Kapitel 18 - Das Leben geht weiter

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Im Kommissariat saß Michael lethargisch am Schreibtisch und tippte an seinem Bericht. Er hatte bereits drei Mal neu angefangen. Irgendwie wollte er die Geschehnisse nicht zu Papier bringen, das machte es zu real und er wollte sich möglichst weit von der Realität entfernen. Nur leider klappte das nicht. Michael und Robert hatten im Büro geschlafen, keiner der beiden wollte alleine zu Hause schlafen. So waren sie erst aufgewacht, als der Staatsanwalt im K11 vorbei gekommen war und Robert und ihm sein Beileid ausgesprochen hatte. Er hatte darauf bestanden sofort Marius B. mit zu verhören, was sie dann auch getan hatten. Böhmer hatte wohlweislich geschwiegen und nur gegrinst. Robert war ziemlich laut geworden, woraufhin Herr Kirkitadse ihm gegenüber autoritär und sauer aufgebraust war und ihm befohlen hatte, nach Hause zu gehen. Das hatte Robert dann auch getan, jedoch nicht ohne wie ein beleidigtes Kind die Tür des Vernehmungszimmers mit lautem Knall zu zuschlagen. Und trotzdem konnte Michael ihn gut verstehen. Robert war noch jung und hatte gleich zwei Kollegen verloren, Michael war sich sicher, dass das seinem jungen Freund noch nicht häufig passiert war. Der glatzköpfige Kommissar seufzte laut und löschte die Word-Datei erneut. Seine Gedanken kreisten um Alex und Gerrit. Er hatte das Gefühl, dass er Ferdinand Mahrn finden und stellen musste. Doch leider hatte er keine Ahnung wie. Olivia Böhmer hatten sie inzwischen wieder gehen lassen, doch genau sie wollte er noch einmal besuchen. Also stand er vom Schreibtisch auf, holte seine Sachen und fuhr zu ihrer Wohnung.

Robert war nach Hause gegangen. Auf Umwegen und so langsam wie nur irgend möglich, war er durch Münchens Straßen geschlurft, die Gedanken immer bei seinen Kollegen. Robert standen die Tränen in den Augen, während er so durch die Straße hatschte. Sein Handy hatte er ausgeschaltet, die Anrufe von Michael weggedrückt. Zu Hause angekommen hatte er sich zuerst auf sein Bett geworfen und die bitteren Tränen vergossen, die er seit gestern zurückgehalten hatte. Wie lange er dort auf dem Bett lag, wusste er nicht, aber als er schließlich die Kraft fand aufzustehen, war ihm schwindlig. Vorsichtig tapste er in die Küche und organisierte sich ein Glas Wasser. Robert hätte liebend gern ein Glas oder besser ein ganzes Fass Bier getrunken, doch er hatte keines da. Also beschloss er, in seine Lieblingskneipe zu gehen, in der er häufiger alleine versumpfte – es war ihm ziemlich egal, dass es gerade einmal 13 Uhr war. Schließlich hatte der Staatsanwalt ihm quasi frei gegeben, dachte sich Robert in einem Anflug von Wahnwitz. Sein Handy ließ er auf seinem Tisch liegen, schnappte sich seine Jacke und schlug die Haustür hinter sich zu.

Michael war derweil in der Sonnenstraße angekommen und klingelte an der Haustüre der Verdächtigen. Olivia Böhmer öffnete vorsichtig die Tür und erschrak, als sie den Mann vor sich sah, denn der Kommissar sah wahrlich schrecklich aus. Wie ein alter Mann stand Kommissar Naseband vor ihrer Tür, die Wangen eingefallen und kein leuchten mehr in den Augen. Schnell bat sie ihn hinein und kochte einen Tee. Das hatte ihre Mutter ihr beigebracht für Menschen, denen es nicht gut geht zuerst einmal einen Tee kochen. Michael saß derweil am Sofa und versuchte, die richtigen Worte zu finden. Als Olivia Böhmer mit der dampfenden Tasse herein kam, hatte er immer noch keine Ahnung, wie er anfangen sollte, darum schwieg er. Die Hausherrin brach zuerst das Schweigen: „Es ist jemand gestorben, nicht? Mein Bruder hat jemanden umgebracht, das sehe ich Ihnen an, Herr Naseband." Michael konnte nur nicken und musste sich mehrmals räuspern, bis er seine Stimme wieder fand: „Meine Kollegin war in einem Gebäude, das Ihr Freund abreißen lassen hat, gefangen gehalten worden. Ihr Bruder hat unsere letzte Chance die Sprengung zu verhindern aber zerstört. Meine Kollegin und der Kollege sind beim Einsturz des Gebäudes noch darin gewesen. Haben Sie irgendeine Idee, weshalb ihr Bruder das tun würde? Gibt es da irgendeinen Hintergrund?" Frau Böhmer schien ziemlich geschockt: „Wie? Er hat also wirklich jemanden auf dem Gewissen? Sogar zwei Menschen? Oh nein!", dann schlug sie die Hand vor den Mund und Tränen traten ihr in die Augen. Michael drängte sie nun zu einer Antwort: „Frau Böhmer, es ist wirklich unglaublich wichtig! Bitte sagen Sie mir, weshalb ihr Bruder und ihr Freund so etwas tun würden?!" Mit zitternder Stimme begann Olivia Böhmer zu sprechen: „Ferdinand hatte einen besten Freund damals, mit ihm hat er alles gemacht und er wollte auch mit ihm die Baufirma eröffnen. Doch sein Freund wurde ermordet, er war mit Schlaftabletten in den Fluss geworfen worden und elendig ertrunken. Die Kommissare damals waren aus dem K11 und ich glaube Ihre Kollegin war auch dabei. Sie hatten den Fall als Selbstmord abgeschlossen, doch Ferdinand hatte herausgefunden, dass Herr Müller, der ebenfalls in der Baubranche arbeitete und Ferdinand in seine Firma mit aufnehmen wollte, hinter dem Mord steckte. Doch die Polizisten des K11 haben ihm einfach nicht geglaubt. Deswegen mochte er Sie nicht so sehr...ob er Sie jedoch so sehr hasste, dass er so etwas einfädeln würde und jemanden umbringen könnte? Das weiß ich nicht. Ich könnte es mir aber leider bei meinem Bruder vorstellen...er hatte schon immer Aggressionsprobleme, die er bis heute nicht in den Griff bekommen hat." Michael schwieg eine ganze Weile und sprach dann die Frage aller Fragen aus: „Frau Böhmer würden Sie uns helfen die Wahrheit herauszufinden?" Olivia Böhmer sah den verzweifelten Blick des Kommissars und hatte sehr großes Mitleid mit ihm. „Natürlich helfe ich Ihnen, Herr Naseband, das ist das mindeste, was ich tun kann. Wie genau kann ich Ihnen helfen?" und Michael sagte es ihr.

Robert war inzwischen in seiner Kneipe und schon beim dritten Schnaps und fünften Bier angekommen. Es ging ihm schon fast gut, jedoch war er von der Bar zu einem Tisch gewechselt, da er bereits leicht schwankte. Er unterhielt sich angeregt mit einem anderen Gast über Fußball. Ein lächerliches Thema angesichts der Ereignisse, doch irgendwie beruhigte es ihn.

Viele Kilometer weiter in völliger Dunkelheit erwachte Gerrit Grass mit schmerzendem Körper.

Angst [K11 - Kommissare im Einsatz]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt