Beverly
Ich weiß nicht, was ich vom Valentinstag erwartet hatte, als ich an diesem Morgen kurz vor acht Uhr aufwachte. Vielleicht hatte ich gehofft, Anthony würde in der Küche stehen, Frühstück machen und wir würden den gestrigen Tag vergessen und es uns einfach auf der Terrasse gemütlich machen, dann an den Strand gehen und einen netten Tag miteinander verbringen. Mein Dämon hatte mich, als ich daran gedacht hatte, mindestens so verstört angesehen, wie ich mein Spiegelbild, während ich mir die Haare gebürstet hatte. „Ja, du hast recht, das ist absurd."
Das Letzte was ich am Morgen des 14. Februars jedoch erwartet hatte, war, Chase in unserem Garten außerhalb seines T-Shirts vorzufinden, während er Klimmzüge an einem niedrigen Ast eines Baumes machte und dabei nicht einmal schlecht aussah. „Vergiss was ich gesagt habe", murmelte ich und deutete auf Chase. „Das ist absurd." Es verstörte mich sogar noch mehr, als der Gedanke an Anthony und mich zusammen am Valentinstag.
Ich setzte Tee auf, griff nach einem Apfel und ging in den Garten.
„Du weißt schon, dass wir ein Fitnessstudio im zweiten Stock haben, oder?", fragte ich skeptisch, während ich die Glastüre hinter mir wieder zuschob und beobachtete, wie Chase sich gleichmäßig den Ast nach oben zog, für einige Sekunden ausharrte und sich mindestens genauso kontrolliert wieder abließ.
„Ja, ich weiß auch, dass ihr eine Bar habt", presste er hervor. „Und ich weiß, dass ihr eine Dachterrasse habt. Und von der halben Bibliothek hab ich auch gehört. Die Bowlingbahn und den Billardtisch habe ich ebenfalls schon gefunden." Er ließ sich von dem Ast fallen, richtete sich auf und sah mich abfällig an. „Dasselbe gilt für die Autos in der Garage und die unübersehbare Poollandschaft. Ich brauch kein extravagantes Fitnessstudio, um zu trainieren, danke." Ich rollte mit den Augen. Die Absicht, mit meinem Haus anzugeben, hatte ich nicht gehabt. Ich hatte lediglich gedacht, sein Körpergewicht an einer glatten Metallstande nach oben zu ziehen, sei angenehmer, als an einem kratzigen Ast.
Die Sonne stand noch recht niedrig und schien mir direkt ins Gesicht, sodass ich eine Hand vor meine Augen hielt. Chase griff schweratmend nach der Wasserflasche, die am Stamm des Baumes lehnte und trank bestimmt mehr als die Hälfte in Rekordzeit. Sein graues T-Shirt hing über dem Ast und wehte in dem kühlen Wind, während Schweiß von seinen blonden Strähnen tropfte und sein Oberkörper im Licht der frühen Morgensonne glänzte. Eines musste ich ihm jedenfalls lassen: Er war durchtrainiert. Was unter seinen T-Shirts deutlich weniger hervorstach, war jetzt umso ersichtlicher. Seine Muskeln waren viel zu definiert, als dass er als bloßer Hobbysportler durchgegangen wäre. Hobbyjäger traf da schon eher zu. Vermutlich war sogar sein kleiner Zeh stärker als ich. Aber anders, als es das bei Anthony oder Aidan vielleicht getan hätte, zog mich sein durchtrainierter Körper kein bisschen an, weil ich nur an die unzähligen Mordversuche denken konnte und daran, wie einfach es ihm vermutlich fallen würde, mir das Genick zu brechen.
Die Tatsache, dass er oberkörperfrei vor mir stand, hatte noch eine andere Konsequenz zufolge. Ich konnte die Tätowierung auf seinem rechten Arm sehen, die ich bei unserer ersten Begegnung bereits bemerkt hatte. Es waren die Umrisse eines Dreiecks, aus dessen unterster Spitze die Wurzeln eines Baumes ihren Anfang fanden, und über die Linien der geometrischen Figur hinausragten. Die verschlungenen Äste bildeten viele Trinity Knots, die für die Dreifaltigkeit Gottes stehen. Wären die schwarzen Linien mit ein paar weiteren Symbolen verziert worden, wären die einzelnen Trinity Knots Schutzsymbole gegen Dämonen gewesen.
Als Kind hatte ich immer davon geträumt, am Trinity College in Irland zu studieren, dort, wo auch meine Tante lebte. Nur war dieses College leider dämonensicher, sodass ich meinen Traum recht schnell hatte verwerfen müssen, sobald mir die Konsequenzen, an einen Dämon gebunden zu sein, bewusst geworden waren.
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Shadow Girl (Band 1)
Paranormal„Es ist wie ein Spiel. Entweder du kontrollierst die Schatten, oder die Schatten kontrollieren dich." „Und du? Kontrollierst du die Schatten?" „Manchmal denke ich das." *** Hätte Aidan sein schlechtes Gewissen ignoriert und die unruhigen Nächte weit...