Aidan
„Wo warst du?", fragte Chase, als ich ins Wohnzimmer kam. Ich ignorierte ihn und ging so schnell ich konnte in mein Zimmer und schloss die Türe ab. Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und klappte meinen Laptop auf. Dass Addie an meiner Türe klopfte und versuchte, mich dazu zu bewegen, sie zu öffnen, blendete ich, so gut es eben ging, aus. Ich trommelte mit den Fingern auf meinen Tisch. Das Ticken meiner Uhr, war noch nie deutlicher zu hören gewesen. Und das, obwohl Addie ohne Unterlass gegen meine Tür hämmerte.
Ich öffnete Google und gab Modoc Psychiatrie in die Suchzeile ein. In Sekundenschnelle gab es über fünftausend Ergebnisse.
„Aidan, mach die Türe auf! Wo warst du?!"
Ich klickte auf das erste Ergebnis. Es war ein Zeitungsartikel über eine Anstalt irgendwo auf einem Berg im Wald, an der Grenze zu Oregon.
„Verschwindende Patienten in Nervenheilanstalt...", murmelte ich den Titel und überflog die Zeilen. Ich schnappte nur einzelne Worte auf und öffnete ein anderes Suchergebnis. Vieles waren Berichte. Ich fand eine Hausarbeit von einem Studenten über diese Anstalt. Je länger ich durch die Ergebnisse und Bilder klickte, desto mehr fügten sich die einzelnen Informationen zu einem erschreckenden Bild zusammen. Und ich wollte auf keinen Fall, dass Beverly dorthin kam. Eines war auf jeden Fall klar. Aus Modoc wieder rauszukommen, war so gut wie unmöglich. Ich las Berichte von Menschen, deren Angehörige in Modoc waren und nach einigen Monaten in keiner Datenbank mehr auftauchten, so als hätten sie nie existiert. Die Polizei hatte offenbar einmal im Fall Modoc ermittelt, weil Verdacht auf Menschenexperimente bestand. Aber die Ermittlungen wurden fallen gelassen. Und das Gebäude sah nicht gerade wie ein gemütliches Plätzchen aus. Es sah eher aus wie ein Gefängnis. Ein großer Zaun umschloss das Gelände und die Fenster waren vergittert.
„Aidan!" Ich konnte Addie immer noch ignorieren. Das Problem war nur, dass sie sich das nicht gefallen ließ. Und langsam bekam ich Kopfschmerzen und war genervt von ihrem ständigen Klopfen und Rufen. Ich war kein zehnjähriges, kleines Kind.
„Addie, ich schwöre, wenn du nicht sofort aufhörst-"
„Dann was?"
„Lass mich einfach in Ruhe!", rief ich durch die Türe durch.
„Wo bist du gewesen?" Sie hatte aufgehört gegen die Türe zu klopfen, wofür ich ihr sehr dankbar war. Aber ich wusste nicht, was ich ihr sagen sollte. Wie bereits festgestellt, war heute nicht der beste Tag, um Lügen zu erzählen. Zumindest nicht für mich. Ich seufzte und rieb mir mit den Händen übers Gesicht. Sie würde ohnehin nicht aufhören zu fragen.
„Ich hab unsere Großmutter besucht."
„Warum das denn, schon wieder?", fragte sie verwirrt. Ich klappte meinen Laptop zu und stieß mich von meinem Schreibtisch weg. Schluss für heute. Wenn ich auch nur einen weiteren Artikel über Modoc lesen würde, würde ich kein Auge zu tun können. Schon wieder.
„Einfach so."
„Einfach so?"
„Ja, Addie, einfach so!" Ich warf mich auf mein Bett und starrte an die Decke.
„Geht's dir gut?"
„Bestens." Das war wohl die schlechteste Lüge meines Lebens gewesen. Und es war bloß ein Wort gewesen. Das war wirklich peinlich. Während meiner Schulzeit hatte ich meine Eltern und Lehrer schamlos belügen können, ohne jegliche Gewissensbisse. Und jetzt konnte ich nicht einmal meine Schwester anschwindeln.
„Wir gehen nachher bowlen. Kommst du mit?" Die Art, wie Addie mich das fragte, war fast schon herausfordernd.
„Wer ist wir?", hakte ich nach.
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Shadow Girl (Band 1)
Paranormal„Es ist wie ein Spiel. Entweder du kontrollierst die Schatten, oder die Schatten kontrollieren dich." „Und du? Kontrollierst du die Schatten?" „Manchmal denke ich das." *** Hätte Aidan sein schlechtes Gewissen ignoriert und die unruhigen Nächte weit...