FOURTYFIVE

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-Maxim-
Schweigend und mit zusammen geballten Fäusten beobachtete ich wie Corinne auf der schmalen Straße zwischen den Häusern zusammenbrach. Keiner von ihnen fing sie auf. Ihr Kopf schlug mit einem harten Knall auf der geteerten Straße auf. Ich zuckte zusammen, die Zähne schmerzhaft fest aufeinander gepresst. Dieser Laut ließ eine Gänsehaut über meinen Körper wandern und hallte noch lange in meinem Verstand nach. Die Sorge raubte mir den Atem. Ich hasste es hier zu stehen und sehen zu müssen wie sie meine Gefährtin verletzten, wie sie sie betäubten und entführten. Gott verdammt, wie konnte sie so etwas von mir verlangen? Gefühlt hundert Mal hatten wir es durchgesprochen, alle möglichen Szenarien und Varianten in Betracht gezogen. Ich hatte gedacht, ich wüsste worauf ich mich einließ als ich schlussendlich meine Zustimmung gab, doch jetzt erkannte ich, ich hatte nicht die geringste Ahnung gehabt. Würde Kyle nicht neben mir stehen, die Hand auf meiner Schulter, um mich notfalls zurückzuhalten, ich würde das Versprechen, das ich Cori gegeben hatte, brechen. Sie ist kein Mensch, einem Mantra gleich sagte ich diese Worte immer wieder zu mir selbst.
Als der eine sie wie einen Sack Kartoffeln über seine Schulter warf, knurrte ich auf und wollte wieder besseren Wissens auf ihn hinabstürzen. Kyles Hand presste sich auf meinen Mund, um das Knurren zu ersticken, bevor er mich hinterrücks mit seinem gesamten Gewicht zu Boden riss. Dieser Bastard. Noch nie hatte ich so verbissen gegen ihn gekämpft und wir trainierten nahezu täglich. Den Ellbogen in seine Rippen, eine Drehung meines gesamten Körpers damit ich ihn ansehen konnte. Den Schlag in sein Gesicht fing er mit einer Hand ab und verdreht sie mir. Wir rollten über den Kies des Hochdaches, unser Blut färbte die Steine unter uns rot. Als er versuchte aufzustehen, hackte ich meine Beine in sein Fußgelenk und er fiel zurück. Dieses Mal war er nicht schnell genug, um meiner Faust auszuweichen. Es war ein befriedigender Laut als seine Nase brach und noch viel besser war der Anblick seines Bluts. Der Schlag in meinem Unterbauch brachte mich zum Keuchen, ein Kick gegen mein Schienbein sorgte dafür, dass ich das Gleichgewicht verlor.
Kyle war wieder über mir. Zwar sah ich seine Faust kommen, doch ich war nicht schnell genug. Blut lief aus meiner Augenbraue in mein rechtes Auge. Blinzelnd fauchte ich mehr Monster als Mensch.
„Was zur Hölle ist hier los?" Mit Gewallt wurden wir auseinandergerissen. Einen Moment noch versuchte ich mich loszureißen. Es war mir egal was mit Kyle passierte. Es war gut, dass er mich aufgehalten hatte, so sagte es mir zumindest mein Verstand, aber mein Innerstes brüllte auf, wegen dem Verlust meiner Gefährtin. Die Selbstvorwürfe, die ich mir machte waren enorm und niemand außer mir war daran schuld. Ich hätte mich einfach nicht von ihr dazu überreden lassen dürfen.
Ich versuchte mich zu befreien, doch wurde festgehalten. Wütend fauchte ich auf und fletschte wie in einem Rausch meine zu scharfen Fänge. Ich wollte zur Straße sehen, wollte wissen, ob Corinne noch da war. „Lass ihn los.", hörte ich eine weibliche Stimme sagen. Fast ging sie in dem Rauschen, in dem ich mich befand, unter. Der Griff verschwand und ich stürzte zur Dachkante. Sie waren weg. Corinne war weg. Alles in mir schrie als ich mich gewaltsam mit dem letzten Bisschen meines Verstandes dazu zwang mich zu beherrschen. Mit steifen, kontrollierten Bewegungen richtete ich mich auf.
„Wir finden sie, Maxim." Wieder die Frauenstimme. Sie klang nasal, aber bekannt. Langsam drehte ich mich um und erschrak als ich Alice erkannte. Ihr helles Top war mit einer Blutlache verziert. Den Kopf leicht in den Nacken gelegt, hielt sie ihre Nase, aus der das Blut in Strömen ran. Ihre Wange zierte eine blaugrüne Schwellung, als sie einen Schritt auf mich zu trat, humpelte sie. Während ihr Blick Mitgefühl ausdrückte, war der Blick ihres Gefährten, welcher auf mir lag, mörderisch. Kyle stand neben seiner Schwester, den Kopf zurückgelegt, die Nase haltend, damit sie gerade zusammenwuchs, während sie heilte, eine blaugrüne Schwellung auf der Wange.
Erst jetzt verstand ich wirklich was Kyle einmal meinte, als er einmal sagte: „Wir teilen alles."
„Es tut mir leid Alice, Kyle." Kyle nickte, während Alice mit den Schultern zuckte. Alexandr sah mich weiterhin finster an, zu Recht. Auch ich würde niemanden so einfach verzeihen, der meine Gefährtin derart zurichtete.
„Wir sehen uns.", meinte ich. Im nächsten Moment stand ich in dem Apartment, das wir bewohnten.
„Maxim, was machst du schon ..." Lya verstummte als sie meine blutbefleckte Kleidung realisierte, während ich die Stirn runzelte. Lya hatte durch Manuel einige große Fortschritte gemacht. Sie war offener, selbstsicherer und längst nicht mehr so ängstlich. Der Lykae tat ihr sichtbar gut, aber so forsch trat sie üblicherweise trotzdem nicht auf. „Was ist passiert?", fragte nicht Lya, sondern Manuel. Er ließ sie so gut wie nie aus den Augen. „Sie haben Corinne."
Lya schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund und zitterte, während Tränen in ihren Augen standen. Manuel schwieg, doch seine Miene wurde grimmig. „Wo sind die anderen?"
Schulter zuckend sah ich ihn an. „Ich hab keine Ahnung.", gestand ich. Es war ein Zufall gewesen, dass ich es mitbekommen hatte. Wir hatten trainiert als Kyle mir mitteilte, dass er kurz weg müsse, da Lynn heute einen neuen Auftrag bekam. Um nicht womöglich ewig auf ihn zu warten, hatte ich beschlossen ihn zu begleiten. Auf dem Dach eines Bürogebäudes hatten wir neben einem der Lüftungsschächte gehockt, um das Gespräch in dem Büro zu belauschen. Mit menschlichen Ohren hätten wir so etwas nie hören können, doch als Vampir schien mir mittlerweile nichts mehr unmöglich. Lynn sollte ein Aufklärungsteam leiten, dass eine Mordserie in Minneapolis untersuchte. Sie hatte zugestimmt. Während Kyle sich fürchterlich darüber aufregte, ich hatte noch immer nicht verstanden wie die beiden zueinander standen, hatte ich von dem Dach in die Straßen gesehen und war erschrocken als ich beobachtete wie Corinne durch die Straße hastete. Allein ohne jegliche Bodyguards. Auf den Dächern war ich ihr unbemerkt gefolgt und hatte mich gefragt, was das sollte. Ich sollte dabei sein, wenn es soweit war. Furchtbar wütend hatte ich mich trotzallem zurückgehalten.
„Warum haben sie die Aktion ohne mich gestartet?", brüllte ich nun durch den Raum.
„Corinne hatte vier Bodyguards mit, Maxim.", erklärte mir Lya. „Sie... es hat etwas gefehlt und sie wollte es unbedingt kaufen. Sie haben nicht ohne dich begonnen."
„Was zum..." ich wusste, dass ich mich unnötig aufregte. Es war unser Plan gewesen. Er war aufgegangen, wenn auch früher als geplant. Als die anderen meinten, dass sie womöglich mich entführen würden, umso an Corinne und dadurch an Logan zu kommen, war es eine immense Erleichterung für mich gewesen. Allerdings hatte Corinne Recht behalten, die Lykae wagten sich nicht an mich heran. Bei der erst besten Gelegenheit hatten sie Corinne entführt, statt mich und ich hatte ihnen die letzten Wochen mehr als nur genügend Gelegenheiten geboten. Absichtlich. War ich dabei womöglich zu auffällig gewesen, überlegte ich nun.
„Antonia, Lucas könnt ihr sie orten?" Die Frage war rein hypothetisch. Sollten sie Corinne nicht mit dem verdammten Peilsender finden können, wusste ich nicht wie dies für die anderen Enden würde. Mit Sicherheit nicht gut. Ich hatte das Gefühl als bewegte ich mich am Rande des Wahnsinns. Während mein Verstand mir sagte, dass wir genau das erreicht hatten, was wir erreichen wollten, war mein Inneres außer Rand und Band. Jedes falsche Wort könnte den letzten Rest meines Verstandes vernichten und dann würde ich wohl wahrlich zu dem Monster werden, für das ich mich so lange hielt.
„Ja, sie sind noch unterwegs.", meldete Toni kurz darauf und ich atmete erleichtert auf. Wir hatten Corinne mit einem Peilsender ausgestattet, den Walkers Leute mit Sicherheit nicht finden würden. Er saß etwa zwei Zentimeter über Corinnes rechten Hüftknochen in der Haut. Es hatte einiges an Geduld und Verhandlungen gekostet bis Corinne sich damit einverstanden erklärt hatte. Auch ich hatte schlussendlich einem Peilsender zustimmen müssen, dass war ihre Bedingung gewesen.
Manuel hätte Lya am liebsten auch einen Peilsender verpasst, überraschenderweise hatte sie ihn dies erfolgreich ausreden können. Wobei ausschweigen wohl besser passte, da Lya zwei Tage nicht mit ihm gesprochen hatte bis er sie mit dieser Idee in Ruhe ließ.
„Toni, Lucas ihr bleibt an Corinne dran. Wenn ihr irgendwelche Verkehrskameras benutzen könnt, dann tut das. Ich will wissen mit welchem Auto sie unterwegs sind, wer bei ihr ist, wo das Versteck ist und wer da alles ein und ausgeht.", bestimmte Timon. „Der Rest kommt mit. Till, du nimmst ihre Witterung auf."
„Wem seine?", unterbrach der Angesprochene Timon.
„Die von Zarek.", knurrte Timon.
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#läuft auf einmal gar nicht mehr so nach Plan ...

#morgen kommt schon das nächste ;)

[03] Wildes BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt