3. Kapitel - Sterbende Hoffnung

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Denor starrte fassungslos den am Boden liegenden Elfen an. Die Zeit verstrich, während er zu verstehen versuchte, was gerade passiert war. Doch sein Verstand warf seine Gedanken durcheinander, als ob er in einer Schänke ein Würfelspiel gewinnen wollte: Ein Werkzeug in den Händen Anderer, erinnerte er sich an die alles verändernden Worte Lendorans. Wer waren diese Anderen und was hatten sie vor? Immer mehr Fragen drängten sich in seine Gedanken. Warum hatte Lendoran sich entschuldigt? Hatte er gewusst was passieren würde? Warum hatte er ihn nicht vorgewarnt? ...

Nach einer gefühlten Ewigkeit durchbrach er endlich den Teufelskreis unbeantworteter Fragen und stürzte so hektisch nach vorne, dass er fast über eine sich am Boden windende Wurzel gestolpert wäre. Er ignorierte den Schmerz in seinen Knien, als er ungelenk auf dem Waldboden aufkam. Kniend überprüfte er panisch die Atmung des Elfen, indem er dicht vor dem Mund des Elfen nach einem Atemzug horchte. Lass ihn nicht tot sein! Bitte, lass ihn noch leben... Er wusste nicht zu welcher Gottheit er betete. Er war nie besonders fromm gewesen, doch aus irgendeinem Grund hatte er jetzt das Bedürfnis um göttlichen Beistand zu bitten.

Die Sekunden krochen dahin, aber Denor spürte weder einen Luftzug auf seiner Wange noch hörte er einen Atemzug.Nach wie vor über den Elfen gebeugt, wurde Denor langsam klar, was das bedeutete: Lendoran war gestorben! Ein jahrtausendealter Elf, der zahlreiche Schlachten und Kriege überlebt hatte, kippte einfach tot um. Denor wollte es nicht wahrhaben, aber was sollte er tun? Seine Gedanken krochen dahin wie eine altersschwache Schildkröte, die sich zu ihrer letzten Ruhestätte begab. Je länger er sich den Kopf darüber zerbrach, desto größer wurde die Gewissheit, dass ihm nur eine einzige Möglichkeit blieb. Denor richtete sich wieder auf und entspannte die, mittlerweile von der gebeugten Position verkrampften, Muskeln.

Ängstlich öffnete er seinen Geist der Umgebung und tastete nach Lendoran. Dies allein war kein Problem für ihn, tausendmal hatte er es in seiner Ausbildung geübt. Das Erspüren der Energien in der Umgebung war eine Grundvoraussetzung, um überhaupt einen Zauber wirken zu können. Unter Magiern nannte man ihn auch den sechsten Sinn, einen Sinn, den auch nur diese beherrschten. Aber wenn er auch nur daran dachte, welchen Zauber er gleich wirken wollte, begann sein Herz zu rasen und seine Hände unkontrolliert zu zittern. Ein nicht gerade kleiner Teil seines Unterbewusstseins wollte ihn noch warnen und er hörte die Stimme seines Meisters: „Tod ist Tod! Egal wie mächtig du einmal sein wirst, mit dem Tod kannst du nicht verhandeln!". Er ballte die Fäuste, um das Zittern zu unterdrücken, blendete jegliche Warnung aus und fuhr fort.

Die Magierakademie würde eine weitere Suche nach einem Elfen nicht überleben. Es würde viel zu lange dauern und Belenor war nicht mehr weit davon entfernt sie zu finden.  Denor wusste das und er war bereit alles dafür zu geben, um dies zu verhindern, selbst wenn es seinen Tod bedeuten sollte. Die Magierakademie hatte ihm ein besseres Leben geschenkt, als er es jemals zu hoffen gewagt hatte und jetzt war die Zeit gekommen, sich dafür zu revanchieren.

Er atmete tief einund schloss die Augen. Seine Fingernägel bohrten sich schmerzhaft in seine Handflächen, als er, ohne es zu merken, die Fäuste mit aller Kraft zusammenpresste.

Ausatmen. Er fand den Körper des Elfen mit dem sechsten Sinn vor sich. Einatmen. Er konzentrierte sich und bereitete sich darauf vor Magie zu wirken. Ausatmen ... Denor hielt irritiert inne. Er konnte ganz deutlich die Energie spüren, welche durch den Körper des Elfen floss.  Es war erschreckend wenig und sie bewegte sich beunruhigend langsam, aber das war im Moment egal, denn die Tatsache, dass die Energie immer noch in Bewegung war, bedeutete, dass Lendoran noch immer lebte!

Denors Herz setzte einen Schlag aus. Er lebt! Erleichterung brach über ihn hinweg, wie Wellen über einen Stein in der Brandung. „Jeder Gegenstand und jedes Lebewesen besteht aus Energie. Der einzige Unterschied besteht darin, dass sie sich bei einem Lebewesen in Bewegung befindet, während sie bei einem Gegenstand stillsteht. Wenn ein Lebewesen stirbt bewegt sich die Energie immer langsamer, bis sie ganz zum Stillstand kommt.", erinnerte er sich an die vor langer Zeit auswendig gelernten Sätze.

Im Bann der DelaniWo Geschichten leben. Entdecke jetzt