"Wo schlafen wir die Nacht eigentlich?" Fragte Manuel, als wir aus dem Flughafen heraustraten. Es kostete mich einiges an Mühe die Augen nicht zu verdrehen. Wir waren gut zwanzig Stunden unterwegs und nun, wo wir fast da waren, kam ihm diese Frage erst? Manchmal fragte ich mich, wie Manuel die letzten drei Jahrhunderte überlebt hatte. Er war nicht dumm, definitiv nicht. Aber 'verträumt' und 'in den Tag hinein lebend' waren durchaus zutreffende Beschreibungen für den fast zwei Meter großen Muskelprotz.
"Ich habe uns für die ersten zwei Tage ein Hotelzimmer gebucht." verriet ich den beiden und streckte meine Hand aus um eines der bereitstehenden Taxis heranzuwinken.
Als unsere Koffer eingeladen waren, wollte ich mich auf den Beifahrersitz fallen lassen. "Du kennst die Spielregeln." hielt Zarek mich auf und öffnete mir auffordernd die Hintertür. "Das ist völliger Unsinn." brummte ich genervt, ließ mich jedoch auf den Sitz hinter dem Beifahrer fallen. Bei einem Unfall war angeblich dies der sicherste Platz. Aber nur solange nicht jemand einem die Vorfahrt nahm und von rechts ins Auto raste. Außerdem hatte es ein Scharfschütze schwerer mich auf diesen Platz zu treffen. Als ob mich hier auch nur irgendwer kannte oder ein Scharfschütze mich abschießen würde, wenn ich in einem Taxi durch viel zu überfüllte Straßen fuhr. Zusätzlich war ich der Meinung, dass mich niemand abschießen würde wollen. Wenn jemand etwas versuchen sollte, dann war das wohl eine Entführung. Mein Wert bestand in der Bedeutung, die ich für meinen Bruder hatte. Zugegebenermaßen die war groß. Auch wenn wir uns regelmäßig in den Haaren lagen, so standen wir uns sehr nahe. Und natürlich noch ein wichtiger Grund: Ich war vor dem Taxifahrer sicher. Er könnte mich ja irgendwie angreifen. Ich wollte unseren Taxifahrer jetzt nicht als vertrauenswürdig oder harmlos beschreiben. Abgesehen davon, dass er mit seiner Halbglatze, den leichten Bierbauch und dem Blick, der ein wenig zu lange auf meinen Ausschnitt gelegen hatte, auch nicht wirklich vertrauenerweckend wirkte, so hatte ich zu viel gesehen um auch nur irgendjemanden nach nur einen Blick als solches zu bezeichnen. Zudem war ich der Meinung, dass die zwei grimmig dreinschauenden Riesen ihn genug Respekt einflößten um jegliche fragwürdigen Sachen zu unterlassen.
"Wo wollen Sie hin?" fragte unserer Fahrer. Ich nannte ihm die Adresse des Anwalts, den ich für Toni und Lucas arrangiert hatte. Er hatte einen guten Namen und hatte sich schon häufiger erfolgreich mit ähnlichen Fällen beschäftigt.
"Denkst du wirklich, dass der so spät noch offen hat?" fragte Manuel von vorne. Zarek saß schweigend neben mir. Aufmerksam behielt er die Umgebung im Auge. Ich kannte den gut gebauten Schwarzhaarigen schon mein gesamtes Leben lang. Seit ich ein Baby war, war er mein Bodyguard. Er war sogar fast ein Jahrhundert älter als Logan. Zuerst hatte ihn mein Vater beauftragt für meinen Schutz zu sorgen. Später hatte dann auch mein Bruder ihm diese Aufgabe übergeben. Alles was mit meinem Schutz zu tun hatte, lief über seinen Tisch. Zarek kannte mich vermutlich besser als jeder andere Mensch. Als ich noch ein Baby war, hatte er das ein oder andere Mal meine Windeln gewechselt. Als mein Vater keine Zeit hatte mir das Schwimmen bei zu bringen, hatte er diese Aufgabe übernommen. Als meine Eltern starben und Logan keine Zeit hatte, weil er Vaters Pflichten übernehmen mussten, hatte er mich aufgebaut. Egal wie unmöglich ich mich verhalten hatte, was zugegebenermaßen nicht sehr selten vorkam und heute auch noch passierte, ich hasste es, dass ich nichts allein machen konnte, Zarek war immer für mich da gewesen und hatte mich unterstützt. Er kannte meine dunkelsten Geheimnisse und hatte meine schlimmsten Momente mit mir erlebt, auch ich hatte selbstverständlicherweise einige von seinen mitbekommen. Zarek war für mich ein zweiter großer Bruder. Finn, er war wirklich mein Bruder, war wesentlich jünger als ich, deshalb zählte er nicht dazu. Wir, Finn und ich, verstanden uns gut und unterstützten uns gegenseitig. Doch meisten lebten wir nach dem Motto: Leben und leben lassen.
Worauf ich eigentlich hinaus wollte, ist folgendes: Mit Zareks Anwesenheit hatte ich kein Problem, zumindest meistens, auch wenn ich das Logan gegenüber nie zu geben würde. Aber Manuel nervte mich jetzt schon. Er konnte nichts dafür. Naja, nicht im direkten Sinn. Aber seine Art mich herum zu kommandieren und mich die ganze Zeit infrage zu stellen, gingen mir schon jetzt auf die nerven. Wahrscheinlich lag es einfach daran, dass ich an Zareks ruhige Art gewohnt war. Wir waren so aufeinander abgestimmt, dass wir nicht viel miteinander reden mussten um uns zu verstehen. Wir wussten wie der andere tickte. Deshalb war Zarek auch klar, dass ich noch bevor wir einen Fuß in den Flieger gesetzt hatten, mit dem Anwalt telefoniert hatte und dieser uns nun in seinem Büro erwartete. Das war doch eigentlich logisch, oder? Kein normaler Mensch würde sonst nachts, um viertel nach elf, noch zu einem Anwalt fahren. Trotzdem bemühte ich mich um eine ruhige Antwort. "Er weiß bescheid." Vielleicht ein wenig zu kurz und bissig, denn Manuel schwieg ebenso wie Zarek und ich, bis das Taxi vor einem großen Bürokomplex hielt.
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Eigentlich wollte ich hier zu gar nicht so viel schreiben, aber irgendwie sind Zarek und Manuel mir schon jetzt ans Herz gewachsen.
Erste Meinungen?
Im nächsten Kapitel treffen unsere zwei Protagonisten schon das erste Mal aufeinander. Schon ein paar Ideen wie das passieren wird?
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[03] Wildes Blut
Werewolf-Unabhängig voneinander lesbar!- Als Cori nach Washington D.C. fliegt, will sie eigentlich nur ihrem Bruder helfen, seine Gefährtin zurück zu gewinnen. Dass sie dabei ihren eigenen Gefährten trifft, war nicht geplant. Als wäre es nicht schon schlimm...