Eiskalt floss das Wasser über ihn hinweg, riss ihn in Sekundenschnelle aus seinem Schlaf. Doch so schnell sein Verstand auch war, sein Körper und vor allem sein Kopf zahlten ihm jede noch so kleine Bewegung gnadenlos zurück. Stöhnend fasste Denor sich mit beiden Händen an die Schläfen, Schmerz pulsierte in seinem Schädel im Takt seines Herzens und immer neue Schwerter der Pein bohrten sich in seinen Verstand. Der belebende Effekt des Wasser ging in den Schmerzen unter und er ging wieder zu Boden. Ich wurde bewusstlos geschlagen, erinnerte er sich, als er mit zu Schlitzen verengten Augen die Umgebung begutachtete. Im stockte für einen Augenblick das Herz, als er Lika unweit von ihm im Dreck liegen sah. Er hatte sie für Tod gehalten, doch das kalte Wasser, welches zuvor auch ihn ins Reich der Lebenden zurückgeholt hatte, wirkte auch bei ihr Wunder: Kreischend fuhr sie in die Höhe, nur um kurz darauf wieder in sich zusammenzusacken. Sie schien es nicht besser als Denor erwischt zu haben, aber allein das Wissen, dass es ihr gut ging, wenn man von den stechenden Kopfschmerzen absah, beruhigte ihn ungemein. Ich werde sie wieder zum Lächeln bringen, bekräftigte er noch einmal den Schwur, den er sich im Stillen geleistet hatte, bevor sie Mitradi betreten hatten.
Für einen Moment trafen sich ihre Blicke und wie absurd es in dieser Situation auch erscheinen mag, formte sein Mund ein Lächeln. Für einen kurzen Moment war das Gefängnis, der Dreck, selbst die Wachen, die sie geweckt hatten, verschwunden und Denors Welt beschränkte sich alleine auf das Gesichts Likas. Platschend zerstörte der nächste Wasserschwall seine Illusion, und traf den Elfen mitten ins Gesicht. Sie hat nicht gelächelt, stellte Denor traurig fest, es nicht einmal versucht.
Die Zellentür quietschte, als die Wache, drei Eimer in der Hand, den vier Mal vier Meter großen Raum verließ. Denor stützte sich auf die einen halben Schritt hohe Erhebung, die sich an drei Seiten um den Raum zog und wohl als Schlafplatz diente, um sich aufzurichten. Auch Lika regte sich und versuchte notdürftig ihre Kleidung vom Dreck zu befreien, während Lendoran sich bereits aufmerksam umsah. Blitzschnell wanderte sein Blick vom vergitterten Fenster zu den massiven Metallstangen, die den Weg in den von Fackeln erhellten Gang versperrten. Er sucht nach einem Fluchtweg. Der Elf brauchte nur Sekunden, um zu erkennen, dass die Zellentür noch nicht verschlossen war und sprang sofort auf, die Hand erhoben, als wolle er einen Zauber wirken. Er machte einen Schritt, dann hielt er fluchend inne. Denor verstand nicht was er sagte, da Lendoran seine Muttersprache verwendete, doch er erkannte schnell, was den Elfen aufgehalten hatte: Er konnte keine Magie wirken! Jeglicher Versuch auf seinen sechsten Sinn zuzugreifen scheiterte. Eine Blockade in seinem Kopf machte es unmöglich die Energien in seiner Umgebung zu spüren.
„Wir wurden vergiftet“, sprach Denor aus, was jedem von ihnen bereits aufgefallen war. Er konnte nicht genau sagen, was man ihnen verabreicht hatte, doch stand es außer Frage, dass sie ohne ihre Magie zurechtkommen mussten, bis das Gift in seiner Wirkung nachließ. Langsam begann Denor seinen Meister zu verstehen. Immer wieder hatte Gardan auf ihn eingeredet, dass er den Pfad des Kampfmagiers einschlagen sollte und somit auch den Umgang mit Waffen zu erlernen. Doch in seinem jugendlichen Hochmut hatte er die Weisheit hinter diesen Worten nie verstanden. Welche Waffe konnte es schon mit Magie aufnehmen? Es kann viel zu viel passieren, als dass man sich auf eine einzige Waffe verlassen sollte, erkannte er nun, da es zu spät war. Egal ob es Erschöpfung oder ein Gift war, in beiden Fällen war Denor vollkommen hilflos, während ein Kampfmagier wie Lendoran noch immer zahlreiche Möglichkeiten hatte, sich zu verteidigen.
Lendoran hatte bereits sein Zögern überwunden und bewegte sich weiter in Richtung Tür, als eine Person hinter dieser erschien und kurz darauf die Zelle betrat. Wieder hielt Lendoran inne, allerdings zog er sich nicht zurück und war jederzeit bereit anzugreifen, sollte sich eine Gelegenheit ergeben. Selbst als zu erkennen war, um wen es sich handelte, wich der Elf nicht zurück. So schockiert Denor auch war Delos vor sich zu haben, musste er doch den Kampfgeist Lendorans bewundern: Er würde niemals aufgeben, egal wie gering die Chancen auf einen Sieg auch sein mögen.
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Im Bann der Delani
FantasíaEin Krieg endet, und ein neuer beginnt. Während die Witwen noch um ihre verstorbenen Ehemänner trauern, ziehen ihre Söhne bereits demselben Schicksal entgegen. Frieden ist nicht mehr als eine Erinnerung in den Köpfen der Menschen, Zwergen und Elfen...