YUKIO PoV
Nachdem wir wieder zu Hause ankamen und feststellten, dass Erwin nicht da war, half ich Levi dabei, die Sachen von den Preisschildern zu befreien und sie danach in den sich im Bad befindlichen Wäschekorb zu bringen, damit sie den für neue Klamotten typischen Geruch verloren.
"Komm, wir trinken eine Tasse heißen Kakao, ist schließlich ziemlich kalt draußen.", meinte Levi, nachdem ich auf dem Flur beinahe mit ihm zusammengestoßen wäre. Schnell nickte ich; Kakao ging immer.
Kurze Zeit später saßen wir zusammen in der Küche und tranken Kakao. Kaum hatte ich angefangen, aus der Tasse zu trinken, merkte ich, wie mir langsam wieder warm wurde. Levi, welcher neben mir saß, las die Zeitung, welche heute im Briefkasten war. Ich sah zu ihm rüber, auf das vollgeschriebene Zeitungsblatt.
"Brand in der A-r-a-b-o-v- Straße.", las ich die große Überschrift vor, wenn auch sehr stotternd. Der Straßenname war wohl das komplizierteste Wort, was ich jemals gesehen hatte, weswegen ich beinahe jeden Buchstaben einzeln aussprach.
"Du kannst lesen?", fragte Levi mehr oder weniger perplex. Ich nickte. "Im Waisenhaus mussten wir alle in die Schule, sobald wir sechs Jahre alt wurden."
"Und da kannst du jetzt schon lesen?" Er sah kurz zurück auf die Zeitung -wahrscheinlich kontrollierte er, ob das auch stimmte, was ich da gelesen hatte- und sah mich dann wieder an.
"Liest du denn gerne?", war seine nächste Frage, welche ich mit einem Nicken bejahte. "Warte mal kurz hier." Mit diesen Worten war er auch schon verschwunden. Ich widmete mich meinem Kakao, welcher kurz darauf leer war. Ich sah zu der Überschrift, welche ich eben gelesen hatte und betrachtete das Bild darunter. Es zeigte das Waisenhaus, in welchem ich gelebt hatte. Jedoch konnte man es kaum wiedererkennen, da es nur noch ein ausgebranntes, schwarz verkohltes Gerüst war. Drumherum lagen Reste der Fassade, nur an einigen wenigen Stellen war die typische rotbraune Farbe der Backsteine zu sehen.
Levi kam mit einem kleinen Buch wieder, offensichtlich ein Kinderbuch. "Das haben wir hier, für den Neffen von einem Freund, wenn er uns besuchen kommt.", erzählte er und setzte sich an seinen ursprünglichen Platz. "Darf ich dir vorlesen?", fragte ich und lächelte bittend. Levi gab nur ein "Tch. Sonst hätte ich es ja nicht geholt." von sich, was ich als Bestätigung nahm und anfing zu lesen. Levi half mir, indem er meine Fehler korrigierte.
Ich hörte erst auf, als einige Zeit später das Schloss der Tür knackte und Erwin mit einem "Bin wieder da!" das Haus betrat. Er kam zu uns in die Küche, gab Levi einen Kuss -ich fand es schon immer eigenartig, wenn sich Erwachsene küssten- und wuschelte mir einmal durch meine braunen Haare. "Na, was macht ihr denn hier?", fragte er, als er sich auf einen Stuhl niederließ.
"Ich lese Levi was vor.", sagte ich und hielt das Buch hoch. "Du kannst schon lesen?", wollte Erwin wissen und sah überrascht aus. "Ja.", schmollte ich, "Ich kann das sogar sehr gut."
"Naja, sehr gut ist was anderes, aber schonmal besser als es für Sechsjährige üblich ist.", meinte Levi und legte seine Zeitung weg. "Na gut, aber jetzt ist erstmal gut mit lesen. Ich hab Kuchen mitgebracht. Lasst uns essen und dann auf einen Spielplatz gehen.", schlug Erwin vor und ich nickte begeistert. Wir aßen also den Kuchen, den Erwin mitgebracht hatte. Nach einem Stück Schokokuchen war ich jedoch satt, als hätte ich einen Elefanten verspeist. "Na dann, zieh dich mal an. Oder willst du nicht?", fragte Erwin. Ich nickte. "Doch, möchte ich. Ich möchte wissen, wie es hier aussieht." Schnell zog ich mir Jacke und Schuhe an und wartete an der Eingangstür auf Erwin und Levi. "Wo bleibt ihr denn?", fragte ich, als es mir eindeutig zu lange dauerte. "Ja, Moment, wir sind etwas älter als du.", meckerte Levi und kam angetrottet. "Jetzt hab dich mal nicht so, du bist gerade mal 25 Jahre alt, Levi.", meinte Erwin, welcher hinter Levi auftauchte und sich nun auch die Schuhe anzog.
Kaum hatten die beiden sich ihre Schuhe und Jacken angezogen und alles eingepackt, was sie brauchten, gingen wir auch schon los. Levi und Erwin liefen nebeneinander und hielten Händchen, wärend ich neben Erwin lief und seine Hand nahm, da ich Angst hatte, hier, in dieser fast schon fremden Stadt, verloren zu gehen.
Wir liefen einige Zeit durch die Siedlung, welche voll von neu aussehenden Häusern war, ehe wir an einem Spielplatz ankamen, auf welchem einige Kinder spielten. Levi und Erwin setzten sich auf eine Bank, welche ein paar Meter neben dem großen Sandkasten stand. "Na los, Kleiner, geh spielen.", lächelte Erwin mich aufmunternd an. "Während du spielen bist, erzähle ich Levi, wo ich heute war. Also hab keine Angst, wir gehen nicht weg."
Levi nickte. "Uns wirst du nicht so schnell wieder los.", murmelte er, jedoch so leise, dass ich mir nicht sicher war, ob er dies wirklich gesagt hatte. Langsam ging ich auf das große Klettergerüst zu. Der Spielplatz war viel größer als der im Garten des Waisenhauses. Dort hatten wir nur eine alte Schaukel, welche aus morschen Baumstämmen bestand und eine Rutsche, welche wackelig auf ihren alten Holzpfeilern stand. Auf dem Spielplatz, auf welchem ich mich jetzt befand, standen jedoch sehr viele verschiedene Dinge. Eine große Rutsche, welche man nur über ein umfangreiches Klettergerüst erreichen konnte, zwei Schaukeln und vieles mehr.
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New Life?! ~Eruri Fanfiction~
FanfictionWaisenkinder. Waisenhaus. Waise. Bisher drehte sich alles in Yukio's Leben um den Begriff "Waise" und was noch so damit zu tun hat. Er hatte in den kurzen sechs Jahren seines Lebens bisher nichts anderes kennengelernt als das Waisenhaus. Ach ja, u...