"Das war kein Coup!"

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Diese alten Schlösser waren leicht zu knacken. Die Musik summte mir noch durch den Kopf während ich mich vor der matt beleuchteten Tür in die Knie ließ und mein Handwerkszeug aus meiner Hosentasche zog. Meine Lieblingssängerin sang in dem Lied von dem Fallen, dem sich Aufrappeln und Weitermachen. Ich hatte fast zwei Stunden lang ihre Alben abgespielt bevor ich losgegangen war. Jeder Einbruch war eine Sache für sich und obwohl sie langsam zur Routine werden sollten, war ich noch vor jedem aufgeregt. Musik half mir mich zu beruhigen. Um diese Uhrzeit waren die Straßen leer und ich achtete sehr darauf, unauffällig zu Werke zu gehen. Ein Treppengeländer das mehrere Stufen bis zur Tür hoch führte, war im altmodischen Stil elegant geschwungen und bot mir ein Bisschen Blickschutz, falls ein Hundebesitzer seinen Wau Wau mitten in der Nacht Gassi führen sollte. Ich hatte kein gutes Gefühl bei diesem kriminellen Scheiß. Aber ich war darauf angewiesen. Ich liebte Musik. Ich glaube, ohne sie hätte mich mein Lebenswille längst verlassen.

Die Tür klickte, ich legte vorsichtig eine Hand auf den Türknauf und drehte. Ich hatte keinen Schimmer davon ob Jemand zu Hause war. Für den Fall dass es so war, wünschte ich diesen Leuten einen tiefen Schlaf. Die Wahl heute hier einzubrechen, war vorhin ganz spontan gefallen. Auch wenn ich es eigentlich besser wusste, vermied ich es professionell an solche illegalen Aktionen heranzugehen. Denn eigentlich hoffte ich, bald wieder mit solchen Aktionen aufhören zu können. Allerdings ist es nicht leicht Geld zu verdienen, wenn man minderjährig ist und kaum irgendwelche Voraussetzungen für einen Job erfüllt. Ich trug Zeitungen aus - aber das reicht nicht um sich eine Wohnung zu finanzieren. Die Tür ging auf und streifte über dicken Teppich.

Ich setzte einen Fuß in einen schmalen, langen Flur von dem mehrere Türen abgingen und der weiter hinten in eine Treppe mündete. Vorsichtig drückte ich die Klinke und schloss die Tür hinter mir. Mittlerweile hatte ich mir den Reflex nach einem Lichtschalter zu suchen abgewöhnt. Wenn man nicht entdeckt werden wollte war es eher kontraproduktiv bei einem Einbruch das Licht einzuschalten. Ich holte meine Taschenlampe aus dem Rucksack und tastete mit dem Lichtkegel die fremde Umgebung ab. Die erste Tür führte in die Küche. Ein großer ovaler Holztisch stand unter einem Fenster mit hübschen Vorhängen. Gegenüber der Anrichte mit Herd und Kühlschrank befand sich eine Vitrine mit edleren Geschirrstücken. Um den Inhalt genauer zu begutachten schlich ich näher heran. Alte Teller und Vasen konnten wertvoll sein. Ich hatte keine Ahnung wie es mit diesen hier stand. Das Glas spiegelte das Taschenlampenlicht. Der kleine hölzerne Vitrienenknauf konnte gedreht werden und ließ so ein Scharnier aus seiner Fassung springen. Bis ich das herausfand ruckelte ich zunehmend stärker an der Tür, bis sie zu klirren begann. Eher aus Zufall bemerkte ich das mit dem Türknauf. Vorsichtig fasste ich an der Glastür und den hübsch in Pose gesetzten Geschirrstücken vorbei um eine kleine Vase zu erreichen. Ich holte sie an den Fingerspitzen aus dem Schrank.

Das weiße Porzellan war kalt in meiner Hand und die Bemalung fühlte sich rau an. Ich drehte sie um sich selbst. Wie viel war so etwas wert? Wahrscheinlich würde ich in den anderen Zimmern etwas Besseres finden. So lange konnte ich mir noch überlegen ob ich die Vase mitnehmen wollte. Ich stellte sie zurück und warf einen kurzen Blick über die restlichen Ablageflächen der Küche. Hier war nichts mehr von Interesse, also begab ich mich zurück in den Flur. Die nächste Tür führte in ein größeres Zimmer. In der Mitte des Raums stand eine Sitzecke vor einem Flachbildschirm. Gleich daneben war eine Stereoanlage angebracht, die CD's lehnten als blanke Scheiben zwischen einem Stapel (vermutlich leerer) CD Hüllen und der Wand. Bei diesem Anblick biss ich mir schmerzhaft die Zähne aufeinander. Ich wandte den Blick ab und versuchte mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Die Wand gegenüber war von Bücherregalen bekleidet, in denen die Buchrücken fast nahtlos ineinander übergingen. Vor einigen Büchern nahmen kleine Standbilderrahmen mit Fotos oder merkwürdige Figuren besondere Positionen ein. Ich schlich vor das Regal und sah mir die Figuren an. Ob die was wert waren? Engel aus Porzellan die in dramatischen Gesten die Hände über den Kopf hoben. Der Fernseher jedenfalls war etwas wert. Aber der war zu groß um ihn transportieren zu können. Super. Ich war für diesen Job wie geschaffen: Es ging mir jedes Mal so. Außer von Barem kannte ich von so gut wie nichts den Marktwert. Also schlich ich zunehmend frustriert zu der Stereoanlage und sah mir nacheinander die CD's an. Oh. Da schien Jemand etwas von den alten Legenden zu halten. Ich staunte nicht schlecht während ich die verschiedenen Covers studierte. Dann quollen mir fast die Augen über als ich in dem schummrigen Licht noch etwas genauer hinsah. Das waren nicht irgendwelche Neuauflagen, die Dinger hier waren Originale. Meine Güte. Das machte die unvorsichtige Aufbewahrungsart des Besitzers nur noch schlimmer.

Die Diebe des MondamulettsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt