10. Kapitel

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Show me how it feels to be loved

10. Kapitel

Diesmal war Anne so gnädig und hat mich ausschlafen lassen. Ich fühle mich gut - irgendwie ein wenig leichter. Innerlich zumindest. Ich denke, dass mir die Luft hier ganz gut tut. Ich stehe nicht sofort auf, ich bleibe noch im Bett liegen. Die Wärme, die mich hier umgibt, ist viel zu schön, um ihr zu entkommen. 

Seit ich hier angekommen bin, habe ich nichts mehr von meinen Eltern gehört. Sie haben es nicht für nötig gehalten, sich zu erkundigen, wie es mir geht. Doch ich will den ersten Schritt nicht machen - ich sehe doch, woran ich bei ihnen bin.  Es schmerzt zu wissen, dass es deine Eltern nicht kümmert, wie es um dein Wohlbefinden steht. Ich lege mein Handy weg und schwinge mich aus dem Bett.

Nach einer ordentlichen Runde Ausstrecken mache ich mich auf dem Weg ins Bad, um mich fertig zu machen. Ich gebe mir heute keine Mühe. Einmal Zähne putzen und eine kurze Katzenwäsche sind das einzige, was ich heute Morgen rausholen kann. Zu mehr fehlt mir heute einfach die Lust. 

Zurück in mein Zimmer angekommen, merke ich erst die Sonnenstrahlen, die durch das Fenster fallen. Eine angenehme Wärme ist zu spüren, eine genauso angenehme wie die in meinem Bett. Ich weiß nicht, ob es an dem Vitamin-D-Zuschuss liegt, mit dem mich die Sonne gerade versorgt, doch mein Inneres Ich kriegt aus dem Nichts einen positiven Schub. Ich könnte gerade die ganze Welt umarmen, plötzlich habe ich gute Laune und ich habe keine Ahnung, woher dies kommen soll. 

Ich sollte mich einmal untersuchen lassen, diese Stimmungsschwankungen können doch nicht normal sein. Ich kippe das Fenster und sofort dringen die sanften Töne, der Wellen, die gegen riesige Steine klatschen, durch meine Ohren. Dies verleitet mich dazu, meine Augen zu schließen und daran zu denken, barfuß über Wolken zu gehen. Der weiche Boden unter meinen Füßen, das Gefühl der Leichtigkeit, ganz frei von Sorgen zu sein - für einen Moment. 

Es ist schön ein Zimmer zu haben, das nach der Meeresbrise riecht. Ich ziehe mir eine Jogginghose und ein weites Shirt an. Ich fühle mich erstaunlich gut, ich denke, dass ich noch nie so ausgeruht wie heute war. Meine Haare binde ich zu einem lockeren Bun zusammen. 

Mein Magen grummelt laut und ich werfe den Gedanken, von gestern, dass Annes Abendmahl mich für mehrere Jahre sättigen könnte, schnell über Bord. Es ist still im Haus, ich gehe davon aus, dass Robin schon längst auf dem Feld steht und arbeitet. Nun stehe ich vor dem Kühlschrank und überlege, was ich mir zum Essen machen soll. Nach langem Überlegen entscheide ich mich für ein Müsli und ein Obstsalat. 

Nachdem ich mir alles zubereitet habe, setze ich mich an den Esstisch und lasse mir mein Essen schmecken. Es ist ruhig, was ziemlich ungewöhnlich ist, nachdem ich zwei Abendessen mit den Styles' hatte, die immer ein Thema zum Reden finden. 

Ich schöffel mir nach und nach das Essen in den Mund, ganz gedankenverloren. Meine Blicke wandern durch den Raum, der ganz schlicht eingerichtet ist. Schlicht, aber gemütlich. 

Plötzlich höre ich Schritte hinter mir, doch ich drehe mich nicht um. "Da hat aber jemand lange geschlafen!" Ich höre einen Stuhl knarchzen, gefolgt von einem dumpfen Hinsetzen einer Person auf dem besagten Möbelstück. Er trägt ein Muskelshirt, seine Arme noch definierter, als ich sie in Erinnerung hatte. Seine lockigen Haare? Durcheinander, als ob er ebenfalls erst aufgestanden ist. Keine Spur von Haarspray, Natur pur.

"Das gleiche könnte ich von dir behaupten!", erwidere ich und esse weiter. "Immerhin siehst du gut aus, ich gleiche dieser Frau von The Ring", gähnt er und schüttelt seinen Kopf. Ich gut aussehen? In dem Zustand? "Was habe ich dir übers Schleimen gesagt?" Er spielt mit seinen Fingern herum, als er aus dem Fenster starrt. "Wieso schleimen? Du siehst nicht so aus, als ob du gerade erst aufgewacht bist!"

Life |H.S|Where stories live. Discover now