Prolog

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"Es ist Zeit", sagte Belenor, König der geeinigten Menschenreiche, und betrat die Halle durch die hinter dem Thron verborgene Tür. Lord Telwin folgte dicht dahinter, da er als Kommandant der königlichen Leibwache für das Leben des Königs verantwortlich war. Als er kurz nach seinem König hinter dem Thron hervortrat und die riesige Menschenmenge sah, die sich in der Halle drängte, stockte ihm der Atem. Er bekleidete nun schon seit mehr als sechs Jahren dieses Amt, doch hatte er noch nie eine solche Masse an Menschen zugleich in dieser Halle gesehen.

Instinktiv ging er in Gedanken die Möglichkeiten durch, die er hatte, um seinen König bestmöglich zu schützen, denn er wusste ganz genau, dass bei einer so großen Anzahl Menschen bereits ein kleiner Funken ausreichen könnte, ein Inferno zu entfachen, welches er nicht mehr aufhalten konnte.

Es dauerte nur einen Moment bis dem Kommandanten klar war, dass er Belenor sofort wieder aus der Halle schaffen musste, wenn er diese Situation unter Kontrolle halten wollte. Doch kurz nachdem er diesen Entschluss gefasst hatte, wurde sein Plan auch schon wieder vereitelt. Innerhalb kürzester Zeit nachdem die Bevölkerung Belenor entdeck hatte, wurde die Halle von einem solchen Lärm erfüllt, dass Telwin schon fürchtete sein persönlicher Alptraum wäre war geworden und das Inferno bereits jetzt ausgebrochen. Doch nachdem er den ersten Schock überwunden hatte, erkannte er, dass sie nur ihrem König zujubelten. Wie hätte es auch anders sein sollen, der Kommandant entspannte sich ein wenig. Das Volk liebte Belenor, verehrte ihn schon fast wie einen Gott. Trotzdem vernachlässigte er nicht seine Pflicht und begutachtete skeptisch die Wachen, welche er um das Podest herum aufgestellt hatte. Es waren die besten Soldaten, die man im ganzen Königreich fand. Jeder einzelne trug Kettenhemd und Schwert aus den Schmieden der Zwerge, welche bekanntlich die besten Handwerker dieses Kontinents waren. Und trotzdem war Lord Telwin klar, dass sie einfach überrannt werden würden, wenn die Menge außer Kontrolle geriete. Er schüttelte unzufrieden den Kopf. Die Wachen, die er am großen Tor der Halle postiert hatte würde er, wenn das hier vorbei war, ordentlich die Köpfe waschen. Es war unverantwortlich, dass sie die Tore nicht geschlossen hatten, bevor so viele Menschen hineingelangten.

Belenor erhob seine Stimme und die Menschenmenge wurde augenblicklich still. Währenddessen widmete sich Lord Telwin der Empore, die sich auf drei Seiten der Halle erstreckte. Dort saßen Mitglieder aller wichtigen Dynastien des Reiches, angesehene Ritter und hohe Beamte und ließen sich von ihren Sklaven Getränke reichen oder mit riesigen Fächern Luft zu fächeln. Er hatte diesen Speichelleckern noch nie vertraut, weshalb er auch dort begann nach möglichen Gefahren zu suchen. Ihm fiel nichts Verdächtiges auf, aber das hatte er auch nicht erwartet. Wer dort oben saß, wusste wie man Geheimnisse für sich behält, denn sonst wären sie in der Politik niemals so weit gekommen. Auch die Menschen, welche sich am Boden vor dem Podest drängten wurden von ihm skeptisch begutachtet. Er war sich nicht sicher, ob er vor der schieren Masse der einfachen Bevölkerung oder der verschlagenen Skrupellosigkeit der Oberschicht mehr Angst hatte.

Ohne ein Anzeichen auf einen Attentat oder Ähnliches entdeckt zu haben, wandte er sich nun endlich Belenor und dessen Rede zu. Der König trug eine prächtige, dunkelblaue Robe, welche großzügig mit goldenen Symbolen, welche Lord Telwin nicht kannte, geschmückt war. Man erkannte auf den ersten Blick, dass er kein Krieger war. Man würde ihn wohl eher als untersetzt und träge und nicht als muskulös und kriegerisch beschreiben. Doch Belenors Stärke lag woanders: Er schaffte es die Bevölkerung für einfach alles zu begeistern, selbst wenn es ein Krieg gegen ihre ehemaligen Verbündeten war. Man könnte ihn fast für einen Magier halten, stellte Lord Telwin amüsiert fest, und dabei verabscheute der König diese doch so sehr.

"Doch dieser Verrat sollte ihren Untergang bedeuten", verkündete der König gerade mit lauter Stimme und das Volk jubelte begeistert. "Denn nichts kann sich unserer Macht widersetzen!" Erneuter Jubel, dieses Mal noch lauter. Der König gab ihm ein aufforderndes Zeichen und er beeilte sich die beiden Gefangen hereinzuholen.

Beide trugen noch immer ihre Rüstungen, die sie auf dem Schlachtfeld getragen hatten. Leichte Lederrüstungen, welche mit kleinen Metallplättchen verstärkt waren um die Bewegungsfreiheit so wenig wie möglich einzuschränken. Unter Blut und Dreck konnte man gerade noch erkennen, dass die Rüstungen einst eine Waldgrüne Farbe besaßen.

Ihre makellosen Gesichter zeigten keinerlei Regung als sie das Podest erreichten und von der begeisterten Menge mit zahlreichen Schimpfwörtern belegt wurden.

Doch als der Henker nach ihnen die Halle betrat, breitete sich eine erwartungsvolle Stille in der Menschenmenge aus. Dies war der Moment auf den jeder einzelne von ihnen gewartet hatte: Die Hinrichtung, welche gleichzeitig auch das Ende des Krieges einleiten sollte. Der Henker stellte sich links neben die Gefangenen und stützte sich lässig auf seine riesige Axt, welche er vor sich auf den Boden gestellt hatte.

Belenor erhob sich von seinem Thron und schritt langsam um die beiden Gefangen herum. "Efalas, Hüter des Waldes und König der Elfen", er wandte sich, den Jubel der Menge ignorierend, der Elfin zu und die Menschen wurden augenblicklich wieder ruhig als ihr König verkündete: "Und seine liebreizende Gemahlin Ilanda", er strich ihr sanft über die Wange. Sie wandte angewidert den Kopf ab, was ihn zu amüsieren schien. Belenor setzte sich wieder auf seinen Thron. "Hiermit erkläre ich die Rebellion der Elfen für beendet" ein kurzes Kopfnicken und der Henker begann mit seiner Arbeit.

Zuerst kniete sich Ilanda freiwillig vor den Richtblock und der Henker stellte die übliche Frage: "Irgendwelche letzten Worte?" Sie hob den Kopf und sprach mit fester Stimme: "Dieser Mord wird nicht den Krieg beenden. Erst wenn ihr euren wahren Feind erkennt, habt ihr eine Chance zu siegen", dann legte sie unaufgefordert den Kopf auf den Richtblock. Lord Telwin musste sich widerwillig eingestehen, dass sie kein Anzeichen von Angst zeigte. Eiskalt, selbst im Angesicht des Todes.

Der Henker schwang seine Axt und schlug zu. Ein Schlag genügte und die einst mächtigste Königin dieses Kontinentes war tot. Telwin konnte kaum glauben das es so einfach war. Mit Genugtuung stellte er fest, dass Efalas lange nicht mehr so teilnahmslos war wie zuvor. Seine Fäuste waren geballt und er stand stocksteif dar, während er den abgetrennten Kopf seiner Gemahlin anstarrte, welcher eine Blutspur hinter sich herziehend über den Boden rollte.

Als der maskierte Henker ihn am Arm Richtung Richtblock zog, wandelte sich sein Zorn in Trauer, und er sackte förmlich in sich zusammen. Der König der Elfen sprach keine letzten Worte, als er wie seine Frau starb.

Ein Glücksgefühl breitete sich in ihm aus, welches der Kommandant nicht mehr empfunden hatte seit dieser Krieg wütete. Doch plötzlich ertönte ein klagender Schrei, welcher einem Vogelschrei ähnelte. Es lief ihm eiskalt den Rücken herunter, denn im Gegensatz zu den Meisten in der Halle wusste er was das war... einer ihrer gefährlichsten Feinde, welcher vermutlich den Tod der Elfen beklagte. Das war ein Drache...

Im Bann der DelaniWo Geschichten leben. Entdecke jetzt