Aidan
Die Ergebnisse für die Prüfung waren raus. Und ich war absolut nicht überrascht, als ich neben meinem Namen die Worte Nicht bestanden lesen durfte. Meine Mutter würde sich freuen, für die Wiederholungsprüfung zahlen zu dürfen. Ich war auch nicht gerade begeistert, mich noch einmal durch den Prüfungsstoff quälen zu dürfen, weil ich befürchtete, dass das Ergebnis -in meiner momentanen Lebenslage-, nicht wirklich besser ausfallen würde.
Es war bereits zwei Wochen her, seit ich erfahren hatte, dass Addie schwanger gewesen war, und Beverly eine unvorstellbare Vergangenheit hinter sich hatte, und erwischte mich immer öfter bei dem Gedanken, dass mein Leben wesentlich einfacher gewesen war, bevor ich sie getroffen hatte. Mein Alltag war langweilig gewesen, aber strukturiert und relativ frei von Sorgen, die außerhalb meines Studiums stattgefunden hatten. Ich war jeden Morgen zeitig aufgestanden, hatte meinen Kaffee getrunken, war an die Uni gefahren, hatte meine Kurse besucht, war wieder nach Hause, hatte etwas gegessen, und mich bis in die Nacht hinein wieder in meinem Lernstoff vergraben. Ab und zu hatte ich Sport gemacht, oder etwas mit meinen Freunden unternommen.
Wie konnte ein einziger Mensch für eine hundertachtzig Grad Wendung in meinem Leben verantwortlich sein? Seit ich Beverly kannte, fuhren meine Gefühle nicht Achterbahn, sondern Gruselbahn, und mein Leben war wie ein Labyrinth im Horrorhaus. Und nicht die harmlosen Horrorhäuser, die ich als Kind in den Freizeitparks mit Addie besucht hatte, in denen sie immer zu weinen begonnen hatte, weil sie sich so gefürchtet hatte. Nein, ich rede von denen, die nur die Leute betreten, die schon in allen anderen Horrorhäusern waren, und sich vor nichts mehr erschrecken. Das Problem war nur, dass es am Ende eines solchen Hauses immer einen Ausgang gegeben hatte. Aber mein Leben beinhaltete keine Türe, durch die das Tageslicht schien, und über der in leuchtenden Großbuchstaben EXIT stand.
In den letzten zwei Wochen hatte sich an der derzeitigen Lage nämlich nichts Exit-haftes getan. Beverly wohnte wieder bei mir, und ich war mir nicht sicher, ob ich das gut, oder schlecht finden sollte. Mir gefiel es, keine Frage, aber die Tatsache, dass Chase nun einmal in derselben Wohnung wohnte, trug dazu bei, dass ich Beverly so lange wie möglich in meinem Zimmer unterbrachte. Zu meiner Überraschung aber, beachtete er sie nicht wirklich. Er warf ihr zwar hin und wieder grimmige Blicke zu, aber er redete nicht mit ihr, und er sprach auch nicht über sie. Er sprach generell nicht mehr sehr viel mit mir. Auch nicht mit Addie, denn meistens stand er morgens vor allen anderen auf, und verschwand. Entweder kam er mitten in der Nacht wieder, oder gar nicht. Er tat jedenfalls alles, um uns aus dem Weg zu gehen, und das setzte Addie zunehmend zu. Denn seit sie Trev die Sache mit Vaya erzählt hatte, war er nach Stanford gefahren, und nicht mehr zurückgekommen.
Addie versuchte sich widererwarten recht normal zu verhalten, aber ich durchschaute sie. Sie lächelte, um sich selbst einzureden, dass Trev bald zurückkommen würde, aber die Tatsache, dass sie nicht einmal ansatzweise so faul in der Gegend herumlungerte, wie sonst, war Beweis genug. Sie tat alles, um nicht an Trev denken zu müssen. Sie hatte jeden Tag der Woche im Myway gearbeitet, war nur in der Wohnung herumgelaufen, hatte sich in ihren Unisachen vergraben, aber kein einziges Mal in ihren Novellen oder Romanen. Hamlet musste bereits eine Staubschicht, wie seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen, haben.
„Was lernst du?" Ich zuckte zusammen und mein Blick schnellte zu Beverly. Sie lag auf meinem Bett, die Augen halb geschlossen. Bis vor wenigen Sekunden hatte sie noch geschlafen. Wie gesagt: Solange Chase hier war, würde ich Beverly so lange es ging bei mir behalten. Und wenn das hieß, dass sie in meinem Bett schlief, während ich lernte, dann hieß es das. Ich wusste was in Beverlys Bar vorgefallen war, und woher sie die hauchdünne Narbe an ihrem Hals hatte. Sie hatte es mir erzählt.
„Synaptische Transmission." Das war gelogen. Ich hatte gar nicht gelernt. Erst war ich zu sehr damit beschäftigt gewesen, die schlafende Beverly zu ignorieren, und dann hatten sich meine Gedanken wieder in den aus Problemen geknüpften Netzen verfangen. Langsam fielen ihr wieder die Lider zu.
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Shadow Girl (Band 1)
Paranormal„Es ist wie ein Spiel. Entweder du kontrollierst die Schatten, oder die Schatten kontrollieren dich." „Und du? Kontrollierst du die Schatten?" „Manchmal denke ich das." *** Hätte Aidan sein schlechtes Gewissen ignoriert und die unruhigen Nächte weit...