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Beverly

„Was meinst du mit Es wird nicht heilen?", fragte Aidan mit versteinerter Miene.

„Erinnerst du dich an die Wunde an meinem Bein? Oder die an meinem Hals?" Ich drückte das Tuch noch ein wenig fester um Addie's Arm, und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr. „Das sind Wunden, die nie von alleine vollständig heilen werden, und auch Dämonen können das nicht einfach so bewerkstelligen. Schon gar nicht schnell genug, um Addie..."...zu heilen, bevor sie verblutet.

„Wenn wir nichts machen, wird sie sterben. Beverly." Aidan sah mich eindringlich an. Seine Worte kamen nicht ganz bei mir an, und ich war mir nicht sicher, ob er sie überhaupt selbst verstand. Addie war bereits nicht mehr ansprechbar und unsagbar blass im Gesicht. Das altbekannte Gefühl von Blut auf meinen Händen und der metallische Geruch, jagten mir einen Schauer über den Rücken. Mir wurde übel.

„Das Einzige, das ihr helfen kann, ist Dämonenblut, aber das hab ich nicht." Es hieß, man solle in solchen Situationen Ruhe bewahren. Ich wusste nicht, wie Aidan das hinbekam, aber ich wurde von Sekunde zu Sekunde unruhiger, und nervöser. Aber er gehörte offenbar zu den Personen, die umso ruhiger wurden, je stressiger die Situation wurde. Ich zwang mich durchzuatmen, und meine Gedanken zu sortieren. Addie lief die Zeit davon, und die einzige Person, die vielleicht im Besitz von Dämonenblut war, war Gott weiß wo. „Wo ist Chase?"

Aidan zog die Augenbrauen zusammen, und sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren. „Keine Ahnung, bei... einer Frau, vermutlich?"

„Verdammt, ruf ihn an, und bete, dass er abhebt!" Sein Handy lag im Schlafzimmer, und er konnte Addie's Arm nicht einfach loslassen, das hätte den Druck vermindert, also rutschte ich nach oben, zu Addie's Kopf, um beide Wunden so gut wie möglich zuzudrücken, während er in sein Zimmer hastete. Ich schickte Stoßgebete in den Himmel. Wir hätten sie heute nicht alleine lassen dürfen. Wir hatten beide gewusst, dass es ihr nicht gut gegangen war. Aidan erschien wieder in der Türe, mit dem Handy am Ohr, und kniete sich neben Addie.

„Verdammt!" Frustriert ließ er das Telefon sinken, als auch nach weiteren Sekunden keiner abhob.

„Versuchs bei Trish!", drängte ich. Er wählte ihre Nummer, klemmte sich das Handy zwischen Schulter und Ohr, und drückte zwei Finger gegen Addie's Hals, um ihren Puls zu fühlen. Ich musste keine Ärztin sein, um selbst zu wissen, dass er bestimmt viel zu schwach war. Aidan sah nicht gerade glücklich aus, aber er nickte mir zu, und gab mir zu verstehen, dass sie noch lebte. Ihr Brustkorb hob und senkte sich kaum merklich. Ich lauschte ganz genau, ob Trish ans Handy ging. Nach dem vierten Klingeln nahm sie den Anruf entgegen, und ich atmete erleichtert auf. Vielleicht wusste sie, wo Chase war. Sie musste es einfach wissen.

„Wo ist Chase?", fragte Aidan, noch bevor Trish die Gelegenheit hatte, ihn auf die Uhrzeit aufmerksam zu machen. Sie brauchte ein paar Sekunden. Sekunden, die Addie nicht hatte.

„Nicht ganz zufällig: Neben mir", entgegnete sie genervt. So ein Schwein muss man mal haben. Mir fiel ein Stein vom Herzen.

„Gib ihn mir, sofort!" Es dauerte erneut einige Sekunden.

„Alter, es ist mitten in der Nacht."

„Addie hat versucht sich umzubringen!"

„Was?" Jetzt war Chase mit Sicherheit wach. Ich winkte nach dem Handy und Aidan reichte es mir, während er vorsichtig wieder die Tücher um ihren linken Arm festdrückte.

„Chase, sie hat sich die Pulsadern mit Dämonenglas aufgeschnitten. Addie braucht Dämonenblut, jetzt, sonst stirbt sie!"

Ich hatte nicht die Zeit, darüber nachzudenken, wo zur Hölle sie das Dämonenglas überhaupt her hatte. Hatte sie wirklich Chase Zimmer auf den Kopf gestellt, um eines zu finden? Ich ging nicht davon aus, dass er seine Messer einfach so auf dem Schreibtisch herumliegen hatte.

Shadow Girl (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt