Epilog

305 29 26
                                    

Mir gefiel, dass die Blätter der Bäume in einem solch satten Grün strahlten. Die Farbe erinnerte mich an etwas. An jemanden. Aber ich wusste nicht an wen. Der Himmel war wolkenlos. Es war windstill. Kein Blatt rührte sich. Die Sonnenstrahlen, die durch das Fenster meine Haut berührten, waren warm. Es fühlte sich fremd an.

„Ja, ich habe dafür gesorgt, dass sie hier her kommt." Die Stimme auf dem Flur kam mir bekannt vor, aber ich konnte sie nicht zuordnen. Sie klang brüchig und irgendwie alt. „Dr. Kennedy hat mir dabei wirklich sehr geholfen. Noch weiß sie gar nichts mehr, aber sie wird sich irgendwann wieder an das erinnern, was passiert ist."

„Es war ein starker Zauber." Eine andere Stimme. Ebenfalls eine Frau, aber im Gegensatz zur ersten, kam mir diese so gar nicht bekannt vor. „Sie wird sich an die nächsten paar Tage niemals erinnern. Der Zauber wird noch einige Zeit nachwirken."

„Sie wird Fragen stellen." Eine männliche Stimme, die mir ebenfalls bekannt vorkam.

„Natürlich wird sie das." In der Stimme der Frau lag fast so etwas wie Stolz. Sprachen diese Menschen über mich? „Der Salvation Vertrag ist dabei, wieder in die Brüche zu geraten. Und nicht nur das..." Was für ein Vertrag? Irgendwas klingelte da bei mir... „Ich habe mich nicht achtzehn Jahre von ihr ferngehalten, um sie jetzt Gefahren, wie Jägern, oder noch schlimmer, Cillian auszusetzen. Es war schwer, sie zu finden, aber trotzdem ist es besser für sie, wenn sie es nicht weiß. Wenn sie gar nichts weiß. Ich verlasse mich auf Sie alle drei, dass sie in Sicherheit ist."

„Außer Ihnen, mir, Rose und Dr. Kennedy weiß keiner, dass sie noch am Leben ist", versicherte die männliche Stimme.

„Das soll auch so bleiben. Es ist besser, wenn es keiner weiß. Im Augenblick ist Unwissen der größte Schutz -für alle." Ich hörte, wie sich Schritte der Zimmertür näherten. Zögernd drehte ich mich um. Ich fühlte mich komisch. Ich fühlte mich sicher, aber seltsam. Ich konnte mich an gar nichts erinnern. Ich warf einen Blick auf meine Unterarme. Dunkelrote Striche, die wie Narben aussahen, zogen sich von meinem Handgelenk, fast bis zu meiner Armbeuge hoch. Warum konnte ich mich an nichts erinnern? Das einzige, das mir bekannt vorkam, war, dass ich mich nicht einmal an meinen eigenen Namen erinnern konnte.

„Wenn Sie mich jetzt entschuldigen. Solange sie sich in einer Zeitspanne befindet, in der ich sicher sein kann, dass sie sich nicht an mich erinnern wird, möchte ich mich mit ihr unterhalten", sagte die Frau. Ich starrte die Türe abwartend an. Die Klinke wurde heruntergedrückt. Sie wurde geöffnet und herein trat eine junge Frau. Bevor sie die Türe schloss erhaschte ich einen Blick auf die beiden Personen, die auf dem Flur standen. Eine ältere Frau im Rollstuhl, mit smaragdgrünen Augen, und ein junger Mann, mit blonden Haaren. An seinem rechten Oberarm erkannte ich die Anfänge eines Tattoos, das vom Ärmel seines Shirts verdeckt wurde. Beide kamen mir bekannt vor, im Gegensatz zu der Frau.

Nun waren wir alleine in dem Raum. Sie hatte etwas Hoheitliches an sich. Ihre hellbraunen, beinahe blonden Haare, fielen in sanften Wellen über ihren Rücken. Ihre rehbraunen Augen fixierten mich. Sie stand kerzengerade da und ihre blasse, aber rosige Haut glich sehr meiner eigenen. Hatte ich sie nicht doch schon einmal gesehen? Irgendwo? Für einen kurzen Moment?

Die Frau betrachtete mich von oben bis unten. Ihre Gesichtszüge wurden weich. „Darauf habe ich lange gewartet", sagte sie schließlich mit einem leisen Lächeln und trat auf mich zu. Sie strich mir eine Haarsträhne hinter das Ohr und legte ihre Hand dann vorsichtig auf meine Wange.

„Hallo, Maeve."

Ende von Buch eins

Shadow Girl (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt