Kapitel 1

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,,Aufstehen!" brüllt eine der Betreurinnen schlecht gelaunt, von der anderen Seite der Tür und hämmert ein paar mal dagegen, ehe sie verschwindet. Mühseelig quäle ich mich aus dem Bett und schlurfe rüber ins Badezimmer der Mädchen. Im Spiegel blicken mir zwei leere blaue Augen entgegen, aus denen die Hoffnung schon lange verloren zu sein scheint. Während ich versuche meine langen blonden Haare in den griff zu kriegen, füllt sich der Waschraum langsam. Wie jeden Morgen ist es totenstill.

Zurück im Zimmer ziehe ich mir ein paar frische Kleider an und mache mich auf den Weg zum Speisesaal.

Heute ist Besuchertag. Eigentlich sollen wir uns außerhalb unserer Zimmer bewegen damit Interessänten uns näher kennen lernen können. Doch ich beachte diese Regelung schon seit langem nicht mehr, da mich sowieso noch nie einer der Leute angesprochen hat oder mich adoptieren wollte. Damit habe ich mich mitlerweile abgefunden, trotzdem muss ich mir nicht jeden Samstag ansehen wie glückliche Kinder aus dem Heim verschwinden können, während ich hier schon seit 4 Jahren festsitze. Ich weiß nicht warum, aber mir scheinen die meisten Leute aus dem Weg zu gehen. Es ist fast so als würden sie sich vor mir fürchten. Dabei verstehe ich garnicht was an einem 16-jährigen Mädchen so angsteinflösend sein soll.

Ich verkrieche mich also wie jede Woche in meinem Zimmer und hoffe, dass mich keiner "vermisst" (achtung Sarkasmus). Mit einem Buch in der Hand liege ich im Bett, als es plötzlich klopft. Bevor ich Antworten kann, stürmt, die selbe schlecht gelaunte Betreuerin wie heute Morgen, in mein Zimmer.

Ohne jegliche Umschweife oder Begrüßung spricht sie grade heraus: ,,Du wirst adoptiert!" Die Worte schwirren immer noch in meinem Kopf herum, als sie befielt, ich solle meine Sachen packen. Genauso schnell wie sie gekommen ist, verschwindet sie auch wieder und lässt mich verstört auf meinem Bett sitzend zurück.

Hastig werfe ich meine Klamotten in den Koffer und lasse mir die Worte nochmal durch den Kopf gehen. Ich werde adoptiert! Ich weiß nicht ob ich mich freuen oder aufgeregt sein soll. Wer würde mich schon adoptieren? Es kennt mich doch noch nicht mal Jemand oder will mich kennen lernen. Das ist es was mir auch ein bisschen Angst einjagt. Woher kennen mich meine zukünftigen Eltern überhaupt?

Mit klopfendem Herzen mache ich mich auf den Weg in die Empfangshalle. Sie ist leer, bis auf einen Mann, der mit dem Rücken zu mir irgendwelche Unterlagen auszufüllen scheint. Innerlich bete ich, dass es nicht mein neuer Vater sein wird. Doch das glück bleibt mir mal wieder aus, als er sich plötzlich umdreht und auf mich zukommt. Seine braunen, fast roten Augen funkeln mich kalt an, sodass ich eine Gänsehaut bekomme. Er hat hellbraune Haare, die ihm fast bis zur Schulter reichen und einen drei-Tage Bart. Als er schließlich vor mir steht rutscht mir das Herz in die Hose. Ich fühle mich wie ein hilfloses Reh, dass dem Raubtier schutzlos ausgesetzt ist. Seine Augen scheinen mich aufspießen zu wollen als er sagt: ,,Sind sie Holly Schulters?" Schüchtern nicke ich, unfähig zu Antworten. Er wendet den Blick von mir ab und murmelt mir im vorbei gehen noch ein "komm mit" zu bevor er schon auf den Ausgang zu steuert. Hilfesuchend blicke ich mich um, nicht wissend ob ich ihm jetzt einfach folgen soll oder nicht. Mein Blick trifft den einer Betreuerin, die mir nur stumm zunickt und verschwindet. Endlich löse ich mich aus meiner Starre und haste dem Mann hinterher.

Stumm schaue ich aus dem Fenster, während wir über die Landstraße brettern. Es ist schon so lange her, dass ich woanders war als in dem Waisenhaus. Denn wir dürfen das Gelände nur mit einem der Aufpasser verlassen und darauf kann ich besser verzichten.

Bäume mit gelb und orange gefärbten Blätten ziehen an mir vorbei und wiegen sich leicht im Wind hin und her. Plötzlich unterbricht der Mann hinter dem Steuer die stille und fängt an zu reden: ,,Mein Name ist Victor. Du musst mich nicht siezen, aber nenn mich auch nicht Papa oder sonst irgendwie." Er macht eine kurze Pause, ehe er weiter spricht: ,,Du brauchst nicht zu denken nur weil du nicht mehr im Heim bist, kannst du machen was du willst. In unserem Haus gibt es klare Regeln an die du dich halten wirst, verstanden?" Mit emotionsloser Stimme bringe ich noch ein "ja" heraus bevor ich wieder aus dem Fenster schaue und in meinen Gedanken versinke.

Etwas außerhalb des kleinen Ortes Falkenstein, fährt der schwarze Geländewagen in eine Einfahrt und hält vor einem großen Haus. Dahinter beginnt sofort dichter Wald, während sich davor eine riesige Wiese erstreckt. Obwohl das Haus mitten im grünen liegt ist es mucksmäusschen still. Keine Vögel die zwitschern, keine Grillen die in der abendsonne zirpen, alles ist still.

Als wir das Haus betreten komme ich aus dem Staunen fast gar nicht mehr raus. Alle Möbel sind in einem edlen Schwarz gehalten und scheinen auf dem modernsten Stand zu sein. Wir passieren ein riesiges Wohnzimmer mit Esszimmer und gelangen in die Küche, aus der ein köstlicher Duft dringt. Am Herd steht eine frau mit glatten blonden Haaren und bereitet gerade so wie es aussieht Pfannkuchen zu. Als sie mich endeckt, legt sie schnell den Pfannkuchen auf einen Teller und kommt auf mich zu. ,,Hallo, du musst wohl Holly sein. Nenn mich einfach Linda. Ich hab was zu Essen für dich gemacht. Schnell setz dich hin und iss was," plapperte sie fröhlich los. Wow, also wenn sie die Frau von diesem Victor war, dann frage ich mich ernsthaft wie die beiden miteinander klar kommen. Sie sind das komplette Gegenteil voneinander. Bevor ich weiter darüber nachdenken kann, drückt Linda mir schon den Teller in die Hand und schiebt mich ins Esszimmer. Ich lächle sie bloß etwas überfortdert an und setze mich an den Tisch. Ihre grünen Augen blicken mich erwartungsvoll an, woraufhin ich unsicher die Gabel nehme und mir ein Stück Pfannkuchen in den Mund stecke. Man muss mir angesehen haben, dass es schmeckt, denn ihr Lächeln wird breiter und sie verschwindet wieder in der Küche.

Nachdem ich den Pfannkuchen genüsslich aufgegessen habe, mache ich mich auf den Weg in die Küche um den Teller zurück zu bringen, als ich noch die letzten Worte aufschnappe, die Linda gerade zu Victor sagt: ,,Sei nicht so herzlos zu ihr. Sie weiß noch nicht was alles auf sie zukommen wird." Was auf mich zukommen wird? Was soll das denn jetzt bedeuten? Verwirrt laufe ich in die Küche, bedanke mich für das leckere Essen und gebe den Teller zurück. ,,Mein Sohn Lukas hat deinen Koffer schon hochgebracht und wird dir dein Zimmer zeigen", meint sie und erst dann fällt mir der Junge auf, der im Türramen lehnt und mich mit seinen stechend grünen Augen anstarrt. Ohne ein Wort zu sagen dreht er sich um und bedeutet mir mit einer Handbewegung ihm zu folgen. Auf dem Weg in dem obersten Stock mustere ich ihn von hinten. Er scheint höchstens 18 Jahre zu sein,ist gut gebaut, hat dunkelbraune hochgestylte Haare und trägt lockere aber moderne Kleidung. Andere Mädchen in meinem Alter würden jetzt wahrscheinlich sagen, er ist total heiß. Aber das interessiert mich im moment eigentlich herzlich wenig. Schließlich ist er sozusagen mein Stiefbruder. Ich bin so in Gedanken vertieft, dass ich nicht merke wie er vor einer Tür stehen bleibt und ich glatt in ihn reinlaufe. Mit knall rotem Kopf entschuldige ich mich bei ihm und wir gehen in mein zukünftiges Zimmer. Mit offen stehendem Mund betrete ich den Raum. Es ist riesig und von dem Fenster aus kann man direkt runter auf den Wald schauen. Die Wände sind in einem hellen Türkis gestrichen und die Möbel, im Gegensatz zu den unten, alle in einem klassischen Weiß gehalten. Ich habe sogar ein eigenes Badezimmer. Alles in allem ist es wunderschön. Erst als ich wieder aus dem Staunen herauskomme fällt mir auf, dass ich alleine bin.

Glücklich schmeiße ich mich aufs Bett und beginne meine Sachen auszupacken. Das erste mal in meinem Leben scheint mich mein Schicksal nicht bestrafen zu wollen. Vielleicht würde ja jetzt alles anders werden. Doch dann fällt mir wieder ein was Linda in der Küche gesagt hat. Habe ich mich zu früh gefreut? Spielt das Schicksal mir nur einen Streich, um mich in ein noch tieferes Loch aus Verzweiflung und Kummer zu ziehen?

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Neues kapitel!

Es ist zwar jetzt nicht sehr spannend aber der anfang ist immer ein bisschen langweilig, auf jedenfall wird es noch spannender. Dafür ist es jetzt auch etwas länger geworden. Falls viele rechtschreibfehler drin sind tut es mir leid, ich versuche eigentlich immer alle zu verbessern.

Ich hoffe irgendjemand ließt das buch weiter! ;)

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