Kapitel 22 | Nur eine Phase

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Was war er nur für ein Mensch?
Ganz ohne Gefühle.

Nachdem ich im Schnelldurchlauf meine Tränen getrocknet hatte, vernahm ich auch schon das Geräusch des Schlüssels in unserer Haustür.

Ruckartig verstaute ich den Karton voll mit Cornflakes unter unserem Sofa auf dem Boden und linste mit einem aufgesetzten Grinsen zur Tür.

Doch es waren nicht meine Eltern, sondern mein Bruder, der mit einem - jetzt schon - genervten Gesichtsausdruck durch den Flur schritt. Um wahrscheinlich mir und meiner immernoch still tobender Wut zu entkommen, aber da hatte er falsch gedacht.

Ohne weiteres Nachdenken fing ich ihn an der Treppe ab und warf ihm als Vorgeschmack schonmal giftige Blicke zu, worauf Caleb sich wieder umdrehte und in sein Zimmer wollte.

"Ich hab gesagt, reden wir!" informierte ich ihn nochmal lautstark. "Spar's dir" grummelte er barsch und stieg die Stufen hinauf. "Woher weißt du, dass Terry und ich zusammen waren?" fragte ich Caleb neugierig, um seine Aufmerksamkeit zu wecken. Mit einem Satz wandte sich mein Bruder um und blickte mich skeptisch an. "Du hast es mir erzählt, du Genie" behauptete er mit einem abfälligen Ton. "Hab ich nicht" "Woher weiß ich es denn dann?" wollte er lachend wissen. "Ähm. Das war vielleicht meine Frage, du Held?" murrte ich und verschränkte ungeduldig meine Arme.

"Wow, hast du dich schonmal auf Demenz testen lassen?" lautete seine belustigte Frage, nachdem ich meine Augen zu kleinen Schlitzen geformt hatte. "Darauf kann man sich nicht testen lassen" korrigierte ich ihn bestimmt. "Whatever" brummte Caleb trocken, als ich seufzend meinen Kopf in den Nacken geworfen hatte. "Es weiß nur Peter, wie oft noch" jammerte mein Bruder daraufhin entnervt.

Ich plazierte meinen Fuß auf einer der ersten Treppenstufen und starrte Caleb schief an. "Warum weiß es denn überhaupt jemand?" rief ich ihm scharf zu und dachte unwillkürlich an Terry, schon wieder. "Weil er voll auf dich abfährt!" rief er zurück. "Checkts du's nicht oder willst du es nicht wahr haben?" "Rede keinen Schwachsinn" forderte ich kopfschüttelnd. "Du bist ja sowieso klüger" meinte mein Bruder ironisch und setzte seinen Weg fort. "Warte!" bat ich ihn und umschlang mit einer Hand das Geländer der Treppe. "Hat er dir das gesagt?" "So ungefähr" antwortete Caleb mit dem Rücken zu mir gewandt.

Ein wenig schockiert lies ich mein Körpergewicht nach unten sacken und landete etwas unweich auf dem Boden. Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen und kreischte einmal lautlos und verzweifelt. "Du musst ja nicht gleich mit ihm ausgehen" erwiderte mein Bruder und seine Stimme war ganz nah an meinem Ohr. "Außerdem ist das sicher nur eine Phase" Stirnrunzelnd versuchte ich diese Aussage zu vergessen. "Naja auf der Party war er ganz zurückhaltend und komisch, als du weg warst" "Echt?" raunte ich mit belegter Stimme. "Vielleicht solltest du das irgendwie Brooke beibringen"

Oh, Brooke. Die hatte ich ganz vergessen. Tja, die wird mich umlegen, sobald sie das erfährt.

"Kann Peter das nicht tun?" murmelte ich wenig begeistert und sah Brooke's heulendes Gesicht bereits vor mir. "Denkst du echt, das machts auch nur einen Deut besser?" fragte Caleb vorsichtig, worauf ich den Kopf schütteln musste. "Sie macht ja echt kein großes Geheimnis aus der Sache" fügte er dann noch augenrollend hinzu. "Das tut sie nie" bestätigte ich ihm, während sich mein Bruder wieder mühsam auf die Beine zog.

"Peter ist erst seit ein paar Wochen auf unserer Schule und jedes Mädchen ist bereits bereit für ihn ihr Leben aufzugeben" bedauerte Caleb mit gesenktem Kopf und ich meinte, Eifersucht in seiner Stimme zu hören. "Tja" Schulterzuckend blickte ich zu ihm hoch. "Du bist neidisch" "So ein Mist" widersprach Caleb mir augenrollend. "Eindeu-"

Das Klingeln unserer Haustür unterbrach mich plötzlich. Mit fragendem Gesicht lief ich den Flur entlang und zerrte an unserer schweren Tür.

Terry's Blick blieb an mir hängen. Überrascht vergrub er seine Hände in seinen Hosentaschen. "Bevor du gleich wieder abhaust" setzte er heiser an und starrte angestrengt auf den Boden. Wütend umklammerte ich die Tür und überlegte, sie einfach zuzuschlagen. "Lass mich alles erklären" "Nein, wann verstehst du das endlich?" blaffte ich verägert. "Aber ich hab verdammt nochmal keine Andere" sagte er verzweifelt und blickte zu mir hoch.

Hatte er etwa gerade geflucht?

"Darum geht es nicht" stritt ich voller Unbehagen ab. "Ich weiß, Ich weiß schon. Ich hab dich rausgeschmissen, echt dumm von mir. Aber ich weiß wirklich nicht wie ich dir das erklären soll" "Keine Sorge" entgegnete ich sarkastisch. "Mich interessiert es so oder so nicht" "Das klingt so, als würde dich gar nichts mehr an mir liegen" seufzte er gespielt traurig und ich musste mich wirklich zurückhalten und den kommenden Wutausbruch unterdrücken.

Wortlos gab ich unserer Haustür einen kräftigen Schubser, doch anstatt zuzufallen, prallte sie an Terry's Schuh ab. Er hatte seinen scheiß Schuhe durch den Spalt gedrückt? Ich hoffte er schmerzte ihm besonders. Ehe ich mein gesamtes Gewicht gegen die Haustür stemmen konnte, wurde ich von hinten weggezogen.

Caleb riss entgeistert die Tür auf und starrte Terry fassungslos an. Ich konnte zwar nur das Seitenprofil meines Bruders sehen, doch das reichte um festzustellen, dass er ein klein wenig entnervt war.

"Verschwinde einfach" forderte Caleb Terry missbilligend auf. Doch, dass Terry nicht gehorchte war so sicher wie das 'Amen' in der Kirche.
"Ich will nur mit Harriet reden und keine Probleme machen" wehrte sich mein Ex scheinheilig. "Dachtest du vielleicht, dass wir dich mit einer Willkommens party begrüßen?" zischte mein Bruder. "Oh komm doch rein und nimm noch ein Stück Schokokuchen, den wir extra für dich gebacken haben. Vielleicht ist er noch warm!" Caleb entlockte mir ein lautloses Schmunzeln. "Sehr witzig" gab Terry trocken von sich.

"Wenn es dir hier zu unlustig ist, ist das ja nur noch ein weiter Grund deinen Arsch jetzt sofort von unserer Einfahrt zu schwingen" prustete Caleb los und war kurz davor, den Störenfried wie ein Huhn wegzuscheuchen. "Geh" erwiderte ich noch, um die Aussage meines Bruders zu betonen. "Schön" meinte Terry eingeschnappt und im nächsten Moment fiel unsere Tür scheppernd ins Schloss.

"Dass du dem auch nur eine Sekunde zuhören kannst?" wunderte sich Caleb kopfschüttelnd und wich von meiner Seite. "Warum hast du das eigentlich gemacht?" erkundigte ich mich ebenso verwundert bei ihm.
Immerhin war er nicht diese Art von Brüdern, die meinten sie müssten ihre Geschwister schützen.
So war er nie und es wunderte mich umso mehr, dass mein Bruder jetzt eine Schnute zog.

"Der Typ hat dich doch abserviert, außerdem hab ich ihn noch nie leiden können" gestand er lässig. Nickend blickte ich ihn an, während Caleb sich auf den Weg in sein Zimmer machte und hastig sein Handy hervorkramte.

Komisch, dieses Verhalten.

BetrayalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt