Kapitel 13

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Morgenröte

Kapitel 13

Chester folgte mir noch immer als wir zurück in der Klinik waren und ich in die Mensa ging. Irgendwie war ich verletzt davon, dass sie kaum über etwas gesprochen hatten, wo ich mitreden konnte. Mit ihm wollte ich nun nicht mehr reden.

„Mike?" Er lief hinter mir her und holte mich auch ein, sodass er neben mir ging. „Wieso redest du denn nicht mit mir?" Aufmerksam sah er mich liebevoll an. Ich mochte es wie er sich so sorgte, doch es verletzte mich, dieses falsche Gefühl konnte ich nicht ablegen.

„Chester... Nicht jetzt. Irgendwann einmal."

„Mike, bitte. Ist schon okay, wenn du nicht über so etwas reden möchtest, nur jetzt hass mich nicht und rede wieder." Er wollte immer mehr zu mir und öffnete die Tür, lief wieder neben mir und nahm dann wieder das Tablett mit meinem Essen.

„Danke." ,flüsterte ich leise und ging wieder neben ihm her ohne mich gar nicht mehr so schlecht zu fühlen. Er lächelte noch immer und strahlte diese wundervolle Aura dadurch aus. An diesem Tag gab es für mich ein vegetarisches Gericht, gedünstetes Gemüse und Baguette mit Butter. Chester hatte das gleiche und half mir mich zu setzen. Wie seit dem ersten Tag als er hier angekommen war saßen wir beisammen, Chester aß vor sich hin, er schien als würde er kaum satt werden zu können und ich quälte mich damit überhaupt etwas zu essen.

„Mike. Du bist mir sehr viel wert. Also fühl dich nicht verletzt von mir, wenn ich etwas aus versehen tue." ,erklärte er schnell und sah mich hoffnungsvoll an.

„Chester, bitte. Es ist doch schon alles in Ordnung. Du hast einfach ein viel interessanteres Leben als ich." Fasziniert starrte er mich an. Seine Brauen hatten sich hoch gezogen, die Lippen war gespitzt. Ein wenig Skepsis lag in seinem Blick. Ich aß derweilen weiter, nahm einen Schluck Wasser und tunkte das Brot in der Flüssigkeit, die aus dem Gemüse austrat. Es schmeckte sehr gut.

„Ich meine du erzählst von so vielem und ich... Ich hab in meinem Leben kaum etwas getan." ,flüsterte ich bedrückt. Selbst wenn falsch war was er getan hatte, doch schien es deutlich wertvoller gewesen sein als mein Wesen während des Studiums oder in der Berufswelt.

„Und was bezeichnest du als so wenig?" Ich zuckte mit den Schultern.

„Naja. Ich habe ganz normal studiert, war wie jeder andere auf dem College und habe dann angefangen zu arbeiten. Anna und ich haben uns irgendwann kennengelernt und dann geheiratet. Ganz normal würde ich sagen." Kurz gesagt war das mein bisheriges Leben. Ich hatte niemals Drogen genommen, mein Vater hatte niemals sich von seiner Frau getrennt oder mich verprügelt. Alles verdammt langweilig.

„Und du bist schwul." ,lächelte er.

„Es ist doch schon interessant, dass du dieses Versteckspiel durchziehst. Ich hätte nicht die Mut dazu der ganzen Welt ein perfektes Leben vorzuspielen, obwohl ich mir gerne wünschen würde, dass ich dein Leben hätte."

„Wieso denn das?" ,sah ich ihn verwirrt an. Er sollte stolz darauf sein, dass er mit seinem Leben eigentlich immer zufrieden gewesen war, denn meines war zwar augenscheinlich perfekt, aber dafür bedrückend.

„Du hast einen anständigen Job und verdienst sicherlich auch reichlich. Außerdem hast du eine wundervolle Familie." ,erklärte er schnell seine Gedanken. Ich musste sofort an Anna und Otis denken, wie sie ihn lächelnd in ihren Armen hielt und der kleine kicherte als ich ihnen näher kam und durch seine schwarzen Haare strich. Er war wie ein Ebenbild von uns beiden.

„Dafür hast du das ganze Leben ausgekostet."

„Und was bedeutet das? Mike, ich habe nichts und immer nur alles missbraucht. Da draußen ist nicht wirklich etwas wofür es sich zu leben lohnt." Seine Augen wirkten blass, das Besteck hatte er bei Seite gelegt und die Hände auf dem Schoß gefaltet.

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