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Aidan

„Sind wieder da!", rief Addie und ließ ihre Schlüssel auf den Küchentisch fallen. Daneben stellte sie das chinesische Essen ab, das wir auf dem Rückweg geholte hatten. Während wir aus unseren Jacken schlüpften, kamen Trev und Chase aus ihren Zimmern.

„Ich hab einen Bärenhunger", bemerkte Chase und holte vier Teller aus dem Holzschrank über der Küchenzeile.

„Wem sagst du das", gab Addie zurück und ging zu Trev, der seine Arme um sie legte.

„Wie war es?", erkundigte er sich und sah zwischen mir und Addie hin und her. Ich ging zum Kühlschrank und holte die Cola heraus. Dann setzte ich mich mit den anderen an den Tisch.

„Besser, als ich es erwartet hätte", meinte ich schließlich. Chase war bereits dabei seinen Teller zu füllen. Nudeln, Reis, Huhn, Frühlingsrollen, Sushi. Ich war froh, dass Addie ihm irgendwann auf den Hinterkopf haute und erfolgreich den Rest des Essens schützte.

„Wenn du weiter so viel isst, bestellst du uns noch eine Pizza", schimpfte sie, aber Chase schien das gar nicht so richtig wahrzunehmen. Er strich sich seine blonden Haare aus dem Gesicht und begann in rasendem Tempo zu essen.

„Was willst du?", nuschelte er. „Ich habe den ganzen Tag noch nichts gegessen und komme gerade vom Training."

Addie verdrehte kommentarlos die Augen und begann ebenfalls zu essen. Chase wollte schon seit er ein Kind war Profibasketballspieler werden. Langsam kam er diesem Ziel näher, aber erreicht hatte er es noch lange nicht. Er ging fast täglich für viele Stunden trainieren, aber im Gegensatz zu uns studierte er nicht. Sein Abschlusszeugnis war zum Heulen, und wenn meines so ausgesehen hätte, hätten mich meine Eltern auf die Militärschule geschickt. Aber ihm war Basketball schon immer wichtiger gewesen, als für die Schule zu lernen und seine Eltern waren, was das anging, auch ziemlich locker drauf.

„Jetzt leg das Buch mal für zehn Minuten weg, und iss in Ruhe." Ich sah zu meiner Schwester, die Trev sorgenvoll ansah. Er jedoch starrte weiterhin in das Buch neben sich.

„Kann nicht." Er steckte sich einen Löffel Reis in den Mund, während er seine Augen nicht von dem Buch nahm. „Hab morgen Prüfung."

Addie legte einen Arm um seine Schulter. Trev war das genaue Gegenteil von Chase. Er hatte den Großteil seines Lebens mit der Nase in irgendwelchen schlauen Büchern verbracht. Seit er mit Addie zusammen war, hatte sich das zwar ein klein wenig gebessert, aber er saß immer noch viel zu oft vor seinen ganzen Unibüchern.

„Für den LSAT brauchst du aber keine juristischen Kenntnisse, du Spaßvogel." Addie klappte Trevs Buch zu und schob es beiseite. Er wollte Jura studieren und hatte morgen seinen Zulassungstest, weshalb er ganz schön gestresst war. Aber Addie schaffte es erfolgreich, ihn wieder auf den Boden zu holen und zumindest ein bisschen zu beruhigen.

Während ich aß, schweiften meine Gedanken immer wieder zu Beverly. Ich wollte unbedingt wissen, was meine Großmutter über ihre Vergangenheit wusste. Und warum sie ihr zum Geburtstag eine Halskette geschenkt hatte, die ihr selbst so viel bedeutete. Außerdem ging mir Beverly's vielleicht-Lächeln nicht aus dem Kopf. Das machte mich fertig. In meinem ganzen Leben hatte es nicht ein Mädchen gegeben, das es geschafft hatte, mich innerhalb von zehn Sekunden für den Rest des Tages so aus der Bahn zu werfen. Und genau aus diesem Grund machte ich mich auch um kurz vor acht mit meiner Schwester bereit, um ins Myway zu gehen. Trev kam nicht mit, weil er für morgen ausgeschlafen sein wollte. Und Chase meinte, er müsse sich noch eine Begleitung suchen, bevor er sich im Myway volllaufen ließ. Er war zwar mit einundzwanzig der Älteste von uns, aber vermutlich auch der unerwachsenste.

Shadow Girl (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt