Wie jeden Morgen war das Brot bereits kalt, als es in seinem Zelt ankam, viel zu lang war der Weg von der Burgküche bis hinaus ins Heerlager vor der Stadt. Doch diese Unannehmlichkeit nahm er gerne in Kauf, wenn er dafür nicht persönlich ins Innere der Burg musste. An keinem Ort innerhalb der Mauern war er vor den Blicken seiner Kontrahenten sicher, die mit Vergnügen seinen Untergang verfolgten. Meine ehemaligen Kontrahenten, verbesserte er sich verbittert. Seitdem das Heerlager zu seinem Zuhause geworden war, waren sie dem Ziel Ruhm und Ehre zu erreichen wesentlich näher. Für mich ist es mehr ein Traum als ein Ziel. Nur zu gut konnte er sich die spöttischen Blicke all der Ritter und Knappen ausmalen, allen voran Lafian Narwald, der sich bereits als den zukünftigen Reichsgeneral feiern ließ. Schlecht gelaunt, wie er es bereits seit Wochen war, riss er sich ein Stück des trockenen Brotes ab und spülte den Bissen mit einem großen Schluck Bier hinunter. Noch nicht lange war es her, als er nicht mal im Traum daran gedacht hätte, bereits so früh am Morgen Alkohol zu trinken, doch auch dies hatte sich, wie so vieles in seinem Leben, schlagartig verändert.
Kurze Zeit später stand er bereits am Rand des großen Trainingsplatzes in der Mitte des Zeltlagers und begutachtete die Rekruten, welche unter dem Kommando seines ersten Offiziers einfache Schritte und Schlagfolgen immer und immer wieder durchgingen, als einer seiner Hauptmänner an ihn herantrat: "Ser, das sollten sie sich ansehen." Dankbar wandte Tealon seinen Blick von dem entmutigen Schauspiel auf dem Platz ab. Es wird noch Monate dauern bis diese Rekruten in der Lage sind in der Schlacht mehr als ein paar Herzschläge zu überleben. "Dies haben wir einem Rekruten abgenommen, der in der letzten Nacht außerhalb des Lagers herumschlich. Vermutlich gestohlen", sagte der Soldat, als er ein Amulett in Tealons ausgestreckte Hand fallen ließ. Er erstarrte, als er das Schmuckstück betrachtete. Wie ist das möglich? "Bringt mich zu ihm!", verlangte Tealon und ignorierte den überraschten Blick des Soldaten. Wie könnte er verstehen worum es geht? "Wir haben ihn ins Gefangenenzelt gebracht, Ser." Unruhig folgte Tealon dem Soldaten und ballte seine rechte Hand zu Faust, als hätte er Angst das Amulett könne herunterfallen.
Kurze Zeit später erreichten sie das Zelt, in dem der Dieb gefangen gehalten wurde. Wortlos hielt ihm eine der beiden Wachen, die davor postiert waren, die Zeltplane auf und Tealon betrat die Dunkelheit, welche dahinter auf ihn wartete. Nur ein schwach glühendes Kohlebecken sorgte für ein wenig Licht und so brauchte er einen Moment, bis er den Jungen entdeckte, der mit angezogenen Knien auf dem Boden hockte. Tealon nahm sich einen Moment Zeit, um ihn zu betrachten, bevor er das Wort ergriff: Die einfachen Klamotten, die der Rekrut bei seiner Ankunft im Heerlager erhalten hatte, waren voller Erde und an mehreren Stellen zerrissen als hätte er sich durch dichtes Gestrüpp gekämpft. Mit weit aufgerissen Augen starrte der Junge ins Leere, als wäre es in eine parallel Welt gefangen. Die Anwesenheit Tealons nahm er erst wahr, als das Amulett direkt vor seinen Augen hin und her baumelte. Majestätisch breitete der Adler seine silbernen Schwingen aus und verzweifelt zu versuchen seiner Kette zu entkommen, indem er vor dem Augen des Gefangenen Kreise zog.
"Ich habe nur eine Frage", stellte Tealon fest, "Eine Frage, die dir viel Leid ersparen kann, sofern mit deine Antwort gefällt ... tut sie es allerdings nicht, oder wagst du es gar mich anzulügen, werden die nächsten Tage sehr unerfreulich für dich werden." Das Adleramulett hatte aufgehört wie ein Pendel vor den Augen des Jungen hin und her zu schwingen, doch es schien ihn noch immer in seinen Bann gezogen zu haben. Wie hypnotisiert starrte der Gefangene auf das Amulett, bis Tealon es verärgert in seiner behandschuhten Faust verschwinden ließ. Erstaunt hob der Junge den Blick und schaute ihm einen kurzen Moment mit vor Angst geweiteten Augen an, bevor er sofort wieder in sich zusammensackte. Er hört mir nicht einmal zu. "Woher hast du dieses Amulett?", wütend schleuderte er das Schmuckstück in die Richtung des Rekruten, "Sag es mir!" Wie hat dieser Junge es geschafft mich innerhalb kürzester Zeit so wütend zu machen? Oder ist es allein das Amulett, das meinen Zorn erregt? Sein Gegenüber zuckte zusammen, als der silberne Adler ihn an der Stirn traf. Doch das war die einzige Reaktion, die er zeigte, weder eine Antwort noch ein Flehen nach Gnade kam über seine Lippen.
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Im Bann der Delani
FantasiaEin Krieg endet, und ein neuer beginnt. Während die Witwen noch um ihre verstorbenen Ehemänner trauern, ziehen ihre Söhne bereits demselben Schicksal entgegen. Frieden ist nicht mehr als eine Erinnerung in den Köpfen der Menschen, Zwergen und Elfen...