Beverly
Es dauerte lange, bis Addie sich beruhigt hatte. Wir hätten nicht viel tun können, um sie wieder auf den Boden zu holen. In diesem Moment musste sie einfach weinen und Gott und die Welt hassen, um danach wieder normal weiter machen zu können.
Ich saß mit den Rücken gegen die Wand gelehnt, und merkte plötzlich, wie sehr mich der heutige Tag mitgenommen hatte. Die Trägheit breitete sich über meinem ganzen Körper aus, und eine Müdigkeit überfiel meinen Geist, obwohl es noch nicht einmal Abend war. Sich um Menschen zu sorgen, die man gerne hat, war offenbar anstrengend. Mir war es besser gegangen, als mir alle Menschen am Arsch vorbei gegangen waren.
Trev saß am Rand des Doppelbettes, die Ellenbogen auf die Knie gestützt und die Hände ineinander verschränkt. Er betrachtete Addie, wobei sein Blick nichts über das verriet, was in ihm vorging. Aber egal war es ihm nicht. Nichts von alle dem. Nach ein paar Minuten atmete er angestrengt aus, stand auf, und startete einen weiteren Versuch, an Addie heranzukommen. Sie schien viel erschöpfter als zuvor, und schniefte nur noch ein wenig. Trev streichelte ihr über den Kopf, und sie ließ sich endlich auch von ihm in die Arme nehmen. Sie rutschte aus Aidan's Umarmung direkt in Trev's hinein. Sie klammerte sich an ihn, wie ein kleines Äffchen. Trev hob sie vorsichtig hoch, trug sie aufs Bett, und legte sich sofort neben sie unter die Decke. Addie drückte sich so nahe an ihn, als könne sie in seiner Umarmung vor der Welt flüchten, und alles Schlechte vergessen. Aidan drückte sich vom Boden hoch, kam zu mir, half mir auf die Beine, und zusammen verließen wir so leise wie möglich das Zimmer. Wir hätten nichts mehr für Addie tun können. Die einzige Person, die sie jetzt brauchte, war bei ihr.
„Sie weiß es, oder?", fragte ich, während er die gegenüberliegende Türe öffnete, und mich zuerst in das Zimmer ließ. „Dass du von ihrem Kind weißt." Aidan nickte, und ließ seine Autoschlüssel auf den kleinen Tisch fallen, bevor er sich die Jacke auszog.
„Warum Addie?", fragte er kraftlos, und ließ sich auf das Bett sinken. „Sie ist so unglaublich... warmherzig und fürsorglich. Sie hat das alles nicht verdient."
„Und die zwanzigjährige Mutter bekommt die Diagnose Blutkrebs, der fünfzigjährige Vater verliert seine kleine Tochter, und unschuldige Kinder werden von ihren Eltern misshandelt." Aidan sah mich irritiert an. „Sie sind alle immer warmherzig, unschuldig, und haben es nicht verdient. Schlechten Menschen passieren solche Dinge eben nicht."
„Hast du gerade ein Erfolgsrezept für ein glückliches, unbeschwertes Leben gefunden? Einfach ein schlechter Mensch sein?", schmunzelte Aidan müde.
„Dann würde mir aber nicht so viel Scheiße passieren."
„Du bist kein schlechter Mensch."
„Einer von uns muss ja davon überzeugt sein." Ich streifte meine Schuhe ab, und ließ mich erschöpft neben ihm aufs Bett fallen. Ich legte die Arme auf meinen Bauch und starrte an die Decke. Eine einzige Glühbirne, ohne Lampenschirm hing herunter. Kleine Staubfusseln flogen vereinzelt im Zimmer herum, und zogen meine Aufmerksamkeit auf sich.
„Warum tut Addie sich das überhaupt an?", fragte ich zermürbt. „Welcher Mensch, der bei klarem Verstand ist, würde gerne Kinder haben?"
Ich merkte, dass Aidan den Kopf zu mir drehte. „Du willst keine Kinder?"
„Meine Gene sind nun wirklich keine, die ich weitervererben sollte, findest du nicht?", lächelte ich scherzhalber, wurde aber recht schnell wieder ernst. „Nein... Ich will keine Kinder."
„Wieso?"
„Zum einen, weil ich bestimmt keine gute Mutter wäre." Mir war klar, wie klischeehaft ich klang. Eine typische Ausrede, um keine Kinder bekommen zu müssen. „Außerdem... wer wäre denn grausam genug, Kinder in diese Welt zu setzen? Eine Welt, in der Menschen verhungern, Kriege führen, und an Dämonen gekettet werden." Ich schüttelte den Kopf. „Ich bin mir nicht sicher, ob diese Welt es überhaupt wert ist, von Kindern gesehen zu werden." Aidan sagte lange nichts, und ich fragte mich, was in seinem Kopf vorging, und ob er mir zustimmte.
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Shadow Girl (Band 1)
Paranormal„Es ist wie ein Spiel. Entweder du kontrollierst die Schatten, oder die Schatten kontrollieren dich." „Und du? Kontrollierst du die Schatten?" „Manchmal denke ich das." *** Hätte Aidan sein schlechtes Gewissen ignoriert und die unruhigen Nächte weit...