18. Kapitel

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Ich verharre noch in länger in meiner Position. Ich starre in das Weite. In die Richtung, wo Harry hingerast ist. Der Wind zischt durch meine Ohren und ich schlinge meine Arme um meinen Körper, der anfängt zu zittern. Ich hoffe, dass die beiden es klären können. 

Nachdem ich das Haus wieder betreten habe, läuft mir Anne über den Weg. "Weißt du wohin Harry hingefahren ist?" Sie hält einen Blech voller Plätzchen in der Hand und ich kann mir schon denken, dass sie es kaum erwarten kann, Harry sie kosten zu lassen. Harry liebt die Plätzchen seiner Mutter. "Er ist zu einem Freund gefahren", erkläre ich ihr und ihr Gesicht fällt ein wenig. "Aber er sollte bald wieder zurück sein", versuche ich sie zu trösten und ihre Mundwinkel heben sich wieder. "Willst du vielleicht einen?" Sie hält mir das Blech hin und ich greife nach einem. Warm und frisch aus dem Ofen. So mag auch ich es am liebsten. 

Ich beiße herzhaft hinein und würde am liebsten das gesamte Tablett verschlingen. "Sie sind göttlich!",  gebe ich von mir und ich sehe, dass sie mein Kompliment mehr als freut. Ihre Wangen neben sogar einen leichten Rosaton an. "Du musst aufpassen, dass Harry nicht die gesamte Menge isst", scherze ich und sie lacht herzhaft auf. 

"Was machst du jetzt?" Ich spitze meine Lippen und schiebe meine Augenbrauen zusammen. Ich habe keine Ahnung, was ich jetzt machen werde. Als sie mein ratloses Gesicht bemerkt, hakt sie sich bei mir im Arm ein und schiebt mich in die Küche. "Meine Schwester hat übermorgen Geburtstag und ich muss noch einen Kuchen backen. Hättest du vielleicht Lust mir zu helfen?"

"Natürlich helfe ich dir dabei!" Wann habe ich einmal mit meiner Mutter gebacken? Genau, nie. Ich habe keine Ahnung, wie man bäckt. Ich hoffe, dass ich mich nicht allzu dumm anstelle.

"Beginnen wir malAus dem Kühlschrank holt sie Butter, Eier und Milch. Sie stellt weitere Zutaten auf die Theke und holt unzählige Schüssel hervor. Sie klatscht euphorisch in ihre Hände.

Nachdem ich mich anfangs ziemlich idiotisch angestellt hatte, habe ich den Dreh nach und nach raus. Es macht mir sogar Spaß - vielleicht sollte ich das auch zu Hause öfters machen. Zu Hause. Wenn ich daran denke, dreht sich mein Magen um. Nur noch wenige Tage bleiben mir hier und ich bin absolut nicht bereit dafür. Das Leben hier gefällt mir. 

Ich seufze leise und hole den fertigen Kuchen aus dem Ofen. "Er sieht sehr gut aus!", meint Anne und legt den Schokoladentraum auf einen anderen Teller. "Du warst mir da wirklich eine sehr gute Hilfe! Lust, einen Backshop zu eröffnen?" Ich kichere leise und lege den Kopf schief. 

Gerade will ich etwas auf ihren Vorschlag erwidern, als ich die Haustüre aufgehen höre. Es sind Schritte zu hören, die ich nur allzu gut einer einzigen Person zuordnen kann. 

"Harry, ich habe Plätzchen gemacht, möchtest du welche?" Anne hält ihm sofort das Blech vor die Nase und er reißt etwas überfordert die Augen auf. Ist alles in Ordnung mit ihm? Er scheint in Gedanken gewesen zu sein. "Äh ja, klar!" Er greift sich eine, isst sie aber nicht. "Ich muss noch kurz auf mein Zimmer." Ohen ein weiteres Wort zu sagen, trampelt er die Treppen hoch in sein Zimmer. Sein Verhalten ist merkwürdig. 

"Hmm, anscheinend hat ihn der Besuch bei seinem Freund ziemlich griesgrämig gestimmt." Sie stemmt sich eine Hand in ihre Hüfte und sieht mich verwirrt an. Ich bin genau so planlos wie sie. "Ahm, ich seh mal nach ihm." Meine Beine tragen mich in sein Zimmer, wo er mit dem Rücken zu mir gewandt auf seinem Bett sitzt. Er scheint etwas in sein Handy zu tippen. 

Ich räuspere mich kurz, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. 

Er zuckt kurz zusammen, woraufhin sein Handy auf dem Boden kracht. Übers Gesicht wischend, dreht er sich zu mir um und versucht mit Mühe und Not seine Fassung zu bewahren. Er versucht verzweifelt die Traurigkeit, die sich ganz deutlich auf seinem Gesicht widerspiegelt, vor mir zu verbergen. Doch ich merke, dass etwas nicht mit ihm stimmt, weswegen ich mich langsam neben ihm auf sein Bett setze. Ich starre gerade aus, aus dem Fenster und sage nichts. Aus dem Augenwinkel bemerke ich, dass seine Augen auf mir liegen - mit einem einzigen Fragezeichen als Inhalt. 

Life |H.S|Where stories live. Discover now