Kapitel 32 | Panikattacke

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C a l e b

Nachdem ich Harriet's Hand losgelassen hatte, schlich ich dem Polizist geduckt nach und ich konnte mein Herz wild gegen meine Brust hämmern hören.

Vereinzelt begannen die Lampen zu flimmern und flackern und es ertönte ein furchtbares Rauschen in meinen Ohren. Der Gang erschien mir unendlich lang und ich wollte den Officer über den Haufen rennen, weil er so gelassen ging und sich Zeit lies.

Ich sah gleich die Leichen.

Die Leichen meiner Eltern.
Alles in mir stellte sich auf den Kopf und meine innere Stimme rief mich zu meiner Schwester zurück, aber ich wollte nicht auf sie hören.

"Wir sind da" erwiderte die raue Stimme des jungen Mannes und ich konnte sehen, dass er schon den Türknauf in der Hand hielt.
Sein Zögern bedeutete wohl, dass ich jetzt nicken oder meinen Kopf schütteln sollte.
"Machen sie auf" presste ich mühsam hervor und mein Blick lag auf der weißen Bekleidung der Tür.

Der Mann stieß die Tür auf und betrat das helle Zimmer.
Ich wollte weg, aber ich lies es mir keineswegs anmerken.

"Sie sehen nicht bereit aus" stellte er fest und diese Aussage reizte mich.
"Ich wäre nie ganz dazu bereit. Ich Versuch es ja" entgegnete ich trocken und stellte meinen Fuß in den Raum, in denen sich die Leichen befanden.

Der Cop begrüßte den alten Mann, der mir erst jetzt ins Auge gesprungen war.
Er war so klein und weißhaarig und sofort erinnerte er mich an dutzende Serien, bei denen die Mediziner auch alt waren.

"Guten Tag" brachte ich hervor, während mich der alte Mann anblickte. "Mal sehen, ob er gut wird. Bis jetzt war er das nämlich nicht" brummte der Alte zurück und ich fand ihn sofort unsympathisch.

"Jetzt schinden Sie nicht so viel Zeit!" beschwerte sich der junge Officer bei mir und ich lief schnell auf die Beiden zu. "Wir brauchen die Thompson's" meinte der Junge dann an den Alten und ich spürte, wie meine Augenlider zu flimmern begannen.

"Der Ausweis steckte in der Jackentasche der Frau, aber auch nur der. Der Mann neben ihr könnte also auch ein Wildfremder sein, deshalb sollen Sie uns jetzt sagen, ob es Ihr Vater ist" erzählte der Mediziner und ging auf eine Reihe von - ja was genau war das eigentlich?

Waren das nicht diese Kühler für die Toten? Sowas wie in Navy C.I.S immer gezeigt wurde?

Gedankenversunken starrte ich auf die Metallbehälter, die alle Griffe besaßen.
Nein, nicht öffnen!

Der Pathologe zögerte minutenlang, stundenlang bis er an einem der Griffe zerrte und ein leises Krachen, Knacken zu hören war.
Mir wurde schlagartig kalt und ich spürte, wie sich eine Gänsehaut auf meinem kompletten Körper bildete.
Ich hoffte, dass keiner sah, wie hilflos und schwach ich jetzt wirkte.

"Sehen Sie doch hin" bat die nervige Stimme des alten Mannes und mein Kopf erhob sich langsam.
Ich konnte erst nichts sehen, dann erschien ein blasses Gesicht vor meinen Augen und die aufgerissenen Augen meines Vaters.
Es sah als, als würde er erschreckt werden und man hatte dann sein Gesicht eingefrohren.
Es war schrecklich ihn auch nur eine Sekunde lang ansehen zu müssen und ich wusste, dass Harri bei diesem Anblick zerbrochen wäre.

"Er ist es!" wimmerte ich und drehte mich schnell weg. "Ja, das ist mein Vater!" Meine Sicht verschwamm und ich wischte schnell mit meinem Handrücken über meine rechte Wange. Keiner durfte mich so sehen.
Weinen, das taten nur Heulsusen.
Nur Verzweifelte und ich wollte mir nicht eingestehen, dass ich verzweifelt war.
Ja, alle wussten es, aber ich selbst wollte es nicht wahr haben.

Ich kam schon klar.
Ich war stärker als meine Schwester, das musste ich sein.

Das Knacken ertönte wieder und ich schloss meine Augen.
Dieses Verlangen den Tränenschwall freien Lauf zu lassen durfte jetzt nicht die Oberhand gewinnen, nicht jetzt!

"Danke Mr. Thompson" sagte einer der Beiden, worauf sich mein Magen nur noch mehr verkrampfte.
Mr. Thompson war mein Vater, nicht ich und ich wollte den Namen nie wieder hören oder auch nur denken.

Eine Hand schob mich nach draußen und ich atmetete schnappartig nach Luft.

"Ist alles in Ordnung?" rief der Officer in mein Ohr und ich kniff unzufrieden meine Augen zusammen.
Wieso schrie er denn so?
Vielleicht brachte ich noch ein Nicken hin, aber ich lies mich auf den Boden sacken und lehnte meinen Kopf an die Wand.

"Okay, hören Sie mich?"
Ja, klar und deutlich! Ich versuchte den lauten Mann von mir weg zu drücken, jedoch wollte sein Körper nicht nachgeben.

Das Gesicht meines Dad's brannte sich in mein Gedächtnis und ich sah nur noch ihn, überall und Die Schreie in um mich herum drangen nur fetzenartig zu mir durch.

"Caleb!" Die helle Stimme meiner Schwester lies mich hellwach werden.
Ich um klammerte ihren Nacken und zog sie grob an meinen Oberkörper in der Hoffnung sie würde mich nicht anschreien.
"Caleb" murmelte sie niedergeschlagen und vergrub ihr Gesicht in meinem Nacken.

Sie war das einzige was ich noch hatte und das wurde mir jetzt klar.

"Ich bin so froh, dass du da bist" versuchte ich zu sagen, ob es klappte wusste ich nicht.

"Du musst die Luft anhalten!" forderte plötzlich jemand anderer und ich konnte nur die blonden Haare von Harriet wahrnehmen.
"Luft anhalten!"

Warum? Warum musste ich immer so viel tun? Ich wollte doch nur weg von hier, schlafen vielleicht.

Plötzlich legten sich zwei Lippen auf meine und dann war ich wieder da.
Ich sah alles wieder klar.

BetrayalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt