Bloody Mary

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Der Wecker schrillte und riss mich aus dieser Erinnerung. Oft hatte ich versucht sie zu verdrängen aber es ging nicht. Langsam zog ich mich an und schlurfte nach unten in die Küche. Lucy hatte mir ein Teller mit Eier und Speck hergerichtet, Konrad las die Zeitung, wie er es jeden Morgen tat. Auf der Titelseite war das Datum angegeben: 31. 11. Es war Halloween. Ich hasste Halloween. Meine große Schwester hatte an diesem Tag immer gefeiert und Freundinnen eingeladen. Oft haben sie dann Gruselgeschichten erzählt und einmal, nur einmal haben sie das bekannte Spiel gespielt: Bloody Mary. Ein weiterer Fehler, denn ein Mitglied meiner Familie getan hat. Ich rührte in meinem Kakao, da er noch ein wenig zu heiß war. Konrad sah mich mit stechenden Blicken an, genau wie Mary es tat, als sie im Spiegel auftauchte und meine Schwester...
„Trinkst du jetzt bitte deinen Kakao!?"
Ich zuckte zusammen, als Konrad diese Worte schrie. Leicht nickte ich und trank aus der Tasse. Zwar verbrannte ich mir die Zunge bis zum geht nicht mehr, aber das ließ ich mir nicht ansehen.
„Bitte schrei sie nicht so an, sie kann nichts dafür." meinte Lucy und legte mir die Schultasche neben den Tisch.
Ich stand auf, als ich fertig war, nahm meine Tasche und verabschiedete ich mich. Als ich durch die Straßen zur Schule ging, fiel mir diese Pyjamaparty meiner Schwester wieder ein. Es war nur ein paar Monate nach dem Tod von meiner kleinen Schwester Sahra. Trotz dass meine Eltern ziemlich fertig mit den Nerven waren, hatten sie meiner älteren Schwester Tascha erlaubt, ihre Party zu feiern. Ich saß alleine in meinem Zimmer und zeichnete Slenderman. Keine Ahnung warum, aber ich wollte mir diese Gestalt einprägen. Aus dem Nebenzimmer hörte ich öfters leise Schreie und dann Gelächter. Meine Mutter sagte, ich sollte schlafen gehen. Ich nickte und legte mich ins Bett. Da ich jedoch nicht schlafen konnte, lag ich wach und hörte den anderen durch die dünne Wand zu. Eine Freundin meiner Schwester, ich wusste nicht wer es war, schlug vor, Bloody Mary zu rufen. Die anderen stimmten ein und schlichen sich ins Bad, was neben meinem Zimmer war. Nach einer halben Stunde hörte ich, wie sie zurückgingen und auflachten, es hätte nicht funktioniert. Es wurde leise, sie gingen schlafen. Um drei Uhr in der Früh musste ich auf die Toilette und ging etwas verschlafen ins Badezimmer. Gleich als ich die Tür abschloss, weil ich keine Lust hatte, dass jemand überrascht hereinsah, überkam mich eine Gänsehaut. Im Bad war es eiskalt. Langsam drehte ich mich zum Spiegel und sah sie: Mary, Bloody Mary. Sie war ganz blass, hatte eine Platzwunde am Kopf, tiefe Wunden und Kratzer an ihrem Körper und Gesicht. Ihr weißes Kleid war mit Blut und Dreck verschmiert. Ich drückte mich gegen die Wand, als ihre eisblauen Augen sich erbarmungslos in meine bohrten.
„Hast du mich gerufen?" fragte sie mit einer schrillen Stimme, die in den Ohren wehtat.
Zögerlich schüttelte ich den Kopf, sperrte die Tür auf und schloss sie schnell wieder. Mein Herz schlug mir bis zu Hals, ich hatte Angst, wie beim Anblick von diesen Slenderman. Schnell lief ich in mein Zimmer und versteckte mich unter meinem Bett. Die ganze Nacht hatte ich nicht geschlafen und mich an meinen Teddy gekrallt. Am nächsten Morgen schrien die im Nebenzimmer auf. Meiner Schwester wurden die Augen ausgekratzt und sonst war sie nicht schön anzusehen. Meine Eltern weinten erneut und die Freundinnen schrien immer wieder auf. Warum hatte ich Bloody Mary nicht gesagt, dass ich sie gerufen hätte? Dann wäre mir der Rest dieser Hölle erspart geblieben...

Thirst For RevangeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt