Beverly
Ich war nun schon knapp eine Woche hier. Mit jedem Tag den ich hier verbrachte, fühlte ich mich aus unerfindlichen Gründen wohler und sicherer hier. Woran das lag, konnte ich absolut nicht sagen, denn bei all den Dingen die hier geschahen und bereits geschehen waren, hätte ich mich alles andere als sicher fühlen sollen. Vielleicht rührte dieses Gefühl aber auch nur daher, weil die Erwartungen an den Horror hier, so hoch geschraubt worden waren, und um ehrlich zu sein, war Modoc einfach eine Enttäuschung. Worüber ich natürlich froh war, aber ich hatte mir trotzdem etwas Spannenderes erhofft. Aber somit verbrachte ich meinen Alltag genauso, wie die letzten zwei Jahre.
Mein Dämon hatte kein Wort über das Gespräch zwischen Felicity und Connor verloren und ich hatte nicht weiter nachgefragt. Ich wusste, dass es ohnehin zwecklos war. Was Geheimnisse anging, hatte ich einen guten Lehrer gehabt. Er war nun immerhin schon seit sieben Jahren an mich gebunden, und seinen Namen kannte ich trotzdem nicht.
Ich saß auf meinem Bett, den Rücken an das Kopfende gelehnt. Auf meinen angewinkelten Beinen lagen meine Mappe und darauf die Zeichnung, an der ich gerade arbeitete. Die Berge und Wälder, die Modoc umgaben. Ich hatte sie schon vor ein paar Tagen zeichnen wollen, aber jedes Mal wenn ich es versucht hatte, waren andere Bilder entstanden. Eine Illustration meines Dämons, mein Zimmer, die Gänge des Gebäudes, einige Sigillen, dessen Muster ich mir gemerkt hatte. Sogar einige Dinge, die während meiner Entführung geschehen waren. Und Aidan. Ich wusste nicht warum, aber jedes Mal wenn ich versucht hatte eine Person zu zeichnen, hatte ich schon nach wenigen Minuten sein Gesicht erkannt. Also hatte ich es aufgegeben, Personen zeichnen zu wollen. Ich wusste zwar nicht was es war, das mich an ihm so faszinierte, dass ich ihn immer wieder zeichnete, aber es war so.
Heute klappte das mit der Landschaftszeichnung jedenfalls. Seit längerem war mir keine Landschaftszeichnung mehr so gut gelungen, wie diese. Ich schattierte gerade die Wolken am Himmel, als mein Dämon meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Ich sah widerwillig von meiner Zeichnung auf. Er sprang in meinem Zimmer herum, kletterte die Wände auf und ab, hüpfte auf dem Boden herum. Er schien so... aufgeregt. Nein, das war nicht das richtige Wort. Eher beunruhigt. Aus welchem Grund auch immer. Es war nichts anders als sonst. Ich sah aus dem Fenster. Die Sonne warf ihre Strahlen durch mein Fenster. Die Äste der Bäume wiegten sich sachte im Wind. Ich versuchte irgendwelche merkwürdigen Geräusche aus dem Gebäude aufzuschnappen, doch da war nichts, das ihn hätte beunruhigen können. Aber er hörte nicht auf hin und her zu springen.
„Was ist denn?", fragte ich genervt. Er bewegte sich zur Türe und sah mich abwartend an. Ich sah zwischen meiner halbfertigen Zeichnung und ihm hin und her. Eigentlich hatte ich mehr Lust hier auf meinem Bett sitzen zu bleiben, im Idealfall für den Rest des Tages, und meine Zeichnung zu vervollständigen, als einem Geschöpf zu folgen, das mehr Geheimnisse vor mir hatte, als ich selbst. Ja, ich war sauer auf ihn. Ich war sehr dafür, dass man Geheimnisse hegte und nicht unüberlegt aussprach. Aber er trieb es langsam aber sicher an die Spitze. Er nannte mir nicht einmal einen Grund, warum er so vieles vor mir geheim hielt.
Andererseits wollte ich ja etwas Spannung. Da hatte ich sie. Oder so ähnlich zumindest.
Ich seufzte tief, legte meine Mappe mit der Zeichnung und dem Bleistift neben mich, und schwang die Beine vom Bett. Er flitzte um die Ecke und ich musste mich beeilen um ihn nicht zu verlieren.
„Nicht so schnell!", zischte ich. Ich hatte keine Ahnung wohin er mich führen wollte. Ich folgte ihm den Gang mit den Gemälden an der Wand entlang, bis zu den Treppen. Wir gingen ein Stockwerk nach oben. Dann bogen wir rechts ab, und er führte mich in einen Flur, der dem der zu meinem Zimmer führte, ähnelte. An der Wand hingen ebenfalls einige Gemälde, die in einem vergoldeten Rahmen steckten. Die Türen zu den Zimmern standen offen und ich ließ meinen Blick in jeden Raum gleiten. Aber die meisten waren nicht in ihren Zimmern, und die die es waren, beschäftigten sich mit anderen Dingen als mit mir.
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Shadow Girl (Band 1)
Paranormal„Es ist wie ein Spiel. Entweder du kontrollierst die Schatten, oder die Schatten kontrollieren dich." „Und du? Kontrollierst du die Schatten?" „Manchmal denke ich das." *** Hätte Aidan sein schlechtes Gewissen ignoriert und die unruhigen Nächte weit...