THIRTEEN

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Wie der ein oder andere aufmerksame Leser (, der auch Silvester liest) vielleicht schon bemerkt hat, ist die Handlung in Silvester momentan ein Stück weiter als hier. Deswegen, gibt es dieses Wochenende noch einmal ein Lesewochenende (jeden Tag ein Kapitel). Ich hoffe ihr votet und kommentiert fleißig.

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„Meine Gefährtin!" ertönte auf einmal Manuels Stimme hinter uns. Schnell drehte ich mich zu ihm um. Er stand als letzter auf der Treppe. Sein Gesichtsausdruck wirkte leicht entrückt. Eine Hand umklammerte das Treppengeländer, die andere war zur Faust geballt. „Meine Gefährtin! Sie ist hier." wiederholte er freudig, als er uns wieder wahrnahm. Dann drängte er sich entschlossen an uns allen vorbei und rannte die Stufen nach oben.

Zarek und ich tauschten einen Blick. Beide stürzten wir dem momentan vernunftfreien und unvorhersehbaren Lykae hinter her. „Manuel, du musst ruhig bleiben." Rief ich ihm zu, aber ich war mir nicht sicher, ob er meine Worte überhaupt wahrnahm. „Es ist früh am Morgen. Vielleicht schläft sie. Und mit großer Wahrscheinlichkeit ist sie nur ein Mensch. Das heißt du musst es langsam an gehen lassen." Langsam angehen lassen?! Manuel war in eine Raserei verfallen, seine Bestie lauerte dicht unter seiner Haut. Zarek neben mir dachte sich wahrscheinlich das gleiche. Abfällig schnaubte er. Noch immer raste Manuel vor uns die Stufen nach oben ohne auch nur zu stoppen. Das konnte nicht gut gehen. „Wenn du dich nicht ein klein wenig beruhigst, verschreckst du sie." Versuchte ich es ein letztes Mal. Doch es war hoffnungslos. Meine Worte kamen einfach nicht bei ihm an.

Wir befanden uns in einem einfachen Wohngebäude, in dem es mehrere Wohnungen gab. Hinter jeder Türe könnte sich Manuels Gefährtin befinden. Wenn sie den Lykae so sehen würde wie er jetzt gerade war, war ich mir ziemlich sicher, dass sie Reißaus nehmen würde noch bevor Manuel ein Wort vorbringen konnte. Drei Etagen weiter oben stoppte er vor einer Tür und fing dann wie ein kleines Kind, an der Türklinke zu rütteln an. Natürlich ging die Tür nicht einfach auf. „Manuel." Schrie ich entsetzt als ich sah was er vorhatte. Er wollte die Tür mit seiner Schulter aufbrechen. Maxim hinter mir schnappte nach Luft. „Lya." Rief er panisch aus und stürmte an mir vorbei um den wild gewordenen Lykae von der Türe wegzuziehen. Keine Sekunde später verstand ich auch warum. Ich nahm seinen Geruch war. Manuel hatte an der Tür des Vampirs gerüttelt und die Frau, die mit in dieser Wohnung wohnte, musste Manuels Gefährtin sein. Ebenfalls eine Vampirin, stellte ich ungläubig fest. Wie war es möglich, dass bisher noch nie, ein Lykae einen Vampir als Gefährten gehabt hatte und jetzt gleich zwei auf einmal? Das war ein zu großer Zufall, an dem ich nicht glaubte.

Gemeinsam mit Zarek und Lucas gelang es Maxim den Lykae, der seinen Schattenwolf gerufen hatte, zu Boden zu ringen. Für einen Menschen, der noch nie einen Lykae in diesem Zustand gesehen hatte, hielt er sich gut. Auch Zarek und Lucas hatten ihren Schattenwolf gerufen, sonst hätten sie keine Chance gehabt. Die Anwesenheit der eigenen Gefährtin verlieh dem Lykae noch mehr Kraft als ohnehin. Er musste sie verteidigen und beschützen, für sie sorgen. Seinen Verstand gab es in diesem Moment praktisch nicht mehr. Er wurde nur von seinem Instinkt beherrscht. Ich hatte den Verdacht, dass dieser Instinkt bei den Männern um ein vielfaches stärker ausgeprägt war, als bei den Frauen.

„Gib ihr das Blut und komm so schnell wie möglich wieder heraus. Wenn du es vermeiden kannst sie anzufassen, dann tue es." Befahl ich Maxim. Dieses Mal jedoch nicht wegen mir. Zumindest nicht ausschließlich. Zwar gefiel mir die Vorstellung, dass Maxim eine Frau berührte an der ihm etwas lag überhaupt nicht, aber ich war soweit bei Verstand, dass ich den Unterschied zwischen Sorge und irgendwelchen romantischen Gefühlen erkennen konnte. Ganz im Gegenteil zu Manuel. Mir zitterndem Körper und einem dauerhaften Knurren, welches den gesamten Flur erfüllte folgte er jeder Bewegung des Vampirs. In diesem Moment würde Manuel ihn umbringen, sollte er sich befreien können. Nicht nur ich roch das die Frau sich mit Maxim die Wohnung teilte, sondern auch Manuel. Das stachelte die Bestie, die rasend eifersüchtig und besitzergreifend war, zusätzlich an. Auch bei mir blieb es nicht wirkungslos, aber ich hatte etwas an das ich festhalten konnte. Maxim hatte mir ein klein wenig von ihr erzählt. Er hatte mich bis hier her mitgenommen und er hatte die ganze Zeit meine Hand gehalten. Manuel hatte dies nicht.

Ich sah mich nach rechts und links um. Noch hatten wir keine Zuschauer bekommen, was bei dem Krach, den wir veranstaltet hatten ein wahres Wunder war und wahrscheinlich nicht mehr lange so bleiben würde. Unruhig tauschte ich einen Blick mit Toni. Niemand durfte die Schattenwölfe sehen. Im Gegensatz zu den Vampiren konnten wir keine Gedanken kontrollieren. Und ich bezweifelte das Maxim dazu in der Lage war. Er wusste ja nahezu nichts über die Vampirwelt und auch wenn die Fähigkeit da war, musste sie trainiert werden.

Noch bevor Maxim seine Wohnung aufschließen konnte, wurde die Tür von innen geöffnet. Alle starrten wir auf den sich langsam vergrößernden Türspalt. Manuels Knurren war sogar verstummt, seine Haltung starr. Ich glaubte, er hielt sogar den Atem an. Zwischen Tür und Türrahmen erschien schließlich ein Mädchen. Sie war wirklich nur ein Mädchen und keine Frau. Ich schluckte als ich sie sah und verstand die Ungeheuerlichkeit, dessen was Maxim nach seinem Erwachen tat, seine Schuldgefühle und das Bedürfnis sich um sie zu kümmern viel, viel besser. Jegliche Eifersucht war wie weggeblasen. Als er sie gewandelt hatte, musste sie fünfzehn oder sechzehn Jahre alt gewesen sein. Sie würde zwar noch immer wachsen und älter werden, bis sie etwa zwanzig vielleicht auch Mitte zwanzig war, aber ehe es so weit war, würde es noch ein vielleicht auch zwei Jahrhunderte dauern. Sie brauchte jemand, der sich um sie kümmerte. Wie sollte sie, so zierlich wie sie war, in einer Welt, die so grausam wie die unsere war, alleine klar kommen? Ich würde kein Problem damit haben, wenn Maxim sich um sie kümmern wollte und würde ihn dabei unterstützen.

Der Blick des Mädchens huschte über Maxims Gesicht und sie schenkte ihm ein kurzes, erleichtertes Lächeln. Scheinbar hatte sie sich um ihn gesorgt. Wahrscheinlich hatte er schon viel früher zurück kommen sollen. Manuel schrie rasend vor Wut und Eifersucht auf. Erneut begann er sich gegen seinen Bruder und Zarek zu wehren, den Blick auf das Vampirmädchen fixiert. Sie starrte ihn an. Ich konnte ihren Blick nicht deuten, doch als Maxim sie in die Wohnung zurückdrängen wollte, wich sie seinen Händen aus und schlüpfte an ihm vorbei auf die Lykae zu. Ein entsetztes Keuchen entwich mir und ich wollte sie einfangen. Doch auch mir wich sie geschickt aus. Dann stand sie direkt vor den drei Lykae mit ihren Schattenwölfen. Ebenso wie Manuel ihr Gesicht fixierte, fixierte sie seins. Dann sah sie zu den zwei Männern, die ihn festhielten und sagte irgendetwas in einer Sprache, die ich nicht verstand. Verständnislos sahen Zarek und Lucas sie an, während Maxim einen ungläubigen Gesichtsausdruck zur Schau stellte. Manuel nutzte die kurze Unaufmerksamkeit der beiden und riss sich los. Bevor sie noch irgendetwas machen konnten, hatte er das Vampirmädchen in seine Arme geschlossen und knurrte jeden warnend an, der ihr und ihm zu nahe kam.

Das Erstaunliche war, dass das Mädchen die Umarmung erwiderte. Ich freute mich für Manuel, dass das Mädchen ihn scheinbar sofort akzeptierte. Trotzdem kam ich nicht umhin einen klein wenig Neid zu verspüren. Warum musste mein Vampir alles so kompliziert machen? Mein Blick wanderte zu ihm hin. Er sah fassungslos auf das ungleiche Paar.

„Können wir jetzt doch mit in die Wohnung?" fragte Zarek. Sein unruhig umher huschten Blick machte deutlich, dass auch er sich um eine Entdeckung sorgte. Abwesend nickte Maxim. Nach einem kurzen Kopfschütteln, wie um wieder im hier und jetzt zu landen, hielt er uns einladend die Tür auf. Toni und ich traten als erstes durch. Zarek und Lucas sahen zu Manuel, der nur auf seine Gefährtin zu achten schien. Schließlich war es Lucas, der das Wort ergriff. „Manuel, willst du sie nicht wieder herein bringen?" fragte er. Manuels Antwort war ein Knurren. Zarek verdrehte genervt die Augen. „Sie sieht ein wenig blass aus. Findest du nicht auch? Sie muss sicherlich Nahrung zu sich nehmen." Er konnte es nicht ganz unterdrücken. Bei dem Wort Nahrung verzog sich Zareks Gesicht. Zum Glück bemerkte es Manuel nicht. Das hätte erneut unnötigen Stress verursachen können. Momentan sollte seitens Manuel nicht mit Vernunft zu rechnen sein.

Mit diesen Worten hatte Zarek Manuels Aufmerksamkeit erreicht. Prüfend betrachtete er seine Gefährtin, die tatsächlich ein wenig schwach und blass wirkte. Mein Blick glitt zu Maxim. Auch er wirkte erschöpft und blasser noch als am Abend zuvor. Er hatte noch immer kein Blut zu sich genommen, fiel mir auf. Ich konnte das leise Gefühl der Sorge nicht unterdrücken, welches an mir nagte. Gerade jetzt wollte ich ihm seine Haare aus der Stirn gestrichen, nur um noch einmal durch seine wundervollen Haare zufahren, ihn dann an seiner Hand mit mir ziehen, irgendwohin, wo wir unter uns waren und ihn dazu bringen, endlich das für ihn lebensnotwendige Blut zu sich zu nehmen.

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Überrascht?

Irgendwer unter euch, der damit gerechnet hat?

[03] Wildes BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt