Aidan
Jegliches Glücksgefühl, das mich erfüllt hatte, als Beverly und ich uns geküsst hatten, zog sich mit einem Mal aus jeder Faser meines Körpers zurück. Meine Schwester hatte mich noch nie um diese Uhrzeit angerufen. Es hatte nie einen Grund gegeben. Nach ihrer Schicht im Myway ging sie immer direkt nach Hause. Es war nicht weit. Auf dem Heimweg telefonierten sie und Trish immer miteinander, um sicher zu gehen, dass beide gut nach Hause kommen würden.
Mit einem unguten Gefühl wählte ich ihre Nummer und musste länger warten, als ich das nach ihrem Anruf erwartet hätte, bis sie abhob. Aber sie sagte nichts.
„Hallo? Addie?" Sie sagte wieder nichts, und ich war mir nicht sicher, ob sie mich überhaupt gehört hatte. Der Empfang in diesem Bauklotz war manchmal unheimlich schlecht, also stand ich auf, und ging ans Fenster. „Addie", wiederholte ich.
„Aidan." Erleichtert atmete ich auf. Ich war so froh, Addie's Stimme zu hören. Aber warum klang sie so dünn und schwach?
„Addie, was ist los? Warum rufst du mich mitten in der Nacht an, und erschreckst mich zu Tode?" Ich bekam lange keine Antwort.
„Ich... Ich weiß nicht." Ich zog die Augenbrauen zusammen. Sie klang erschöpft. Verwirrt.
„Ads, wo bist du?"
„Myway."
Ich warf einen Blick auf die Uhr. Sie hätte schon vor fünfzehn Minuten gehen sollen. „Was machst du da noch?" Es war wieder kurz still.
„Weiß nicht..."
„Soll ich dich abholen?", fragte ich sofort, aber Addie antwortete nicht. Ich warf Beverly einen besorgten Blick zu, den sie erwiderte. „Addie?"
„Ich... Ich komm jetzt nach Hause", sagte sie langsam.
„Bist du betrunken?"
„Weiß nicht..."
„Du bist betrunken. Warum betrinkst du dich nach der Arbeit?" Es hatte nicht vorwurfsvoll klingen sollen, aber je länger das Gespräch andauerte, desto beunruhigter wurde ich.
„Ich fühl mich nicht gut."
„Das glaub ich dir aufs Wort. Wie lautet dein zweiter Vorname?"
„Ähm..."
„Fast richtig. Bleib wo du bist, ich hol dich ab." Ohne eine Antwort abzuwarten legte ich auf, und begann mich in meine Schuhe und Jacke zu zwängen. Wenn sie so betrunken war, dass sie ihren Namen vergaß, wusste sie auch nicht mehr, wo sie wohnte.
„Was ist Addie's zweiter Vorname?", fragte Beverly, während sie sich ebenfalls, ohne zu zögern, anzog.
„Payten."
„Und was ist dein zweiter Vorname?" Wir verließen die Wohnung, und ich sperrte ab.
„Wer sagt, dass ich einen habe?"
„Wenn Addie einen hat, hast du auch einen", sagte sie überzeugt und sah mich so neugierig an, dass ich nachgab.
Ich seufzte angestrengt. „Gavin."
„Gavin?", lachte Beverly.
„Halt die Klappe."
„Ich hab nichts gesagt." Sie kicherte immer noch, als wir aus dem Haus traten. Es war ein wenig frisch, aber windstill. Die Straßen wirkten tot um diese Uhrzeit. Kaum ein Geräusch war zu hören.
Wir beeilten uns, ins Myway zu kommen und je näher wir kamen, desto mehr verstummten unsere Gespräche. Wir begegneten Addie nicht auf dem Weg dorthin, und die Türe war nicht abgeschlossen, was bedeutete, dass sie ein Mal in ihrem Leben auf mich gehört hatte, und noch hier war.
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Shadow Girl (Band 1)
Paranormal„Es ist wie ein Spiel. Entweder du kontrollierst die Schatten, oder die Schatten kontrollieren dich." „Und du? Kontrollierst du die Schatten?" „Manchmal denke ich das." *** Hätte Aidan sein schlechtes Gewissen ignoriert und die unruhigen Nächte weit...