Wütend stampfe ich Lukas hinterher. Der kann mich auch nicht mal darüber informieren was für Risiken das hier Alles hat. Nein, er denkt ja ich hätte dann nicht mitgemacht. Da ist es natürlich besser mir die ganze Zeit den wichtigsten Teil zu verschweigen. Ist doch egal ob wir für immer hier unten gefangen sein könnten. Die Ewigkeit ist doch nicht lange! Wie mich das Alles aufregt. Warum sagt man mir eigentlich immer als letztes was los ist? Habe ich nicht das Recht auch Antworten auf meine Fragen zu bekommen? Beleidigt trete ich einen kohleartigen Stein vor mir her und starre auf meine Füße. Seitdem er mir gebeichtet hat, was das größte Risiko bei dieser Aktion ist, habe ich kein Wort mehr mit ihm gewechselt. Und das habe ich auch erst mal nicht vor. Er soll nicht denken, dass er machen kann was er will und meine Meinung außen vor lassen kann. Das lasse ich mir nicht gefallen, soll er doch sehen wie er alleine klarkommt. Er braucht schließlich mich und nicht andersrum. Wenn er etwas von mir verlangt, will ich auch wissen was Sache ist. Ich könnte mich Stundenlang über solche Sachen aufregen und immer wieder neue Gründe finden um mich zu ärgern, doch mein Gedankenfluss wird unterbrochen, als plötzlich vor meinem Blickfeld ein Ast auftaucht. Gerade noch rechtzeitig kann ich ihm ausweichen, doch leider bemerke ich die Wurzel vor meinen Füßen zu spät und so lande ich mit einem harten Aufprall bauchlinks auf dem Boden. Deprimiert schlage ich mit der Faust auf den Boden und stemme mich wieder auf die Füße. Wusste ich es doch, dass diese Bäume es auf mich abgesehen haben, sie wollen mich in die Irre führen und dass scheint ihnen auch gelungen zu sein, denn als ich wieder auf den Füßen stehe erstreckt sich vor mir nichts als der dichte dunkle Wald. Kein Lukas, der vor mir her hastet, ist mehr zu sehen. Ich drehe mich mehrmals im Kreis um meine Orientierung wieder zu erlangen. Doch wie sagt man so schön: Als Gott den Orientierungssinn vergab, hatte ich mich verlaufen. So musste es wohl bei mir gewesen sein, denn ich habe keinen blassen Schimmer in welche Richtung Lukas verschwunden sein könnte. Da mich das Rumstehen und Grübeln, jetzt auch nicht weiter bringt, setze ich mich wieder in Bewegung. Meine Füße tragen mich über einen schmalen Pfad zwischen den Bäumen entlang in die entgegengesetzte Richtung aus der ich komme.
Moment mal. Hier war ich doch grade eben schon. Na toll, ich bin wohl im Kreis gelaufen. Niedergeschlagen lasse ich mich an einem der Bäume runterrutschen und gebe ein verzweifeltes Stöhnen von mir. Mit den Ellbogen auf die Knie gestützt und die Stirn in meine Hände gelegt versuche ich die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Seit wann bin ich eigentlich so eine Heulsuse? Ich war doch nicht so, als ich noch im Waisenhaus war. Naja, das liegt wahrscheinlich daran, dass diese ganze Unterweltsache, meinem Leben wieder ein Sinn gegeben hat. Ich hatte eine Aufgabe, der ich mich stellen musste. Im Heim hatte ich mich selbst schon aufgegeben. Doch dass was meinem Leben einen Sinn verleit, könnte schon bald wieder verloren sein. Denn wenn ich Lukas nicht bald wiederfinde, wird er wahrscheinlich ohne mich zurück kehren und ich werde hier unten festsitzen. Alleine. Den Rest meines Lebens. Die Tränen lassen sich nicht länger zurück halten und schon findet eine dicke Träne den Weg hinunter zu meinem Kinn. Ich kann hier nicht länger sitzen und nichts tun, wenn ich nicht weiter suche, ist die Hoffnung ganz verloren. Ich wische mir schnell die Tränen von der Wange und checke meine Umgebung. Also ich bin von links gekommen, dann versuche ich jetzt mal die andere Richtung. Ich recke meinen Hals nach rechts und blicke durch die Bäume. Da! Dort vorne lichtet sich der Wald ein wenig. Vielleicht ist dort eine Lichtung, auf der ich mich orientieren kann. Hastig rappel ich mich hoch und laufe in die Richtung. Als die Bäume sich lichten, fange ich an zu rennen und werde immer schneller.
Endlich betrete ich die Lichtung und atme tief ein. Auch wenn diese durch den schwarzen boden und dem roten Himmel nicht viel freundlicher aussieht, fühle ich mich gleich viel befreiter. Diese ganzen Bäume haben mich wortwörtlich erdrückt. Nachdem ich mich wieder beruhigt habe, halte ich ausschau nach etwas bekanntem. Mir fällt sofort etwas ins Auge, das mir sogar sehr bekannt vor kommt. Denn keine 200m sehe ich Lukas, der an einem gelb schimmernden See kniet. Die Wut von vorhin ist schon wieder vergessen, ich bin einfach froh ihn wieder gefunden zu haben. Erleichtert laufe ich zum See und schleiche mich von hinten an ihn ran. Er scheint mich nicht bemerkt zu haben, denn er kramt weiter gedankenversunken in seinem Rucksack herum. Als er sich wieder aufrichtet zuckt er erschrocken zusammen, da ich nur wenige Zentimeter von ihm entfernt stehe. ,,Wo warst du denn so lange?" fragt er immer noch ein wenig perplex. Augenverdrehend trete ich einen Schritt von ihm zurück, da ich durch seine Nähe nicht klar denken kann und gebe sarkastisch von mir: ,,Schön, dass dir meine Abwesenheit auch mal aufgefallen ist." Sein dämliches Grinsen, lässt mich wieder ein wenig wütend werden, doch ich lasse es mir nicht anmerken. ,,Was machst du da?" frage ich ihn und blicke auf das Taschenmesser in seinen Händen. Sein Blick wird wieder ernst, als er erwiedert: ,,Ich werde meine Schwester zurück holen." Ich komme mir ein wenig dumm vor als ich frage: ,,Wie?" Aber mal ehrlich woher soll ich auch wissen, wie man einen toten Menschen zurück ins Leben holt? ,,Ihre Seele ist dort unten gefangen," meint er tonlos und deutet auf den Grund Sees. Bei genauerem hinsehen, erkenne ich seltsame durchsichtige Gestalten, die sich in der Mitte des Sees im kreis bewegen. Es sind druchsichtige Hüllen, die ständig in Bewegung sind und nur durch das gelb leuchtende Wasser erkennbar sind. ,,Du willst darunter?" frage ich sicherheitshalber nochmal nach. ,,So siehts aus," antwortet er entschlossen. ,,Und wie willst du sie finden?" will ich wissen. ,,Ich werde es spüren," murmelt er bevor er sich sein T-shirt über den Kopf zieht. Ach du kacke, ich wusste ja das er gut Gebaut ist, aber damit hätte ich jetzt nicht gerechnet. Er sieht aus wie ein Bodybuilder. Ok Holly, jetzt bloß nicht so hinstarren. Ich versuche meinen Blick von seinem perfekten Oberkörper zu lösen, doch das ist einfacher gesagt als getan. Mein Blick huscht immer wieder zwischen seinem Gesicht und Six-pack hin und her. ,,Fertig?" neckt er mich mit einem amüsiertem Grinsen im Gesicht. Peinlich berührt wende ich meinen Blick von ihm ab und starre auf meine Füße. So ein Idiot! Wie soll man da auch nicht hingucken? Mein Kopf ist mit sicherheit so rot wie eine Tomate, während ich mir verlegen auf der Lippe rumkaue. Plötzlich spüre ich eine leichte Berührung an meinem Kinn und hebe langsam den Kopf an. ,,Wusstest du das du total hübsch aussiehst wenn du rot wirst," murmelt er und das Grinsen auf seinem Gesicht verblasst, während er mir sachte mit dem Daumen über die Wange streicht. Wie erstarrt stehe ich da, unfähig mich zu bewegen. Von mir aus könnte er ewig die Hand an meiner Wange lassen, doch dann zieht er sie wieder zurück und sieht mich schuldbewusst an. So als hätte er einen Fehler begangen. Er starrt für ein paar Sekunden traurig auf das schimmernde Wasser, bevor er mit einem eleganten Kopfsprung hinein springt. Ich sehe ihm für ein paar Sekunden nach, wie er hinunter in die tiefen gleitet, dann lasse ich mich kraftlos auf den Boden sacken. Vorsichtig fasse ich an die stelle, an der vor wenigen Sekunden noch Lukas' hand lag und versuche mir für einen Moment nochmal das Gefühl seiner Berührung in Gedanken zu rufen. Warum sah er so traurig aus als er seine Hand wieder wegzog? Dachte er es wäre ein Fehler? Warum verhält er sich mir immer so seltsam gegenüber? Ich kann meine Gefühle einfach nicht beschreiben, wenn er in meiner Nähe ist. Seine bloße Anwesenheit raubt mir den Atem. Seine Taten lassen mich einfach nicht daraus schlau werden. Verträumt blicke ich in den See, bis mir klar wird was sich dort unten gerade vor meinen Augen abspielt. Die durchsichtigen Gestalten, haben Lukas umzingelt und klammern sich an seinen Beinen fest. In den Armen hält er etwas ganz fest umschlossen. Ich kann nur eine seltsame weiße Hülle erkennen, die leblos in seinen Armen liegt. Lukas versucht sich zu befreien, aber ihm scheint langsam die Luft auszugehen. Innerlich bete ich, dass er sie abschütteln kann, doch als er sich schließlich nicht mehr wehrt und reglos das seltsame etwas in seinen Armen umklammert, wird mir klar, dass er es nicht mehr schafft. Ohne weiter zu überlegen, springe ich Kopfüber in den kreisrunden See und steuere in seine Richtung. Mein Körper bewegt sich von alleine, während mein Verstand still zu stehen scheint. Mein Herz droht zu zerbrechen, wenn ich mir vorstelle, dass er dort unten stirbt. Wenn er stirbt, sterbe ich mit ihm.
Mit aller Kraft ziehe ich an Lukas' Armen um ihn aus den klauen der Seelen zu befreien. Ja, es scheinen die Seelen zu sein, die ihn hier unten festhalten wollen, damit er wohl das selbe leid erlebt wie sie. Aus der Nähe, werden die seltsamen Gestalten, als leuchtende menschliche Hüllen erkennbar. Ihr Körper ist noch vollkommen erhalten, doch es ist keinerlei Gesicht zu erkennen. Ihre haut ist transparent und aus dem inneren strahlt ein glitzerndes silbernes Licht. Ich weiß, wenn man das jetzt alles so hört, denkt man, die hat sie doch nicht mehr alle. Ich würde mir ja selbst nicht glauben, aber diese menschlichen Gestalten, sehen wahrhaftig so aus. Man könnte sie auch als eine art Alien ansehen, denn es gibt viele Filme in denen außerirdische Wesen in dieser Form dargestellt werden, aber in der Realität sieht das Alles noch viel unglaublicher aus. Ja ihr habt richtig gehört, ein geistes krankes Mädchen erzählt, euch gerade etwas über Seelen von Schattenwesen, mitten in einem gelbleuchtenden See, der in der Unterwelt liegt. Schon seltsam, nicht? Aber kommen wir mal wieder zurück zum Wesentlichen, denn auch meine Luft wird langsam knapp und ich kann diese Seelen immer noch nicht von Lukas' Beinen abschütteln. Ich lege eine kurze Pause ein, damit sich meine Beine von der Strampelei ausruhen können. Mit neu gesammelter Kraft, auch wenn mein Herz fast alle Sauerstoffreserven aufgebraucht hat, ziehe ich nochmal fest an Lukas' Arm, der immer noch die Hülle seiner kleinen Schwester umschlossen hält. Bei den letzten kräftigen Fußtritten, gelingt es mir endlich zwei der Gestalten abzuschütteln und darauf folgen auch schon die Anderen. Die letzten Schwimmzüge bis an die Wasseroberfläche, ziehe ich ihn mit mir, bis ich endlich wieder frischen Sauerstoff in meine Lungen aufnehmen kann. Ich hiefe Lukas ans Ufer und drehe ihn auf den Rücken. Vorsichtig befreie ich die leblose Gestalt seiner Schwester, die nun langsam wieder Farbe bekommt, aus seinen Armen und lege sie sachte neben ihn. Über ihn gebeugt, halte ich mein Ohr an seinen Mund, um zu spüren ob er noch atmet. Doch es ist nicht der Fall, kein Lufthauch verlässt seinen Mund. Wie kann das sein? Ich dachte man kann einen Schatten nur töten, wenn man sein Herz durchsticht. Verzweifelt rüttel ich an seiner Schulter, während sich schon einzelne Tränen ihren Weg über meine Wange bahnen. Das darf nicht wahr sein, flüstert mir mein Herz immer wieder ins Gewissen. Er kann nicht sterben! Das kann nicht sein! Die Tränen rinnen in Strömen über meine Wangen und tropfen auf Lukas' nackte Brust. Als auch nach einer Herzmassage kein Leben in ihn zurück kehrt, klammere ich mich verzweifelt an seinen leblosen Körper, in der Hoffnung er würde zurück kommen. Doch sein regloser Körper erinnert mich immer wieder daran, dass es zu spät ist. Nach einer Weile des betens, falle ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
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Hey hey!
Sorry, hat noch ein bisschen gedauert, ich hätte nicht gedacht, dass ihr so schnell auf 20 votes kommt :D. Aber ich hab mir bei dem kapitel jetzt ziemlich viel mühe gegeben und ich denke es ist auch besser als das davor. Außerdem ist es auch länger geworden, wie die anderen. So mal sehen ob ihr es auch so schnell schafft auf 30 votes zu kommen. Ich würde mich echt freuen, wenn es so wäre.
Also viel spaß beim lesen und schön voten!
Bis bald! :* ♥♥
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Dark Secrets
FantasyEin Geheimnis, eine Aufgabe, eine Liebe... Ein Mädchen, dessen Aufgabe, von dem ersten Atemzug an vorbestimmt war. Die Freiheit wurde ihr genommen. Ihre Familie, die Freude und das Glück. Die einzige Hoffnung. Eine Familie, die sie adoptiert und ih...