Das erste, das mir förmlich ins Auge sprang als ich mein Zimmer betreten hatte, war nichts anderes als ein dunkelroter spitzen BH und ein Fleck auf meinem weißen Bettlacken.
"Das ist doch wohl ein schlechter Witz" brummte ich augenrollend und freute mich doch ein wenig über diese Ablenkung.
"Hey" meldete sich mein Bruder plötzlich ohne Vorwarnung hinter mir, zu Wort. "Hast du nichts zu tun?" giftete ich ihn verägert an, nachdem ich mich armeverschränkend zu ihm gedreht hatte. "Wo warst'n du gestern noch?" erkundigte sich Caleb, meine Frage dezent ignorierend.
Ich zuckte mit den Schultern und hatte nicht vor ihm auch nur ein Detail zu nennen.
"Seh ich so aus, als würde ich dir das sagen?" knurrte ich und lies mich auf meine Bettkante nieder. "Jetzt zick doch nicht so rum" beschwerte er sich und hob entnervt seine Hand. "Ich hab schlechte Laune" erklärte ich Caleb zähneknirschend und starrte auf seine Füße. "Jetzt wo du es sagst, fällt es mir auch auf" meinte er sarkastisch und lehnte sich lässig an meinen Türrahmen an.
Das tat er immer. Er betrat irgendwie absichtlich nie mein Zimmer, stattdessen gab er sich jedesmal mit dem Flur oder meinem Türrahmen zufrieden.
"Ha-ha" sagte ich trocken. Konnte er nicht endlich abhauen? "Du hast dich gestern einfach verzogen, das war echt uncool. Ohne mir oder irgendjemanden was davon zu sagen" "Du hast dir doch keine Sorge gemacht, oder?" fragte ich ihn höhnisch, worauf Caleb gleich sein Gesicht verzog. "Quatsch, haha" lachte er angestrengt. "Ich nicht, aber Mom und Dad. Ist ihr Job weißt du? Meckern und versuchen immer deinen derzeitigen Standort zu wissen. Sonst werden sie crazy" Er grinste. "Vor Sorge und dazu hast du eingiges verpasst"
Das war mein geringstes Problem zu diesem Zeitpunkt, aber klar. Wenn er meinte. "Der BH da, der hat nh abgedrehte Geschichte" erklärte mein Bruder mit einem verträumten Grinsen. "Wow" erwiderte ich gespielt. "Und jemand hat die Treppe vollgekozt. Erst wollte ich es dir aufheben, damit du es wegputzen kannst wenn du wieder zurück bist. Aber du kennst Mom. Sie lässt nicht gern Gekotztes rumliegen" "Du solltest dich selbst hören" meckerte ich dessinteressiert.
"Das tue ich" behauptete er. "Das tut jeder, oh mann Harriet. Weißt du man hört seine Stimme zwar veränd...-" "Schon gut!" rief ich ihm dazwischen. "Ich kann dich aber nicht mehr hören!" "Ich kann nerven, wenn ich was will" gestand Caleb mit funkelnden Augen. "Also, entweder du gibst mir jetzt eine Antwort oder es donnern zehn Geschichten von Claire auf dich ein, die alle damit enden wie sie diesen BH verliert" drohte er und ich stieß einen Seufzer aus.
"Ich war bei Brooke" log ich und rümpfte meine Nase. "Gelogen" rief er und ich blickte ihn eingeschnappt an. "Nicht gelogen!" "Oh doch!" "Oh nein!" "Also, es war erst kurz vor zehn als ich noch einen Punsch...-" "Stopp!" forderte ich kreischend und sprang auf meine Füße. "Und jetzt verzieh dich!" "Nicht bevor du,..-" "Terry, okay? Ich war bei Terry. Verdammte Scheiße" brüllte ich.
Seine Haltung versteinerte sich und sein Kopf nickte langsam. "Du warst die Nacht bei Terry?" wiederholte er vorsichtshalber nochmal. "Ja!" "Freundschaftlich?" "Nein." Caleb grinste verschmitzt. "Verstehe" "Halt deinen Mund. Du verstehst nicht das geringste" forderte ich wild. "Stimmt" meinte er skeptisch. "Wenn's gut gelaufen wäre, wärst du jetzt noch nicht hier, denn es ist elf Uhr morgens. Andererseits wärst du viel freundlicher"
Jaa. Er hatte ja so Recht.
"Gehst du, wenn ich sage 'Du hast Recht?'" knurrte ich und bewegte mich wieder auf mein geliebtes Bett zu. "Ich will helfen" widersprach mir mein Bruder netterweise schon wieder. "Wobei?" wollte ich verdattert wissen, während ich mir ein Kissen schnappte und es auf den Fleck drückte. "Liebeskummer. Weißt du was?"
Caleb's Stimme wurde immer leiser, denn er verschwand endlich aus meinem Blickfeld, doch tauchte mit einem kleinen Zettel in der Hand kurzerhand wieder auf. "Hier" Er drückte mir das Stück Papier in die Hand und starrte zufrieden darauf. "Die Kummernummer?" fragte ich ihn mit einem Hauch von Spott, als ich die Nummer entdeckt hatte.
"Peter's Nummer" korrigierte mein Bruder mich und tippte demonstrativ darauf. "Ruf ihn an" "Nein" "Stimmt. Du bist gerade im Zickenmodus, da nimmt mein keine Ratschläge an" sagte er augenrollend und ich biss mir auf meine Lippen. "Stimmt nicht" fauchte ich. "Ich mag Peter einfach nicht"
"Sicher. Er ist echt ein übler Typ" lachte Caleb und wanderte zu meiner Zimmertür. "Du hast Recht" brummte ich und hoffte inständig, dass er mich jetzt endlich heulen lassen konnte. "Warum hat er denn Schluss gemacht?" erkundigte sich Caleb noch ganz unschuldig bei mir. "Raus!" forderte ich und rannte auf ihn zu. "Schon gut, schon gut" murmelte er plötzlich ganz kleinlaut und sprang ruckartig durch den Türrahmen auf den Flur.
"Lass mich jetzt einfach zu Frieden" murmelte ich gestresst und fuhr mir mit rollenden Augen durchs Gesicht. "Wenn du was brauchst, ich bin nebenan" informierte mich Caleb gutmütig und verzog sich in sein Zimmer.
Mit der Zeit verflog die Wut auf Terry und ich versuchte mich angestrengt auf andere Dinge zu konzentrieren. Wie schlafen, damit mein Kopf frei wurde. Ich wollte einfach nicht mehr an ihn denken, er war es nicht wert.
Ich griff nach meinem Handy und starrte auf das Stück Papier, auf dem Peter's Nummer geschrieben stand.
Nein. Nein, ich konnte das nicht.
Schnell tippte ich Brooke's Nummer auf dem Display ein und legte meinen Kopf auf einem der Kissen meines Bettes ab. Während auf der anderen Seite der Leitung noch funkenstille herrschte, blickte ich starr auf meine weiße Decke über mir.
"Ja? Hallo?" ertönte die nette Stimme meiner Freundin. "Hi, hier ist Harriet" sagte ich nicht sehr freundlich, was mir aber erst im Nachhinein aufgefallen war. "Schätzchen. Sag mal wo warst du denn gestern? Ich musste mich mit Peter und Lex begnügen" Lex? Peter??? "Keine Ahnung. Bin um die Häuser gezogen" erklärte ich stirnrunzelnd und befasste mich mit dem Gedanken, was Brooke mit Peter zu tun hatte. "Mit wem?"
Gerade wollte ich mir irgendeinen doofen Namen ausdenken, doch dann fragte ich mich wen ich hier anlog und warum. Ich hatte doch nicht mal einen guten Grund dazu, einen guten Grund zu lügen gab es so gut wie nie.
"Terry" antwortete ich knapp und biss mir dabei fest auf die Innenseite meiner Wange. "Wow, seit Kurzem scheint ihr euch näher zu kommen." stellte sie mit beeindrucktem Ton fest, worauf ich einen Seufzer ausstieß. "Dabei mag dich Peter doch so" ergänzte Brooke schmollend. "Was sagtest du?" "Du hast mich schon verstanden" meinte sie lachend. "Woher willst du das wissen?" "Weil er es mir gesagt hat?" brummte meine Freundin wahrscheinlich gerade mit verdrehenden Augen. "Wenn man betrunken ist, wird man zum ehrlichsten Menschen, Glaub mir" Ich musste erstmal meine Gedanken sortieren.
"Das glaub ich dir nicht" musste ich gestehen. "Das glaub ich dir nur zu gut, dass du mir das nicht glaubst" "Warte mal. Es gab Alkohol?" fragte ich verwirrt und hob meinen Kopf vor Schreck leicht an. "Ja" "Auf unserer Party?" "Ja" wiederholte Brooke. "Ich dachte, naja ist auch egal" "Jetzt erzähl" forderte sie neugierig. "Du und Terry, ist das jetzt was ernstes?"
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Betrayal
Mystery / Thriller"Der Mensch ist kein Mensch, wenn er aufgibt zu kämpfen." Harriet Thompson, erst siebzehn und schon ist ein Typ hinter ihr her, der alles für sie tun würde und dem sie blind vertraut. Nach dem Tod ihrer Eltern sind ihr Bruder und sie auf sich allein...