. Bis dann!" Dann wandte er sich an Gerrit: „Michael fährt bereits zu dem Vater der Vermissten . Wir sollen in die KTU gehen, die haben dort bereits neue Ergebnisse vom Entführungsort." Gerrit nickte, schnappte sich seine Jacke und die beiden machten sich auf zur kriminaltechnischen Untersuchung.

Michael fuhr noch während seines Anrufs in derStraße des Ex-Mannes ein. Schnell suchte er sich einen Parkplatz undbeobachtete im Auto sitzend erst einmal seine Umgebung, denn es war inzwischenwarm geworden und die Klimaanlage kühlte sein Auto so schön. Die Meldeadressedes Herrn Mahrn war eine Partei im dritten Stock eines großen Wohnkomplexes.Ein kleiner Laden an der Ecke verkaufte Gemischtwaren und ein Kinderspielplatzbefand sich auf der anderen Straßenseite. Michael blickte rüber zu denspielenden Kindern und suchte aus Routine nach dem vermissten Mädchen, doch erkonnte keine Ähnlichkeiten erkennen. Eine kleinere Frau erregte seineAufmerksamkeit: kurze blonde Haare und eine Jacke, die der von Alex zumVerwechseln ähnlich sah. Schnell schwang sich Michael aus seinem Auto und gingschnell zum Spielplatz hinüber, gerade noch ohne zu rennen. Vorsichtig, umgegen keines der spielenden Kinder zu stoßen, ging der Kommissar zu den Bänkenhinüber, auf denen die Mütter saßen. Als er näher kam, sah er jedoch, dass dieDame, die er für Alex gehalten hatte, um viele Jahre älter war als er und dieJacke ein ganz anderes Muster hatte. Um nicht ganz umsonst dort gewesen zusein, zog er das Bild der vermissten Elisa heraus und zeigte es den Anwesenden.Doch keine der Frauen hatte das Mädchen gesehen, also verabschiedete er sichund ging dann zur Wohnung desVerdächtigen. Im Haus angekommen sah er, dass es keinen Aufzug gab und er dieTreppen nehmen musste. Oben angekommen stellte er zu seinem Missfallen fest,dass er doch ganz schön schnaufen musste. Das war Michael gar nicht recht, dennauch wenn er der älteste der vier K11-Kollegen war, hatte er immer noch denAnspruch genauso fit zu sein wie die anderen. Grimmig nahm er sich vor, wiedermehr Sport zu machen, wenn sie Alex endlich gefunden hatten. In der Wohnunghingegen schien alles ruhig und auch nach dem dritten Klingeln machte keinerauf. Michael wollte resigniert die Treppen wieder hinunter gehen, als gegenüberdie Tür aufging und ein etwas älterer Herr herauskam. Dieser schien keineswegsüberrascht, jemanden im Gang stehen zu sehen sondern fing gleich an zusprechen: „Wenn Sie den Herrn gegenüber suchen, der musste noch einmal in dieArbeit. War wohl etwas Dringendes." Michael befragte den Nachbarn gleich zuHerrn Mahrn: „Guten Tag, mein Name ist Naseband. Sagen Sie, Herr...?" - „Vogelmein Name, Herr Naseband." - „HerrVogel, ist denn ihr Nachbar häufiger wegen dringlicher Sachen nachmittags inder Arbeit? Und wenn ja wann arbeitet er denn normalerweise?" Herr Vogel musstekurz überlegen, legte sich jedoch schnell fest: „Herr Mahrn ist seit etwa knappzwei Jahren abends öfter weg. Er geht um 8 Uhr hier weg und kommt meistens amNachmittag um 4 Uhr wieder her. Abends verlässt er so um 20 Uhr seine Wohnung und kommt meist kurz vor Mitternacht wieder. Ich schätze er hat eine neue Bekannte.", lächelte der alte Mann. „Verdient hätte er es ja. Was er so erzählt hat von seiner vorigen Ehe, das war wohl nicht so das Gelbe vom Ei." Nachdenklich nickte Michael nur und überlegte, was er mit dieser Information anfangen sollte. Als sein Handy klingelte, verabschiedete sich der Kommissar schnell vom Nachbarn und lief gemächlich die Treppe hinunter. Am Telefon meldete sich bereits Robert: „Hey Michael, wir waren gerade in der KTU, du wirst es nicht glauben! Sie haben neben Alex' Blutspur die DNA des verschwundenen Mädchens feststellen können. Wir können jetzt also mit Sicherheit davon ausgehen, dass Alex Entführer auch an der Entführung des Mädchens beteiligt, wenn nicht sogar selbst Täter war. Aber Gerrit und ich sind uns einig, dass Schultze nicht der Täter sein kann." Michael war halb erfreut, halb genervt: „Ja, jetzt müssten wir nur unseren Hauptverdächtigen erst einmal festlegen. Momentan haben wir ja niemanden, unser fälschlich Eingebuchteter ist ja raus, so wie ihr das sagt. Ich brauche jetzt die Arbeitsadresse unseres Herrn Mahrn. Der ist zu Hause nämlich nicht aufzufinden." Während Michael sich ins Auto setzte, gab ihm Robert schnell die gesuchte Straße durch. Michael bedankte sich bei seinen Kollegen, beendete das Gespräch und machte sich in den Münchner Süden auf.

Derweil hatte Alex von ihrem Entführer etwas zu essen bekommen. Mit beinahe diebischem Vergnügen hatte er sie mit Suppe gefüttert. Sie war noch nie so erniedrigt worden: Der Kerl hatte den Löffel vollgemacht und in Ihr vor das Gesicht gehalten. Doch als Alex Anstalten gemacht hatte, die Suppe in den Mund zu nehmen, hatte er den Löffel immer ein kleines Stückchen weiter von ihr weggehalten, so dass sie sich immer weiter vorbeugen musste. Alex hatte sich für die Arbeit für ein Polohemd mit etwas mehr Ausschnitt entschieden – was sie jetzt definitiv mehr als bereute. Denn der Kerl hatte sie eindeutig lüstern angesehen und sich einen Spaß draus gemacht sie sich, soweit es ihr mit den Fesseln möglich war, nach vorne beugen zu lassen und sie so weiter zu erniedrigen. Nach einiger Zeit war es Alex zu bunt geworden und sie beschloss, lieber nichts mehr zu essen, als so etwas mit sich machen zu lassen. Doch das hatte ihrem Entführer gar nicht gefallen, er war sauer geworden: er hatte sie nach hinten gedrückt und kurzerhand die heiße Suppe auf ihrem Bauch abgestellt. Das hatte ihr ganz schön weh getan und sie hatte laut schreien wollen, doch der Fiesling hatte ihr den Mund zugehalten. Also hatte sie versucht, sich durch strampeln zu befreien - erneut ein riesiger Fehler, denn die Suppe schwappte über den Rand der Schüssel und verbrühte Alex sofort den Bauch und eine Seite des Arms. Tränen stiegen ihr in die Augen und sie wollte erneut schreien. Wütend ob ihrer Tränen schloss die Kommissarin die Augen und zwang sich ein Fantasiebild vor die Augen: Sie und Gerrit zusammen in der Türkei, die Sonne hatte ihren Bauch verbrannt und ihr Kollege neckte sie deswegen. Das half ihr, den Schmerz auszublenden und so flüchtete Alex sich in die Traumwelt, in der die Welt noch in Ordnung war. Sie merkte nicht, dass ihr Entführer die Schüssel nahm und immer noch laut lachend den Raum verließ.

Angst [K11 - Kommissare im Einsatz]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt