FIFTYFOUR

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-Corinne-
Es war das zweite Mal, dass ich in einem Krankenhaus eingebrochen war. Hatte ich das letzte Mal Angst gehabt, so war dies nichts im Vergleich zu der Angst, die mich nun an Maxims Bett sitzen und keine Sekunde ruhen ließ.
Nach dem wir Maxim so viel meines Blutes eingeflößt hatten, dass ich irgendwann zur Seite wegsackte, hatten die Jungs Maxim und mich in unser Appartement gebracht. Wir hatten unsere Wunden gegenseitig versorgt. Bei allen war nach zwei Tagen nichts mehr zu sehen. Außer bei Maxim. Dieser war noch immer nicht zu sich gekommen, die Wunden heilten zu langsam und rundherum um die Wunde an seiner Seite bildeten sich blau-lila-schwarze Fäden. Beim Menschen waren dies Anzeichen für eine Blutvergiftung. Verzweifelt nach einer Lösung suchend hatten wir die Vampire um Rat gefragt, doch sowohl Tamara wie auch ihre Brüder hatten ahnungslos mit den Köpfen geschüttelt. Es war der Goldstaub in seinem Blut der ihn tötete. Schluchzend und mich an Maxims bewegungslose Gestalt klammernd war ich zusammengebrochen. Keiner hatte irgendetwas gesagt, weil es nichts zusagen gab. Zarek hatte die Vampire raus gescheucht damit ich allein bei Maxim sein konnte.
Irgendwann war ich es trotzdem nicht mehr gewesen. Kyle war schlussendlich hereinspaziert und hatte sich ungefragt auf die andere Seite von Maxim niedergelassen. „Was willst du hier?" hatte ich ihn angefaucht. Warum war er nicht bei Maxim gewesen? Die beiden waren die letzten Wochen Freunde geworden, die meiste Zeit, die Maxim nicht mit mir verbrachte war er mit dem dunkelhaarigen Vampir unterwegs gewesen.
„Die Idee ist verrückt, aber was wäre, wenn wir eine Blutwäsche durchführen?", hatte Kyle mich gefragt und das erste Mal seit mehreren Stunden hatte ich mich nicht dem Schmerz und der Verzweiflung hingegeben.
„Wie meinst du das?", unsicher hatte ich ihn angesehen. Die Angst, dass er Scherze machte oder ich seine Andeutung falsch verstanden hatte, war riesig.
„Wie viel weißt du von der Dialyse?", hatte er erwidert und mich mit einem ernsten Gesichtsausdruck wartend angestarrt.
„Nichts.", war meine ahnungslose Antwort gewesen.
„Bei Menschen wird die Dialyse eingesetzt, wenn ihre Nieren versagen. Dann können diese nicht mehr die Harnstoffe aus dem Blut filtern und der Mensch würde vergiften. Bei einer Dialyse werden diese Harnstoffe über Membranen herausgefil..."
„Kyle! Egal, kann das funktionieren?", unterbrach ich dem Vampir, der auf einmal in seinem Element zu sein schien, denn ich wollte keine einzige Sekunde verschwenden, wer wusste schon wie viel Zeit uns noch blieb.
„Wenn der Goldstaub klein genug ist, besteht die Möglichkeit. Aber ich kann dir keine Garantie geben." Kyle sah mir fest in die Augen, um sich zu vergewissern, dass ich ihn auch wirklich verstanden hatte.
„Ist mir egal, wir machen es.", bestimmte ich entschiedener als je zuvor.
„Dafür müssen wir aber in ein Krankenhaus einbrechen und ein paar Menschen manipulieren.", gab er zu bedenken. Lykae hassten die Manipulation von Menschen, es war einer dieser Gründe warum ich Vampiren gegenüber einen gewissen Argwohn hegte.
„Von mir erfährt niemand etwas.", erklärte ich. Kyles Lippen verzogen sich zu einem schiefen Grinsen, dass seine Augen nicht erreichten. „Na dann."

„Und?", fragte ich mit einem bangen Blick zu Kyle. Seit knapp zwei Stunden saßen wir nun schon hier und noch immer bemerkte ich keine Veränderung an Maxim. Sein Gesicht war nach wie vor bleich, die Kratzer waren noch immer nicht verheilt und gerührt hatte er sich ebenfalls nicht.
„Ich weiß es nicht.", gab Kyle stirnrunzelnd zu, während er das Gerät musterte und irgendetwas nachschaute. Es hatte mich gewundert woher er soviel wusste und irgendwann hatte er von sich aus erzählt, dass er Medizin studierte. Dies war etwas, dass ich den vorlauten Vampir niemals zugetraut hätte. Allerdings hatte er mich überzeugt. Seine Bewegungen wirkten koordiniert als er Maxim mit der Maschine verband und seine Erklärungen, die er dabei für mich von sich gab, waren zwar manchmal etwas zu kompliziert für einen Leien wie mich, aber ich merkte ihm an, dass er wusste was er tat. Das reichte mir. Es war ein seltsames Gefühl einen Vampir, einen anderen Vampir als Maxim, so viel Vertrauen entgegen zu bringen. Nicht einmal Tamara gegenüber brachte ich dieses Vertrauen hervor, welches ich nun Kyle zugestand. Vielleicht lag es daran, dass Maxim ihn mochte oder dass er mir die einzige Chance bot, um das Leben des Mannes zu retten, den ich liebte... aber ich vertraute Kyle so wie ich es auch bei Zarek tat.
„Co..." es war nur eine Silbe meines Namens, gebrochen, kaum verständlich. Seine Stimme rau, mehr ein gequältes Stöhnen. Doch es war das Schönste was ich meinte je gehört zu haben.
Meine Augen fuhren zu Maxims Gesicht. Seine Lippen bewegten sich einen kurzen Moment noch ohne das ein Laut von ihm kam, dann war nichts mehr. Stille senkte sich über den Raum, nur die Geräusche des Dialysegeräts im Hintergrund. „Maxim!", rief ich. Meine Hand lag auf seiner Brust, sein Herz schlug. Warum sagte er nichts mehr? Wieso schlug er nicht die Augen auf? Was war los? Panisch rüttelte ich an ihm.
„Hey!", riss mich Kyle einmal mehr aus meiner Verzweiflung und legte mir tröstend eine Hand auf die Schulter. „Alles gut. Er ist den Lebenden schon wieder näher als den Toden."
„Wirklich?"
„Versprochen.", versicherte Kyle mir. Ich wusste nicht in Worte zu fassen wie dankbar ich ihm für seine Unterstützung war, deswegen hoffte ich, dass er es in meinem Gesicht sah. Er nickte mir zu und stand dann auf. „Ich schau mal kurz raus, nicht das wir doch noch unerwünschten Besuch bekommen.", meinte er. Kyle hatte das Personal manipuliert, damit wir diesen Raum und das Gerät nutzen konnten.

[03] Wildes BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt