Kapitel 16

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,,Wo sind Mum und Dad?" fragt Lucy in die Runde und schaut ihren großen Bruder hoffnungsvoll an. ,,Das wissen wir nicht," gibt Lukas leise von sich und blickt in das knisternde Lagerfeuer vor uns. ,,Aber es geht ihnen gut," versuche ich sie zu beruhigen. ,,Wir haben unsere Wege getrennt, damit Magnus nicht so schnell auf unsere Fährte kommt," erklärt Lukas weiter. Mir scheint es als wäre Lucy bei Magnus' Namen kurz zusammen gezuckt, doch sie lässt sich nichts weiter anmerken. Wie muss es wohl sein an den Mann zu denken, der sie damals umgebracht hat? Sie weiß wie sich der Tot an fühlt. Es ist schrecklich, dass sie in ihrem jungen Alter schon so etwas erleben musste. Doch scheint ihre Lebensfreude trotzallem nicht verblasst zu sein. Sie ist wirklich ein außergewöhnliches Kind für ihr alter. ,,Sie kommen schon klar," murmelt Lukas und starrt weiter vor sich hin. Für ihn ist es wohl auch nicht einfach damit klar zukommen. Auch mich macht es fertig nicht zu wissen ob es ihnen gut geht.

Ich löse mich aus meiner Starre und erhebe mich, um ins Zelt zu gehen. Ich nuschel noch schnell ein "Ich geh schlafen", ehe ich schon ins Innere des kleinen Zeltes verschwunden bin. Es ist nicht viel Platz für drei Personen, aber wir kommen irgendwie zurecht. Lucy und ich teilen uns die  eine Hälfte, während Lukas für sich allein immer den Rest in Anspruch nimmt. Wenn der Kerl schläft, muss man aufpassen, dass man nicht eine Hand ab bekommt. Aber ich sollte mich ja nicht beklagen, mit mir in einem Bett zu schlafen ist auch manchmal nicht ganz ungefährlich. Schnell ziehe ich ein paar bequeme Joggingsachen an und kuschel mich in meinen Schlafsack. Es dauert nicht lange bis ich in einen ruhigen Schlaf abdriffte.

Ein Schrei durchbricht die Stille und lässt mich aus dem Schlaf hochfahren. Ich sitze kerzengrade im Zelt und blicke mich um. Ein paar Zentimeter von mir entfernt sitzt Lukas und schaut genauso erschrocken in meine Richtung. ,,Wo ist sie? Wo ist Lucy?" will er panisch von mir wissen. Stimmt, wo ist sie? Angst steigt in mir auf und breitet sich aus bis in die Fingerspitzen. Ihr Schlafsack ist leer und die Zelttür steht offen. Ohne weiter zu überlegen krieche ich aus dem Schlafsack und trete vor das Zelt. Lukas klettert sofort nach mir heraus und stellt sich neben mich. Ein weiterer markerschütternder Schrei lässt mich zusammen zucken und nach Lukas Hand greifen. ,,Es kommt von dort," flüstere ich Lukas zu und deute in den Wald. Bevor Lukas etwas antworten kann ziehe ich ihn schon hinter mir her in den Wald hinein. Die Schreie vermischen sich mit qualvollen Hilfeschreien. Spätestens jetzt ist klar von wem diese kläglichen Laute stammen. Es ist Lucy deren Stimme aus dem Wald dringt. Die Rufe werden immer lauter und hin und wieder von einem seltsamen Knurren unterbrochen. Unser Ziel rückt näher und meine Beine bewegen sich von ganz alleine.

Rote Augen stechen zwischen den Bäumen hervor. Sie huschen durch die Dunkelheit und bleiben an uns hängen. Spitze Fangzähne blitzen auf und ein wahrnendes Knurren ertönt. ,,Hilfe" ruft nun die ängstliche Stimme von Lucy ganz in der Nähe. Ich steure weiter in die Richtung der Gestalt mit den roten Augen. Dann sehe ich es. Lucy die von einem halb Hund, halb Wolf artigem Geschöpf in Richtung eines Bau's gezogen wird. Die Zähne des Tiers bohren sich in ihr Bein. Die umherstehenden Wesen blicken mich finster an. ,,Du holst sie daraus, ich kümmere mich um die Viecher," flüstert mir Lukas mit zusammengebissenen Zähnen zu. ,,Beweg dich nicht, bis ich 'jetzt' sage," fügt er noch bei. Für einen Moment ist es still. Die rotäugigen Geschöpfe beobachten uns mistrauisch, bewegen sich jedoch nicht. ,,Jetzt!" unterbricht Lukas die Stille und stürzt sich auf die umherstehenden Wolfsgeschöpfe. Nachdem mir klar wird, dass ich nun Lucy helfen muss, stürme ich auch endlich los. Ich befreie Lucy's Bein aus den Fangzähnen des Wolfes, bevor er sie weiter in Richtung Bau schleifen kann. Das Wesen setzt zum Angriff an, doch es wird vorher von Lukas aufgehalten. Er hockt sich neben mich und hebt sie vorsichtig hoch. Sie stöhnt bei jeder Berührung schmerzerfüllt auf, doch wir müssen sie schnellstmöglich hier wegschaffen. ,,Auf die Bäume, dort kommen sie nicht hin," sagt Lukas in dem Moment. Schnell springe ich auf und suche mir den nächst gelegensten Baum, bei dem ein Aufstieg möglich ist. Eine breite Buche zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Hastig klettere ich hinauf und nehme Lucy an, die mir Lukas von unten hochreicht. Auch er schwingt sich auf die untersten Äste und wehrt noch ein paar angreifende Geschöpfe ab. Zusammen gekauert sitzen wir zu tritt in der Baumkrone und blicken auf die uns umkreisenden Wölfe. Sie geben klägliche jaulende Laute von sich und kratzen an der Rinde des Baums. ,,Was sind das für Wesen?" frage ich in die Stille hinein. ,,Höllenhunde. Der Teufel muss sie geschickt haben, um Lucy zurück in die Unterwelt zu schaffen," klärt Lukas mich auf. Ach, ja toll jetzt haben wir nicht nur Magnus gegen uns aufgehetzt, sondern auch noch den Teufel höchstpersöhnlich. Fehlt nur noch, dass uns die Polizei verfolgt.

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